Wal-Mart
Aug 282002
 

Hauen und Stechen

Die Probleme des Wal-Mart-Konzerns nicht nur in Wilhelmshaven

(ub) Im Wal-Mart-Center an der Grenzstraße sollen zum Jahresende die Pforten für immer geschlossen werden. Filialen in Ingoldstadt und Esslingen sind ebenfalls im Gespräch – bundesweit droht das Management des amerikanischen Konzerns mit Schließungen oder Verkauf. Zu wenig Umsatz und satte Verluste, so die Begründung der Führungsebene des Konzerngiganten. Die Gewerkschaft ver.di zweifelt an derlei Aussagen, fordert Einsicht in die Bilanzen und formiert die Arbeitnehmerschaft zum Protest. Noch ein Grund mehr für die amerikanischen Unternehmenslenker, sich frustriert aus dem bundesdeutschen Markt zurückzuziehen. Denn Gewerkschaften fürchtet Wal-Mart mehr, als der Teufel das Weihwasser. Verluste in good old Germany könnte das Mammutunternehmen locker über Jahre aus der Portokasse begleichen, wie ein Blick hinter die Kulissen beweist.

Der weltgrößte Lebensmittelhändler Wal-Mart glänzt durch Unternehmenszahlen, die Konkurrenten wie die bundesdeutschen ‚Winzlinge’ Aldi, Lidl, Tengelmann oder Schlecker im Größenvergleich wie schlecht geführte Schulkioske aussehen lassen. In mehr als 4.400 Filialen weltweit sind ca. 1,3 Millionen Arbeitnehmer beschäftigt. Mit einem Jahresumsatz von über 240 Milliarden Euro ist Wal-Mart umsatzstärker als die ersten 30 Unternehmen des deutschen Einzelhandels zusammen. Mit einer Marktkapitalisierung von fast 250 Milliarden Euro gehört er zu den drei größten Unternehmen der Welt. Wal-Mart rangiert damit in der gleichen Liga wie General Electric, Microsoft oder Exxon Mobil. Beeindruckend auch die jährlichen Gewinne: Allein im Jahr 2001 konnten 6,7 Milliarden Dollar Gewinn erzielt werden. Zum Vergleich: In den ca. 95 deutschen Läden brachte es Wal-Mart im gleichen Zeitraum auf ganze 2,7 Milliarden Euro Umsatz. Und der Konzern wächst ständig weiter. Im ersten Quartal 2002 steigerte Wal-Mart eigenen Angaben zu Folge den Umsatz gegenüber dem Vorjahr um satte 14,4 %, der Gewinn legte gar um 20 % zu.

Ein Konzern im Globalisierungswahn

Im Stile einer Riesenkrake macht sich der Konzern immer breiter. Ausgehend vom US-amerikanischen Mutterland wird nach der Erschließung Kanadas und Mexikos zunehmend der europäische Kontinent ins Visier genommen. Auch in Asien, hier beispielsweise in Japan, ist Wal-Mart mittlerweile präsent. 130 neue Geschäfte sollen in den Ländern, in denen Wal-Mart schon vertreten ist, in 2002 dazukommen. Wal-Mart-Chef Lee Scott schwärmt in Superlativen und kündigt an, dass die Geschäftsfläche weltweit in diesem Jahr um 4,2 Millionen Quadratmeter vergrößert werden soll.

Offensive in Deutschland

Den Angriff zur Erstürmung des deutschen Lebensmittelhandels hatte Wal-Mart 1998 gestartet. Die Eroberung fremder Märkte konzipiert der US-Konzern nach immer gleichem Strickmuster. Zuerst werden mit viel Geld marode Einzelhandelgeschäfte en Gros aufgekauft. In Deutschland wurden kurzerhand gleich zwei Supermarktketten – Interspar und Wertkauf – „preiswert“ erworben. Rund 700 Millionen Euro sollen laut „Wirtschaftswoche“ vom 18.7. d. J. allein die 21 Warenhäuser der Wertkaufkette gekostet haben. Im Stile von McDonald’s werden dann nahezu identische Einzelhandelshäuser aufgebaut. Auf der Grundlage eines Konzeptes, bestehend aus langjähriger länderübergreifender Erfahrung mit Selbstbedienungs-Warenhäusern und einer glänzend organisierten satellitengestützten Logistik wird nichts dem Zufall überlassen. Die entscheidende Stufe im Kampf um Marktvorteile jedoch wird mit einem gnadenlosen Preiskrieg eingeläutet.

Mit Dumping zum Verlust

Der Geschäftführer von Wal-Mart Deutschland, Volker Barth, wird in der Financal Times Deutschland vom 26. 03. 2001 zitiert mit den Worten: „Wir möchten dazu beitragen, die Lebenshaltungskosten unserer Kunden weiter zu senken“. Das hört sich so lange verbraucherfreundlich an, wie es eine Konkurrenz gibt, die Alternativen bieten kann. Das Ziel von Wal-Mart jedoch ist die Monopolstellung. Mit Eintritt in den Wettbewerb hat Wal-Mart immer wieder versucht, die Konkurrenz mit Dumpingpreisen aus dem Feld zu schlagen. Ein entscheidender Grund, warum es Wal-Mart nicht gelingt, die Käuferschaft im Lebensmittelbereich im Handstreich zu übernehmen, ist wesentlich darin begründet, dass weitaus flächendeckendere Einzelhandelsketten wie Rewe, Lidl oder Aldi bisher jeden Preiskampf mit entsprechenden Gegenangeboten scheinbar mühelos auskontern können. Der Preiskampf im Lebensmittelbereich hatte zeitweilig groteske Züge angenommen. Sowohl Wal-Markt als auch Lidl und Aldi haben phasenweise in 2001 Grundnahrungsmittel wie Milch oder Zucker unter Einstandspreisen angeboten. Das Bundeskartellamt stoppte diesen besonders für kleine Lebensmittelläden ruinösen Wettkampf.

Muss der Service stimmen?

Deutschland gilt als Servicewüste. Die USA gelten als Musterland in Sachen Service. Doch gerade hier ist es Wal-Mart nicht gelungen, entscheidend zu punkten.
Allein im Servicebereich trennen Wal-Mart und beispielsweise Aldi Welten. Die Mitarbeiterinnen von Aldi sind für das Auffüllen von Regalen zuständig und nicht für Kundeninformationen. Aldi ist gut und billig, das weiß man, das bescheinigt „Stiftung Warentest“, wozu da noch eine hausinterne Information? Bei Wal-Mart gibt es einen eigenen Informationsschalter. Zudem scheint jeder Mitarbeiter sehnsüchtig auf Kundenfragen zu warten. Bei großem Andrang findet man am Infoschalter zusätzlich eine Kasse für Kunden, die nur wenige Teile einkaufen wollen. Personal ist anscheinend bei Aldi der entscheidende Kostenfaktor. Wer Kosten sparen will, spart Personal ein. Bei Aldi wird die zweite Kasse geöffnet, wenn die Käuferschlange bereits den Eingangsbereich blockiert. Eine Armada von Kassen im Wal-Mart-Einkaufszentrum soll Schlangestehen im Normalfall verhindern.

American way of life im deutschen Supermarkt

Der drittgrößte Konzern der Welt betritt die Bühne des Einzelhandels in Deutschland – und die deutschen Konsumenten quetschen sich weiter wie gehabt durch die überfüllten Gänge von Aldi und Lidl. Die meisten Kunden wollen billig einkaufen – sonst gar nichts. Jede Serviceleistung, die nicht dem unmittelbaren Wareneinkauf dient, wird misstrauisch beäugt. Wal-Mart hatte z.B. noch zu Anfang versucht – basierend auf positiven heimatlichen Erfahrungen -, den Kunden beim Einpacken der Ware zu helfen. Da stand doch tatsächlich an jeder Kasse zusätzlich ein Mitarbeiter, um den Kunden die Ware in den (kostenlosen!) Tüten zu verstauen. Dieser in den USA selbstverständliche Vorgang wurde in deutschen Wal-Mart-Filialen zu oft mit „Lassen Sie meine Sachen liegen“-Anfeindungen der Kunden quittiert. Eine gut gemeinte Hilfestellung wird beinahe als Diebstahl aufgefasst. Die Wal-Mart-Geschäftsführung muss schon bald feststellen, Einpackhilfen und Grüßonkel interessieren in Deutschland nicht. Sie verursachen zusätzliche Kosten, ohne die Rendite zu steigern.

Wildwestkapitalismus à la USA

Die Löhne bei Wal-Mart sind in der Regel niedrig. Selbstverständlich gehört Wal-Mart nicht einem Arbeitgeberverband an und ordnet sich keinen Tarifvereinbarungen unter. Wenn eine Gewerkschaft wie beispielsweise hier zu Lande ver.di Einblick in die Bilanzen fordert, verstößt Wal-Mart lieber gegen das geltende Recht, verweigert Einblicke und zahlt gegebenenfalls Strafe. Wal-Mart ist es gewohnt, als gewerkschaftsfreie Zone zu gelten. So existiert für die Manager in den USA ein Handbuch zum Umgang mit Gewerkschaftern frei nach dem Motto „Wie verhindere ich einen Betriebsrat?“.

Quo vadis Wal-Mart?

Die Verluste des Konzerns in Deutschland sollen sich in dreistelliger Millionenhöhe bewegen. Die Expansionswut der Wal-Mart-Strategen trifft in Deutschland auf natürliche Grenzen. So stehen für weiteren Ausbau kaum attraktive Flächen (zentrale Innenstadtlage) in geeigneter Größe zur Verfügung. Die obskure Unternehmensphilosophie des Konzerns ist auf deutsche Verhältnisse nur bedingt übertragbar. Begeisterung, überbetonte Freundlichkeit und gewisse Serviceaspekte wirken auf den deutschen Konsumenten oftmals befremdlich. Die Konkurrenz, wenn auch winzig im Weltmaßstab, scheint gut gerüstet gegen Übernahmeschlachten und Niedrigpreiskampf. Die Löhne im Einzelhandel sind vergleichsweise hoch. Mit den Gewerkschaften wird man sich mittelfristig arrangieren müssen. Die Kaufkraft in Deutschland ist bezogen auf den europäischen Markt überdurchschnittlich hoch. Wal-Mart wird es sich nicht leisten können, auf dem wichtigsten europäischen Markt zu scheitern.

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