Wohnungslose
Apr 012004
 

Penner? - Bestimmt nicht!

Wohnungslose müssen im Gegenteil hellwach sein

(noa) Wir alle kennen sie. Im Sommer sitzen sie in Gruppen im Park und trinken Bier und Schnaps, sie sprechen uns vor dem Supermarkt an und bitten um etwas Geld, einmal im Monat bieten sie uns die Straßenzeitung „Asphalt“ an. Im Winter sehen wir sie seltener, und in besonders harten Wintern erfahren wir aus den Fernsehnachrichten ab und zu, dass einige von ihnen erfroren sind.

Persönlich kennen die wenigsten von uns einen Wohnungslosen, und im allgemeinen hüten wir uns, viel mit ihnen zu tun zu haben. Wir schauen weg, wenn einer uns um Geld angeht, oder wir geben ihm ein paar Cent und gehen schnell weiter – fast so, als befürchteten wir, sein Schicksal könnte ansteckend sein.
Peter Dietz (Name von der Redaktion geändert) ist (war) einer von ihnen. Er stammt aus der Nähe von Wilhelmshaven und ist Mitte 40. Sein Leben verlief in den ersten Jahren scheinbar völlig normal: Schule, Ausbildung zum Bäcker. Dann aber Abbruch der Lehre. Arbeit in einem anderen Bäckereibetrieb, in der Molkerei, als Steinmetz, als Tierpfleger, als landwirtschaftlicher Gehilfe. Dazwischen verschiedene Straftaten und vor allem Alkoholexzesse. In Peters Erinnerungen gibt es Lücken unterschiedlicher Länge. Gar nichts weiß er mehr von einem Wohnungsbrand, bei dem er knapp mit dem Leben davonkam, bei dem er so schwer verletzt wurde, dass er eine Minderung der Erwerbsfähigkeit davontrug. Im Bett geraucht und eingeschlafen, wie es oft so geht? Das bestimmt nicht, erzählt er, denn das Bett stand noch fast unversehrt nach dem Löschen. Marode Stromleitungen eher, denn er wohnte damals in einer wahren Bruchbude, aber beweisen hätte er gar nichts können, und was hätte es auch genützt?
Einige Jahre wohnte er mit anderen Leuten ähnlichen Schicksals im Westerwald im Haus einer alten Dame, die entsprechende Verträge mit dem Sozialamt hatte, doch als „die Oma“ pflegebedürftig wurde, wurde diese Unterkunft aufgelöst.
Weitere Stationen in Peters Leben waren verschiedene Notunterkünfte und verschiedene sozialtherapeutische Einrichtungen, wo er auch mehrmals vom Alkohol entgiftete und entwöhnte. Entgiften kann er mittlerweile auch allein in seiner Wohnung; jetzt ist er seit einem Jahr trocken und braucht das Entgiften ohne ärztliche Hilfe nicht mehr zu üben.
Seine letzte Station war eine Einrichtung in Homborn, wo er auch eine Therapie machte. Dort hat er „nach Feierabend“ bei einem Bauern mitgeholfen, bei dem er auch eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme von einem Jahr Dauer absolviert hatte.
Von Homborn aus nahm er Kontakt zur Wohnungslosenhilfe der Diakonie in Wilhelmshaven auf, weil er wieder in seine friesische Heimat zurückwollte. Zu diesem Zeitpunkt (im Sommer 1999) muss er schon sehr entschlossen gewesen sein, sein Leben nach all den Jahren endlich wieder selber in die Hand zu nehmen. Jedenfalls hat er es geschafft. Er hat seither eine eigene Wohnung und seit Anfang 2000 auch Arbeit. „Inzwischen steht in meiner Wohnung nichts mehr aus dem Möbellager der Diakonie, sondern Möbel, die ich selber angeschafft habe“, erzählt er stolz. Seine Finanzen regelt er noch nicht ganz allein. Da lässt er sich noch von der Wohnungslosenhilfe der Diakonie unterstützen.
Seine Arbeit? Er arbeitet als Tierpfleger, hat Anfang 2000 zunächst ehrenamtlich gearbeitet und gezeigt, dass es ihm ernst ist. Ab Juli 2000 bekam er eine ABM für zwei Jahre, die nach Ablauf noch ein letztes Mal um vier Jahre verlängert wurde – so etwas ging für „schwer Vermittelbare“ damals noch. 2006 wird es damit aus sein, und so kümmert sich Peter schon jetzt darum, wie es dann für ihn weitergehen kann. Deshalb nahm er die Möglichkeit, ein zweites Mal an einem Wochenseminar für (ehemalige) Wohnungslose teilzunehmen, gerne wahr.
Seit 1994 findet jedes Jahr einmal ein solcher Bildungsurlaub im Europahaus in Aurich statt. Mitarbeiter und Betreute der Ambulanten Wohnungslosenhilfen aus Emden, Wilhelmshaven, Oldenburg und Westerstede verbringen eine Woche zusammen mit Erfahrungsaustausch, Freizeitgestaltung und Fachvorträgen. In diesem Jahr erläuterten Mitarbeiter von Krankenkasse und Arbeitsamt und eine Sozialberaterin den TeilnehmerInnen Gesetze und Bestimmungen, die für sie wichtig sind. Peter Dietz hat diese Gelegenheit genutzt, sich mit Leuten bekannt zu machen, deren Hilfe er in zwei Jahren dringend brauchen wird.

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