Wohnen
Sep 231991
 

Ratsherren ratlos

Kein Geld und keine Konzepte gegen die Wohnungsnot

(ub) Die Wohnungsnot wird auch in Wilhelmshaven immer größer. Die Kommunalpolitik steht diesem Problem weitgehend hilflos gegenüber. So könnte das Fazit eines vom Arbeitskreis Wohnraummangel veranstalteten Hearings mit Wilhelmshavener Spitzenpolitikern lauten.

In einer gut besuchten Veranstaltung in der Perspektive erläuterte Frau Petra Meyer aus Sicht des Arbeitskreises zu Beginn der Veranstaltung den Politikern auf dem Podium, Monika Schwarz (Frauenliste), Siegfried Neumann {SPD), Bernhard Rech (CDU) und Werner Biehl für die Grünen, Ursachen und Folgen der Wohnungsnot in Wilhelmshaven. Die erweiterte Aufnahmekapazität der Fachhochschule erhöht die Nachfrage durch Studenten. Aussiedler und Asylbewerber drängen auf den Wohnungsmarkt. Gleichzeitig wird das Wohnraumangebot durch Haus- und Grundstücksspekulanten zusätzlich verkleinert. So kauft etwa die Firma TERAFIN Mietwohnungen auf und wandelt sie nach einer Billigrenovierung in Eigentumswohnungen um.

Zeichnung: Erwin Fiege

Zeichnung: Erwin Fiege

„Die Wohnraumsituation führt zur Konkurrenz der Wohnungssuchenden untereinander mit der Folge einer höheren Akzeptanz hinsichtlich Miethöhe, Zustand der Wohnung, Art und Umfang der Abstandszahlungen (…) Das heißt praktisch, daß die Wohnungssuchenden überhöhte Mieten, Wohnungen in nicht bezugsfähigem Zustand usw. hinnehmen.“ (Aus dem Situationsbericht des Arbeitskreises).
Die eingeladenen RatsvertreterInnen bestätigten die Einschätzung des Arbeitskreises. Lediglich der in Wilhelmshaven auch als Bauunternehmer bekannte CDU-Kommunalpolitiker Bernhard Rech sieht die Situation völlig anders. Er sieht genügend freistehende Wohnungen und viele Bürger dieser Stadt, die ganz einfach „falsche Bedürfnisse haben.“ Von den skurrilen, bisweilen an Stammtischpolitik erinnernden Einschätzungen des Herrn Rech soll noch an anderer Stelle die Rede sein.
Die ansonsten unter der Moderation von Manfred Klöpper (DGB) auf höherem Niveau geführte Diskussion offenbarte allerdings auch die Rat- und Konzeptionslosigkeit der anderen im Rat vertretenen Parteien. Siegfried Neumann (SPD) verwies auf die hohe Zahl der Personen, die aus dem Gebiet der ehemaligen DDR und über Asylzuweisungen in Wilhelmshaven zugezogen seien. „Eine weitere Einwanderungswelle ist nicht mehr sozial verträglich. Hohe Zinsen am Kapitalmarkt verschrecken private Hausbauerund machen das Vermieten zu einem Verlustgeschäft“ sagte S. Neumann von der SPD. Hinlänglich bekannt ist, daß die Stadt Wilhelmshaven selbst aufgrund ihrer finanziellen Situation nicht in der Lage ist, wirksame Abhilfe zu schaffen. Allein eine noch so detailliert betriebene Ursachenforschung schafft keine Abhilfe des Problems.

Neue Wohnmodelle

Die Wohnraumproblematik ist in Wilhelmshaven ganz offensichtlich kein Wahlkampfthema. So fiel es den anwesenden Politikern auch schwer, sich auf konkrete Lösungsmodelle zur Verbesserung der Wohnraumsituation festzulegen. Werner Biehl (Grüne) forderte die übrigen Parteien auf, mehr „Phantasie freizumachen“ für neue Wohnmodelle, in denen z.B. alte Menschen, Behinderte und Studenten in Wohngemeinschaften zusammen leben könnten. Am Beispiel der vergeblichen Bemühungen der Selbsthilfeorganisation „Querele“, neue Wohnformen u.a. für psychisch Kranke im ehemaligen Birkenhof zu schaffen, verdeutlichte Biehl die seiner Ansicht nach starre Denkweise der Stadtverwaltung.

Obdachlosigkeit verhindern
Zeichnung: Erwin Fiege

Zeichnung: Erwin Fiege

Die Vertreterin der Frauenliste, Monika Schwarz, unterstrich die Notwendigkeit einer vom Arbeitskreis Wohnraummangel geforderten Fachberatungsstelle zur Verhinderung von Obdachlosigkeit. „Das soziale Netz in Wilhelmshaven wird weitmaschiger. Es reicht nicht aus, die finanziellen Mittel für die von Obdachlosigkeit bedrohten Menschen zu verstärken – die soziale Betreuung muß verstärkt werden“, so Monika Schwarz auf der Veranstaltung. Dem Kommunalpolitiker Bernhard Rech (CDU), ein Vertreter einfacher Lösungen, ist das alles zu kompliziert. Rech, gewohnt seine Angelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen -„solange ich noch zwei gesunde Arme und Beine habe“ (O-Ton Rech)- sieht er den hilfesuchenden Bürger durch die ohnehin schon zu zahlreich vorhandenen Beratungsstellen in der Stadt nur noch einer zusätzlichen Belastung ausgesetzt. Stattdessen schlägt er den Bau von Einfachwohnungen zu günstigen Preisen, ohne Doppelverglasung und sonstigen luxuriösen Schnick-Schnack vor.

Die Frage des Diakoniepfarrers Ewald aus dem Publikum, welche Partei man denn nun ob ihrer Aussagen zum Thema Wohnungsnot wählen könne, blieb logischerweise unbeantwortet.

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