WoBau Jade
Sep 152005
 

Ausgesaugt

Geschäftsführer Peters Cordes verlässt WoBau Jade

(hk) Es war beinahe abzusehen: Nachdem Cerberus sich mit Macht in den Aufsichtsrat der Jade gedrängt hatte (siehe letzte Ausgabe des Gegenwind), blieb dem bisherigen Geschäftsführer nur noch die Flucht.

Peter Cordes war in den zurückliegenden 6 Jahren mit Sicherheit nicht immer die Traumbesetzung für den Geschäftsführerposten der Wohnungsbaugesellschaft Jade. Schließlich war er es, der die Jade zu einem gänzlich veränderten Unternehmen machte, war er es, der die Privatisierung des Wohnungsbestandes vorantrieb.
Aber das war wohl alles nichts gegenüber dem, was den Jade-MitarbeiterInnen und -Mietern jetzt bevorsteht.
Ein Jade-Mitarbeiter zum Gegenwind: „In sieben Jahren wird es die WoBau Jade nicht mehr geben.“ Wir machten uns dran und versuchten herauszubekommen, wie der Jade-Mitarbeiter zu einer solchen Einschätzung der Lage kommen konnte.
mlpd_plakatIn der Frankfurter Rundschau vom 5. August 2005 und in den Stuttgarter Nachrichten fanden wir ein Interview mit dem Leiter des Deutschen Mieterbundes, Franz-Georg Rips. Das Interview führte Thomas Wüpper

Thomas Wüpper: Warum stürzen sich vor allem US-Fonds derzeit auf deutsche Wohnungsbestände?
Franz-Georg Rips: Mit maximal 500 Euro pro Quadratmeter und im Schnitt 32 500 Euro pro Wohnung gibt es deutsche Immobilienpakete zum Schnäppchenpreis. In USA oder Großbritannien sind die Preise viel höher. Dort besteht schon wieder die Gefahr, dass die Blase platzt. Daher sollen bis zu 20 Milliarden Euro in den deutschen Markt gepumpt werden. Das würde zum Kauf von 615000 Wohnungen reichen.

Warum sehen Sie die Wohnungsverkäufe der öffentlichen Hand so kritisch?
Bisher gibt es in Deutschland den Konsens, dass Wohnungen Wirtschafts- und Sozialgut sind. Das heißt, man ist sich einig, dass Eigentümer eine soziale Verantwortung haben. Vor allem Käufer aus den USA sehen das anders, sie sind nur aufs schnelle Geld aus. Alles andere interessiert sie meist wenig.

Neoliberale Experten begrüßen den Kapitalstrom nach Deutschland und bezweifeln, dass Bund, Länder und Kommunen überhaupt Wohnungen besitzen sollten.
Da wird völlig ignoriert, dass ein sozialer Staat dafür verantwortlich ist, dass jeder ein Dach über dem Kopf hat. Gerade Einkommensschwache oder Großfamilien mit Kindern haben oft genug Probleme, Wohnraum zu finden.

Warum verkaufen die Politiker trotzdem?
Da regiert die reine Finanznot. Die Fiskal- und Haushaltspolitiker haben das Sagen. Dabei werden die schädlichen langfristigen Folgen des Ausverkaufs ignoriert.
Die Verkäufe stopfen nur kurzfristig die ärgsten Etatlöcher. Wenn die privaten Käufer aber dann die Mieten erhöhen, zahlt der Staat doppelt. Zum einen wird dann mehr Wohngeld und Miete für Sozialfälle fällig. Zum anderen müssen die Kommunen teuer Belegrechte für Bedürftige kaufen, weil der Zugriff auf eigene Unterkünfte fehlt. In ganz Deutschland gibt es nur noch 1,7 Millionen Sozialwohnungen, jedes Jahr läuft für 100.000 Quartiere die Mietbindung aus. Das heißt, günstiger Wohnraum wird immer knapper.

Warum sollten die Mieten steigen?
Das kommt zwangsläufig. In den ersten fünf Jahren können die Investoren ihre hohen Renditen durch betriebswirtschaftliche Optimierung und den Weiterverkauf der besten Objekte erzielen. Nach diesem fragwürdigen Rosinenpicken bleiben nur Mieterhöhungen, um die Gewinne zu sichern. Nach zehn Jahren ist die Zitrone ausgesaugt, dann verlieren die Käufer die Lust. Die Restbestände werden an der Börse verscherbelt. (…)

Wer da glaubt, dass die Mietbindung bis 2007 die Mieter wirklich schützt, wird sich wohl schon bald eines besseren belehren lassen müssen. Die Schlagzahl bei den Privatisierungen wurde von der neuen Führungsriege bereits erhöht. Ging es bisher um 240 Verkäufe pro Jahr, sollen diese jetzt auf 360 gesteigert werden.
Wie sagte der Direktor des Deutschen Mieterbundes: Nach zehn Jahren ist die Zitrone ausgesaugt…

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