ver.di
Apr 272001
 

„Wir sind da.“

… sagt ver.di. Im Bezirk Ostfriesland-Wilhelmshaven zwar noch nicht, aber das kommt noch.

(noa) Am 19. März wurde in Berlin die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di gegründet. Als ÖTV-Mitglied (oder ehemaliges ÖTV-Mitglied? Was sind wir denn nun?) wundert man sich erst mal, im April noch ein ÖTV-Magazin zu bekommen.

ver.di ist politisch da, erklärte uns der designierte Bezirksgeschäftsführer Ralf Pollmann; juristisch ist das alles etwas komplizierter. ver.di ist im Moment ein eingetragener Verein, und die Einzelgewerkschaften, die sich im März in Berlin zusammengetan haben, sind jetzt auch umgewandelt worden in e.V. So richtig (rechtswirksam) vollzogen wird die Vereinigung erst nach der Eintragung ins Vereinsregister sein. Doch das ist gar nicht so interessant. Wichtiger ist, was die Mitglieder davon haben.
9000 ver.dianer wohnen in Wilhelmshaven/Friesland, Noch-Mitglieder der Gewerkschaft Handel, Banken, Versicherungen, der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr, der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft, der Industriegewerkschaft Medien und der Deutschen Postgewerkschaft. Diese einzelnen Gewerkschaften hatten unterschiedliche Strukturen. Die DAG, die HBV und die ÖTV hatten (und haben im Augenblick noch) Geschäftsstellen in Wilhelmshaven. Die DPG und die IG Medien waren in Wilhelmshaven nicht mit hauptamtlichen Mitarbeitern vertreten.
Am 9. Juni wird die Gründungskonferenz des Bezirks Ostfriesland-Wilhelmshaven stattfinden, in Aurich, dem Hauptsitz des Bezirksverbandes. Die bisher noch bestehenden Strukturen (z.B. bei der ÖTV der Kreisverband) werden dann aufgelöst.
In Wilhelmshaven wird es eine ver.di-Geschäftsstelle geben. Mindestens für die Mitglieder der beiden hier bisher nicht mit Geschäftsstellen vertretenen Gewerkschaften wird es also besser sein; sie werden hier einen hauptamtlichen Ansprechpartner haben. Dass es hier möglicherweise „nur“ einen stellvertretenden Bezirksleiter statt eines Geschäftsführers geben wird, sollte für die Mitglieder, die Fragen etwa zu Tarifverträgen, Urlaubsregelungen oder Kündigungsfristen haben, keinen Unterschied machen. Neben Wilhelmshaven wird es Geschäftstellen in Aurich als Hauptsitz, Emden und Leer geben. Geplant sind, wenn auch nicht im ersten Anlauf, auch Geschäftsstellen in Wittmund und Norden. Pollmann: „Kein Mitglied soll es weiter als 20 oder 25 km zu seiner Gewerkschaft haben – wir wollen näher an die Mitglieder ran.“
Das wird allerdings nur für „kleine“ Probleme gelten. Für spezielle Fragen, etwa wenn es um die Eingruppierung geht, könnte es allerdings sein, dass das Mitglied weiter reisen muss als bisher, dann nämlich, wenn die Person, die diese Frage bearbeitet, in einer anderen Geschäftsstelle sitzt. ver.di wird 13 Fachbereiche haben, und nicht in jeder Geschäftsstelle wird jeder Fachbereich hauptamtlich besetzt sein. Die Fachbereichssekretäre werden allerdings in den verschiedenen Geschäftsstellen Sprechstunden abhalten.
Unterhalb der Fachbereiche werden Fachgruppen gebildet werden; der Fachbereich Handel etwa wird gruppiert sein in Einzel- und Großhandel, oder im Fachbereich Gesundheitswesen ist eine Unterteilung in Krankenhäuser, Kirchen und Wohlfahrtsverbände denkbar. Dies kann von Standort zu Standort verschieden sein; es hängt davon ab, welche Bedürfnisse die Mitglieder haben, die sich aktiv gewerkschaftlich betätigen wollen.
Die ver.di-Gründung wurde, wie wohl alle Mitglieder wissen, lange vorbereitet. Auf allen Ebenen, sei es Bund, Landesbezirk oder Bezirk, arbeiten Funktionäre der fünf Vorgängergewerkschaften schon seit etwa zwei Jahren zusammen, und manche Fachausschüsse und Personengruppen treffen sich schon lange im Bezirk. Insofern wissen die aktiven Mitglieder schon, dass der kurze Weg zur Gewerkschaft nicht unbedingt gegeben ist, wenn es um die Mitarbeit z.B. im Frauenausschuss oder sonst einer Gruppe geht. Da sind die Reisewege eher länger geworden, und ob die Zahl der Aktiven dadurch sinkt, wird sich noch zeigen müssen.
Mit bundesweit etwa 3 Millionen Mitgliedern ist ver.di die größte Gewerkschaft der Welt. In vielen Veröffentlichungen werden beeindruckende Zahlen genannt. „Rund 9000 Mitglieder an der Jade“, meldet die „WZ“ vom 28.03.01, und im gleichen Artikel werden die 24000 Mitglieder im Bezirk genannt. Am 12.04.01 konnten wir in der „WZ“ lesen, dass der Landesbezirk Niedersachsen/Bremen 330000 Mitglieder hat. Da kann man fast vergessen, dass die Einzelgewerkschaften seit Jahren einen Mitgliederschwund zu beklagen haben. 3,1 % ihrer Mitglieder haben die ver.di-Gewerkschaften allein im Jahr 2000 verloren.
Ralf Pollmann bestätigt, dass der Zusammenschluss z.T. auch eine Antwort auf den Mitgliederverlust ist, wobei er unserer spitzzüngigen Frage, ob die Reste der fünf Gewerkschaften sich nun zusammentun, um überhaupt noch etwas darzustellen, den Hinweis auf die Bündelung der Ressourcen entgegensetzt. „Es ist nicht sinnvoll, dass bei Betriebsversammlungen die Vertreter von mehreren Gewerkschaften auftreten und sich gegenseitig Konkurrenz machen“, sagt er. In Wilhelmshaven können die Beschäftigten des Marinearsenals ein Lied davon singen, dass sowohl die DAG als auch die ÖTV um ihre Gunst buhlten. Stimmt, das muss nun wirklich nicht sein.
Als weiteren Grund für die Vereinigung von ÖTV, HBV, DAG, DPG und IG Medien nannte der „Verschmelzungsbericht“ vom Herbst 2000 die Entwicklung der Wirtschaft, auf die es zu reagieren gelte. Heutzutage kann niemand mehr damit rechnen, ein ganzes Arbeitsleben lang im selben Tätigkeitsfeld oder in derselben Branche zu bleiben, sondern man muss im Zuständigkeitsbereich der verschiedenen Gewerkschaften hin- und herwechseln. Die Kritik daran lautet, dass die Vereinigung eines Teils der Dienstleistungsgewerkschaften der Veränderung der Wirtschaft nicht in ausreichendem Maß Rechnung trage – wo bleiben die vielen Menschen, die gezwungenermaßen freiberuflich arbeiten und projektmäßig ihre Fähigkeiten mal diesem, mal jeden Arbeitgeber anbieten müssen? Doch auch die Freiberufler sollen, so Pollmann, in ver.di einen Platz haben.
Die vergangenen drei Jahre waren gekennzeichnet von Vereinigungsverhandlungen und –planungen, und viel Energie ging in die organisatorischen Fragen. Nachdem die Vereinigung nun vollzogen ist und die künftigen Strukturen entworfen sind, kann das bisher noch eher dünne inhaltliche Programm weiterentwickelt werden.


Und so wird ver.di aussehen:

Die Fachbereiche:
verdi

1 Finanzdienstleistungen – 2 Ver- und Entsorgung
3 Gesundheit, soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen
4 Sozialversicherung – 5 Bildung, Wissenschaft und Forschung
6 Bund und Länder – 7 Gemeinden
8 Medien, Kunst und Kultur, Druck und Papier, industrielle Dienste und Produktion
9 Telekommunikation, Informationstechnologie, Datenverarbeitung
10 Postdienste, Speditionen und Logistik
11 Verkehr
12 Handel – 13 Besondere Dienstleistungen
Die 13 Fachbereiche wird es auf allen Ebenen geben


Bei den ersten Anläufen zur Gründung einer Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft waren neben den fünf Organisationen, die jetzt dabei sind, drei weitere beteiligt. Die Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands (GdED), die sich im vergangenen Mai in Transnet umbenannte, zog sich im Februar 1998 schon zurück. Sie strebt stattdessen eine Kooperation der europäischen Eisenbahnergewerkschaften an. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) saß etwas länger mit im Boot. Doch im Mai 1999 stieg sie aus, um sich eigenständig zu einer Bildungsgewerkschaft weiter zu entwickeln. Bei einer „Gemeinsamen Erklärung“ am 4. Oktober 1997 waren GdED und GEW noch dabei.
Ganz zu Beginn war auch noch die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) an den Verhandlungen beteiligt, zog sich allerdings schon vor der „Gemeinsamen Erklärung“ zurück.

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