Wochenende an der Jade
Aug 022000
 

Heiermanneierei

Was ist das Wochenende an der Jade wert?

(iz) Für Diskussionsstoff sorgte dieses Jahr der erstmals erhobene Eintrittspreis von 5 Mark für Einzelpersonen bzw. 12 Mark für Familien. Dabei ist das Problem so einfach zu lösen: Bei Bierpreisen an den Getränkeständen von mittlerweile bis zu 4 DM (Pumpwerk) hat man schon beim zweiten Bier, das man von zu Haus mitbringt, das Geld wieder raus, inkl. Einkaufspreis von 1 DM pro Flasche…

Nein, mal im Ernst: Wir können das Genörgel über den Eintritt nicht nachvollziehen. Schon eine einzige Band, die einem gefällt, macht die Investition wieder wett. Allein Stefan Stoppok wäre bei einem normalen Konzert mindestens 20 Mark Eintritt wert – für andere Geschmäcker entsprechend der Lieblings-Shantychor.
“Wir zahlen doch genug Steuergelder”, war oft von einheimischen Besuchern zu vernehmen – dabei reichen die städtischen Einnahmen bekanntlich nicht mal für die ordentliche Unterhaltung von Schulen oder die Erfüllung anderer Grundbedürfnisse.

Was kostet der Spaß?

Die Wilhelmshaven Projekt GmbH (WPG) als Veranstalterin täte gut daran, einmal die Zahlen offenzulegen: Was kosten (z. T. hochkarätige) Künstler/innen, wie viel verschlingen Gema-Gebühren, Technik, Ver- und Entsorgung, Feuerwerk, Personal…? Was wird durch Standgebühren, Sponsoren und Eintritt wieder eingenommen? Bei realistischer Schätzung lässt sich erahnen, dass die WPG durch das Fest nicht reich wird. Mit echten Zahlen wären noch mehr Leute davon zu überzeugen – der Haushalt einer städtischen Tochtergesellschaft sollte kein Geheimnis bleiben. Überschlägig wurde ein Aufwand von einer dreiviertel Million DM genannt, wovon etwa 2/3 durch Eintritt und andere Einnahmen gedeckt sein sollen.
Tatsächlich wurden zunächst rekordverdächtige 400.000 Besucher/innen gemeldet. Dabei wurden jedoch anderweitige Besucher der Innen- und Südstadt, z. B. der Käuferandrang in der Fußgängerzone am verkaufs- offenen Samstag, mitgezählt. 100.000 sollen den Eintritt für das WadJ bezahlt haben. Im nächsten Bericht wurde die Annahme auf 50.000 korrigiert, die endgültigen Zahlen dürften noch darunter liegen. De facto ist das Ergebnis nicht besser als beim freiwilligen Erwerb von Sponsorenfähnchen (zu 3 DM), wie es in den vergangenen Jahren gehandhabt wurde.

Wer schützt uns vor der Security?

Um die Eintrittsgelder sicherzustellen, wurden alle Zugänge rings um den großen Hafen abgesperrt und von Mitarbeitern einer Bremer Security-Firma bewacht. Jedenfalls gelegentlich. Unsere Berichterstatter wurden an 4 Tagen genau einmal kontrolliert. Die Zugänge sollten nicht wie ein “Hochsicherheitstrakt” wirken, rechtfertigte der Veranstalter im Nachgang die laschen Kontrollen. Dann kann man es auch gleich ganz lassen.
Viele Befragte empfanden die schwarz gekleideten Aufpasser als beängstigend. Sicherheitsfirmen sind sehr teuer, das Personal ist aber offensichtlich schlecht geschult, Situationen richtig einzuschätzen und die eigene Aggression im Zaum zu halten. Gleich am ersten Tag mussten deshalb mehrere Mitarbeiter ausgetauscht werden. Wenn die Security-Leute nun einerseits auf dem Fest mehr Angst als Sicherheit verbreiten und andererseits nicht in der Lage sind, den Pflichteintritt sicherzustellen, fragt man sich, ob sie ihr Geld überhaupt wieder einspielen. Und ob nicht das gezahlte Gehalt besser in normal gekleidete, freundliche Serviceleute investiert wäre, z. B. arbeitslose WilhelmshavenerInnen, denen man hier einen Saisonjob bieten könnte. Für die wenigen Gäste, die bei Volksfesten gezielt Ärger provozieren, sollte die ohnehin starke Polizeipräsenz ausreichen.

Sparen – aber richtig

Fraglich ist, ob 700 einzelne Auftritte verschiedener Künstler an knapp dreieinhalb Tagen erforderlich sind. Nachmittags spielten z. T. wirklich sehens- und hörenswerte Gruppen für ein Dutzend Zuhörer. Abends häuften sich dann Parallelauftritte echter “Highlights” auf weit entfernten Bühnen, so dass die Freude an einer Band getrübt wurde durch den Ärger, woanders was verpasst zu haben. Mit der Hälfte der Engagements ließe sich die Qualität der Gesamtveranstaltung durchaus halten, wobei gerade regionalen (Nachwuchs-)Bands die Chance gegönnt sei, sich dem Publikum vorzustellen (und die Gage natürlich auch). Zustimmen möchten wir dem Vorschlag, die sogenannten “Walk-Acts” noch stärker ins Programm einzubauen – sie bringen wirklich Leben in das Fest.
Am falschen Ende sparte die Stadt diesmal bei den kleinen Besuchern, die wie ihre Eltern vom Angebot insbesondere des Pumpwerks enttäuscht waren. Um so mehr Lob galt der Marine, die ein beeindruckendes Programm für die Kinder aufgestellt hatte. Und zwar kostenlos, was zu Konflikten bei der Eintrittsregelung führte, weil der Zugang zur Wiesbadenbrücke hinter den Kassenhäuschen lag.
Eindeutig sparen lässt sich beim Müllaufkommen, das in diesem Jahr deutlich höher war als sonst, wie “am Tag danach” Mitarbeiter der Entsorgungsbetriebe bestätigten. Positive Effekte der mittlerweile etablierten Pfandregelung für Getränke wurde durch Einweggeschirr für Speisen deutlich geschmälert. Und, um zum Anfang des Berichtes zurückzukommen: Aus Frust über den Eintrittspreis wurden offensichtlich vermehrt Getränke mitgebracht und die Einwegdosen auf dem Gelände „entsorgt“…

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