Wilhelms wahnsinnige Erben
Aug 211996
 

Handlögten / Venske veröffentlichen den zweiten Teil des „Dreckigen Sumpfes“

(hk) Im Juli 1983 veröffentlichten die beiden Autoren das Buch „Dreckiger Sumpf‘. Diese Veröffentlichung führte bekanntlich zur Ablösung des damaligen Oberstadtdirektors Dr. Eickmeier. Ansonsten veränderte das Buch nicht viel in unserer Stadt. So ist es auch nicht verwunderlich, daß 13 Jahre später eine Fortsetzung des Sumpfes erscheint.

„Wilhelms wahnsinnige Erben“, so der Titel der Neuveröffentlichung, wird sicherlich nicht solche Wellen schlagen wie sein Vorgänger – das mag daran liegen, daß das, was in dem Buch berichtet wird, für viele von uns schon längst Wilhelmshavener Alltag geworden ist. Daß die Autoren eifrige GEGENWIND-Leser sind, wird an den unzähligen zitierten Artikeln aus unserer Zeitung deutlich.

Zu Beginn: Ein Rückblick

Im ersten Kapitel durchzieht die unausgesprochene Feststellung, daß sich in den letzten 13 Jahren nicht viel verändert hat, die nochmals aufgegriffenen Fälle aus dem ersten Teil des Dreckigen Sumpfes. Die folgenden 150 Seiten lesen sich wie ein Geschichtsbuch, aus dem alles Positive herausgestrichen wurde. Doch über die positiven Seiten unserer Stadt berichten andere ja täglich.
Die Autoren spannen einen weiten Bogen kreuz und quer durch Wilhelmshavens Kommunal- und Wirtschaftspolitik. Das fängt bei der schon beinahe vergessenen TIC-Affäre mit den dubiosen China-Veranstaltungen an, hin zu den Aktivitäten von Robert Baar, Hartmut Heger und Thorsten de Vries, um schließlich über Radio Jade, Kaiserdenkmal, Nordsee-Passage, Bartels, EXPO und Trögeler-Affäre bei der Altlast Müllkippe Kirchreihe zu enden.

Staatsschutz

Nachgearbeitet haben die Autoren ihren in der Süddeutschen Zeitung erschienen Artikel „Kein Land in Sicht“.
Brisant ist ein Gedächtnisprotokoll eines Zeugen, der gegenüber den Autoren eidesstattlich versichert hat, daß er OB Menzel zusammen mit Robert Baar im Saxophon gesehen hat. Der Zeuge schildert in diesem Gedächtnisprotokoll, wie er in feinster Staatsschutzmanier von einem Herrn H. „vernommen“ wird. Der Kriminalbeamte Herr H. erweist sich als treuer Staatsdiener, dem es nicht darum geht, irgend etwas aufzuklären – er will den Zeugen von seiner Aussage ab bringen. Falls er seine Aussage nicht zurückzieht, drohen ihm wahre Höllenqualen und eine dementsprechende Strafe, denn schließlich habe er „nicht irgendwen, sondern den Oberbürgermeister in der Öffentlichkeit bloßgestellt und beleidigt.“

Braune WZ?

Beeindruckend ist auch die von den Autoren zusammengestellte Sammlung von Artikeln und Anzeigen aus der Wilhelmshavener Zeitung, mit denen sie die in dem Artikel „Kein Land in Sicht“ für den WZ-Verleger Manfred Adrian benutzte Titulierung „Republikanerfreund“ untermauern. Da ist es nicht mehr verwunderlich, warum Adrian alle von ihm angestrengten Prozesse verloren hat.

Für allgemeine Verwirrung sorgten Anzeigen in Adrians Anzeigenblatt „Neue Rundschau“, in denen das Erscheinen von „Wilhelms wahnsinnige Erben“ angekündigt wurde. Denn bei der WZ werden viel harmlosere Anzeigen nicht veröffentlicht. Ob das Gerücht, daß dem Verantwortlichen für das Erscheinen dieser Anzeigen arbeitsrechtliche Konsequenzen angedroht wurden, der Wahrheit entspricht, konnten wir aus Zeitgründen nicht mehr recherchieren.
Auf kaiserlichen Wellen

So haben Handlögten / Venske ihr Kapitel über die Auseinandersetzungen um die Lizenz für ein nichtkommerzielles Radio überschrieben. Auch hier können sie mit einigen Neuigkeiten aufwarten. Wir berichteten im letzten Gegenwind über die Unstimmigkeiten der Mitgliedschaft des Stadtsportbundes in der WZ-Radio-Initiative. Unsere damals geäußerte Frage, ob vielleicht ein finanzkräftiger Mensch im Hintergrund die 10.000 DM aufbringt, wird in dem Buch beantwortet. Demnach hat Rechtsanwalt Gottschalk an den Vorsitzenden des Stadtsportbundes, Dr. Eickmeier, geschrieben: „Der Stadtsportbund müsse für Einlage und Betriebskosten in Wirklichkeit gar nichts zahlen. Das Geld komme von anderer Seite … „. Auch unsere Vermutung, daß es bei den anderen Gesellschaftern des WZ-Radios ähnlich gelaufen ist, wird durch die Handlögten / Venske-Veröffentlichung untermauert. Einen ebenfalls recht breiten Raum nehmen die Aktivitäten des Leiters des Bauordnungsamtes Karl-Georg Sonnemann ein. Das geht von seinem Auftreten in der Trögeler Affäre („Ich bin unbezahlbar“) über die Bevorzugung bestimmter Leute bei der Erteilung von Baugenehmigungen und im Umkehrschluß eben um die Benachteiligung anderer Personen. Samt und sonders nicht die „dicken Hämmer“, eher die Beschreibung eines Wilhelmshavener Verwaltungsbeamten, der mit der ihm anvertrauten Macht nicht umzugehen weiß, weil er sich selbst für unfehlbar hält.
Ob „Wilhelmshavens wahnsinnige Erben“ auch ein solcher Verkaufserfolg wie der „Dreckige Sumpf‘ wird, bleibt abzuwarten. Der Run auf die Buchläden war am Tage der Veröffentlichung recht groß, auch wenn das Buch nicht
überall erhältlich war.
Im Grunde gehören Wilhelms wahnsinnige Erben (ebenso wie der erste Band) in jeden Wilhelmshavener Bücherschrank – damit das, was hier in Wilhelmshaven in der Kommunalpolitik ablief(und immer noch abläuft) nicht in Vergessenheit gerät. Denn genau das ist es, was die Hauptdarsteller der beiden Veröffentlichungen gerne möchten.

Hier gibt’s „Wilhelms wahnsinnige Erben“
Media Markt (Marktstr.); Media Bahnhofsbuchhandlung;•Aral Tönjes; BP-Station Preussenstr.; Buchhandlung Jockusch, Gökerstraße, Papeterie Flottemesch, Flutstr.; Buchhandlung Sanders, Jever; Papeterie Kappelmann, Sande und an vielen anderen Stellen in Wilhelmshaven und Umgebung

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