Wohnungslos
Jan 261994
 

Im Abseits

Wilhelmshavener Wohnungslose machen mit einer Platzbesetzung auf ihre Situation aufmerksam

(ub) Der zunehmende Wohnraummangel trifft die sozial Schwächsten. Ohne Arbeit – keine Wohnung, ohne Wohnung – keine Arbeit. Ein Teufelskreis, in den immer mehr Menschen hineingeraten. Einige von ihnen, die gezwungen sind, bei Wind und Wetter draußen zu schlafen – „Platte machen“ im Jargon der Wohnungslosen – haben Mitte Dezember 93 mit einer Platzbesetzung versucht, auf ihre Situation aufmerksam zu machen.

„Zuerst habe ich versucht, unseren Oberbürgermeister Menzel auf die Notlage der Wohnungslosen dieser Stadt aufmerksam zu machen. Im Vorzimmer wollte man mich mit Hinweis auf den überstrapazierten Terminkalender des OB zurückweisen. Auf mein Anliegen angesprochen, teilte ich mit, dass ich lediglich eine Hausbesetzung ankündigen wollte.“ So beginnt der Bericht des zum Zeitpunkt der Aktion wohnungslosen Detlef Lübben gegenüber dem GEGENWIND. Nach dieser Ankündigung entspannt sich der Terminkalender des OB Menzel schlagartig, und D. Lübben wird vorgelassen. Menzel erklärt sich letztendlich aber für nicht zuständig und verweist an den Leiter des Amtes für Soziales und Jugend, Herrn Schulz.

Detlef Lübben, arbeits- und wohnungslos, kennt den Gang durch die Behörden zur Genüge und schreitet deshalb zur Tat. Gemeinsam mit ca. 15 anderen Wohnungslosen, die wie er gezwungen sind, draußen zu nächtigen, wird eine dem Pumpwerk nahegelegene Wiese mit Zelten besetzt. Die Gruppe fertigt ein handgeschriebenes Flugblatt, um in der Fußgängerzone auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Darin heißt es unter anderem: „Auch in dieser Stadt besteht das Problem der Wohnungslosigkeit. Die Stadtväter behaupten, es gäbe dieses Problem hier nicht, doch wir Wohnungslosen wissen es besser … Wir fordern von der Stadt sofortige Bereitstellung von ausreichenden Wohnräumen und Öffnung der Katastrophenschutzbunker als vorläufige Notunterkunft.“
Die Gruppe der Platzbesetzer bekommt noch am Tag des Aktionsbeginns Besuch. Zwei Vertreter des Amtes für Soziales, der Amtsleiter Schulz und sein Vertreter Ratzke, informieren sich vor Ort. „Nach diesem Besuch hat sich unser Eindruck, daß die Stadt unsere Probleme nicht sieht und deshalb auch kein Handlungsbedarf entsteht, nur verstärkt“, so Lübben gegenüber dem GEGENWIND. Kaum daß die Vertreter der Stadt den besetzten Platz verlassen haben, erscheint die Polizei. Eine Räumung des Platzes kann jedoch auf Vermittlung von Pumpwerkmitarbeitern verhindert werden. Auf Einladung der wohnungslosen Initiatoren erscheint auch ein Vertreter der WZ. Auf die Berichterstattung der fünftägigen Zeltaktion warten die Betroffenen inzwischen wohl nicht mehr.

Im Gespräch mit dem GEGENWIND zieht der Organisator dieser Aktion Bilanz. „Im nachhinein war es ein Fehler, die Platzbesetzung weitestgehend unbeachtet von der Bevölkerung nahe dem Pumpwerk durchzuführen. Wichtig war, daß wir Betroffenen selber auf unsere Probleme aufmerksam gemacht haben. Weitere Aktionen werden folgen. Es ist u. a. geplant, regelmäßig mit Infoständen in der Fußgängerzone über die Wohnungsnot zu informieren. “
Detlef Lübben plant, gemeinsam mit Betroffenen, aber auch anderen Interessierten eine Zeitung für Wohnungslose herauszugeben. Ähnlich wie in anderen Städten soll diese Zeitung über das Leben auf der Straße berichten. In Form von short-stories sollen Betroffene selber zu Wort kommen. Ein Erfahrungsaustausch beispielweise über unseriöse Makler und Hausbesitzer soll Platz finden in dieser Zeitung. Gegenseitige Tips über die Rechte von Wohnungslosen gegenüber Ämtern und Behörden sollen abgedruckt werden. Dieses Projekt braucht Unterstützung in Form von Geldspenden und personeller Hilfe.

Interessenten können sich an D.Lübben …….. wenden

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