Unterkunft
Jun 271995
 

„Besser als unter einer Brücke zu schlafen ...“

Vor gut zwei Jahren berichteten wir über die Unterbringung von Asylsuchenden in den Räumen der ehemaligen Tischlerei Czech und Funke in der Gökerstraße 109 (vgl. Gegenwind 112): 45 Personen in vier Räumen, für sie alle zwei Duschen und drei Waschbecken, wochenlang nur kaltes Wasser, die Heizung zeitweilig außer Betrieb, Betten ohne Bettwäsche, ein einziger Kühlschrank für alle, Wolldecken statt Türen. Keine Waschmaschine – Frau Czech wusch gegen Geld für die Bewohnerinnen, und für Geschirr und Besteck mußten die AsylbewerberInnen „Kaution“ zahlen.
Die Gesetzesänderung von 1993 reduzierte den Zustrom von Asylsuchenden drastisch. Das „Asylbewerberheim im Werden“, wie die Czechs damals ihr Haus nannten; mußte nun anders genutzt werden. Zunächst Bürgerkriegsflüchtlinge, dann auch Wohnungslose wurden seither hier untergebracht.

Nachgefragt: Zur Unterbringungssituation in der Gökerstraße 109 sprach der GEGENWIND mit der Heimleiterin, Frau Czech, und Ursula Aljets, Vorsitzende des Sozialausschusses des Rates der Stadt

(noa/ub) Die Unterbringung von wohnungslosen Menschen beim Ehepaar Czech in der Gökerstraße 109 hat erneut zu heftigen Diskussionen geführt. Auslöser sind diesmal allerdings nicht die räumlichen Zustände, deren Unzulänglichkeit in der Vergangenheit Ärger und Protest hervorgerufen hatten. Ein alkoholabhängiger junger Mann wurde jetzt Anfang dieses Jahres „zwecks Entgiftung“ mehrere Wochen „auf eigenen Wunsch“ (Frau Czech) im ehemaligen Luftschutzkeller der Kaserne eingeschlossen. Die Umstände dieser „Alkoholentzugsmaßnahme“ auf privater Initiative nahmen wir zum Anlaß, das Thema Czech erneut aufzugreifen.

Begonnen hatte alles mit dem Asylunterbringungsproblem der städtischen Behörden. Als die von der Diakonie betriebenen Flüchtlingsunterkünfte nicht mehr genügend Platz boten für die der Stadt Wilhelmshaven zugewiesenen AsylbewerberInnen, sprang das Ehepaar Czech mit der in ihrem Besitz befindlichen ehemaligen Kaserne in die Bresche und bot Notunterkünfte gegen Bezahlung an (siehe Kasten). Das Asyländerungsgesetz, welches die legale Einreise von Asylbewerberinnenfaktisch beendete, zwang auch das Ehepaar Czech, sich umzuorientieren. Die Kaserne der Czechs bot jetzt Platz für Bürgerkriegsflüchtlinge und die steigende Zahl der städtischen Obdachlosen. Dem Ordnungsamt – pflichtgemäß zuständig für die Unterbringung von Wohnungslosen – können Czechs als Partner nur recht sein. Das Platzangebot ist verhältnismäßig groß, die Kosten mit 20,- DM pro Tag vergleichsweise günstig. Vertraglich ungebunden kann die Stadt wohnungslose Menschen an Czech zuweisen.

Verbessert sich die Wohnungssituation in Wilhelmshaven oder bieten sich andere Alternativen an, muß das Ehepaar Czech – da ohne Belegungsgarantien – sich erneut nach neuen Nutzungsmöglichkeiten ihres Gebäudes umsehen. Dies mag mit ein Grund sein, warum Frau Czech nach anderen Tätigkeitsfeldern im sozialen Bereich Ausschau hält (siehe Gegenwindgespräch). Die Art und Weise, wie Frau Czech einem alkoholabhängigen jungen Mann Unterstützung und Hilfe angeboten hat, beschäftigte jetzt allerdings erneut Behörden und Stadträte.

Klo_gw128Dem GEGENWIND wurden Fotos übergeben, auf denen der Aufenthaltsort dieses Alkoholabhängigen heimlich dokumentiert wurde. Dazu wurden uns anonym Informationen von verschiedenen Personen übermittelt, die ein wahres Horrorszenario skizzierten. Eingeschlossen in einem gefängnisartigen Raum ohne Tageslicht soll dort ein junger Mann über mehrere Wochen zumindest zeitweilig gegen seinen Willen zwecks Alkoholentzug verbracht haben. Der ca. 15 qm große Raum wurde lediglich durch ein etwa faustgroßes Loch in der Wand belüftet. Die sanitären Anlagen beschränkten sich auf ein Campingklo, eine Wasch- oder Duschgelegenheit war im Raum selbst nicht vorhanden. Der GEGENWIND hat diese Fotos umgehend dem Ratsherrn der Grünen/Bündnis 90 Andreas Koût zu Verfügung gestellt und ihn gebeten, diese Umstände den Mitgliedern des Gesundheitsausschusses mitzuteilen.

Sowohl im Gesundheits- als auch im Sozialausschuß der Stadt wurde das Thema Czech unter Ausschluß der Öffentlichkeit behandelt. Unsere Informanten waren – zum Teil aus, wie wir meinen, einsehbaren Gründen – nicht zu einem offenen Gespräch bereit. Zu einem GEGENWIND-Gespräch bereit waren jedoch Frau Czech selbst und die Vorsitzende des Gesundheitsausschusses Ursula Aljets. Beide Gespräche geben wir – aus Platzgründen erheblich gekürzt – auf den folgenden beiden Seiten wieder.

 

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