Tierschutz
Mai 141999
 

Katz und Maus

Im Tierheim steckt außer Hunden und Katzen auch der Wurm drin

(iz) Vor knapp 3 Jahren wurde der damalige Vorstand des Tierschutzvereins nach einer öffentlich geführten Schlammschlacht abgesetzt. Ins Feld geführt wurden Tierquälerei, willkürliche Tötungen, Mobbing und Unregelmäßigkeiten in der Kassenführung. Nun erreichte uns ein anonymes Schreiben, in dem sich die Vorwürfe wiederholen – gegen den jetzigen Vorstand.

Besagtes Schreiben vom 20.4.99 richtete sich an das ehemalige Vorstandsmitglied Peter Hopp, der auf Grund zurückliegender Querelen den Verein verlassen hatte, aber das Wohl und Wehe des Tierheims immer noch verfolgt. Um – statt in einen möglichen Kleinkrieg hineingezogen zu werden – schnellstmöglich sachliche Aufklärung zu bewirken, reichte er das Schreiben an das Ordnungsamt, den Amtstierarzt, die zuständigen Stadtvertreter, die Ratsfraktionen, die WZ, den Gegenwind und die Tierärztin Dr. Schröder weiter.

Vorwurf der Tierquälerei
Die geschilderten Details legen nahe, dass das anonyme Schreiben bzw. die darin enthaltenen Informationen von einer Mitarbeiterin stammen. Sie erhebt den Vorwurf, auf Grund einer ansteckenden Krankheit seien an 2 Tagen 80 Katzen qualvoll nach veralteten Methoden eingeschläfert worden. Der Amtstierarzt hätte nur von ein paar Katzen gewusst, deren Tötung er zugestimmt hätte. Die Tötung von über 80 Katzen “war schrecklich und nicht erforderlich”. Die Tötung hätte Dr. Siggel aus Borgstede vorgenommen in Vertretung von Frau Schröder, die zu der Zeit in Urlaub war.
Der Tierarzt, so das anonyme Schreiben weiter, hätte zum Einschläfern das Mittel T30 (s. Kasten) verwendet, bei dem “die Katzen mit Gewalt festgehalten werden müssen, weil sie so viel Schmerz empfinden. Die Katzen haben geschrien wie verrückt”, die Mitarbeiterinnen “waren mit den Nerven völlig am Ende. Sie haben geweint und konnten kaum noch arbeiten, dafür wurden sie dann noch von Frau Leerhoff (jetzige 1. Vorsitzende, Red.) angemacht”. Weiter: “Wenn Katzen von Frau Dr. Schröder eingeschläfert werden, ist das ganz anders. Die Tiere leiden nicht, weil sie ein anderes Mittel nimmt, im Gegensatz zu dem T30, was den Katzen ins Herz gespritzt wird … Wenn Sie diese Sachen vorbringen, wird das sicher wieder alles als Lüge hingestellt, aber das ist alles wahr.”
Anonyme Schreiben, da schließen wir uns dem ursprünglichen Empfänger an, sind problematisch. Auf Vorwürfe und Gegendarstellungen, die nicht abschließend beweisbar sind, stießen wir schon bei unseren Tierheim-Recherchen 1996 (“Neue Besen kehren gut”, Nr. 134, “Von Mäusen und Menschen”, Nr. 135) Wir lassen einige Beteiligte zu Wort kommen, auf dass sich jede/r selbst sein Bild machen kann.

Teiloffensive
Auf der Jahreshauptversammlung des Tierschutzvereins am 27.4.99 lag das anonyme Schreiben zumindest einigen Mitgliedern vor. Im Jahresbericht erwähnte Frau Leerhoff eine im Sommer 1998 ausgebrochene Pasteurella-Hospitalismus-Infektion. 3 Tiere wurden vom Veterinäramt in Oldenburg obduziert. Alle erkrankten Katzen wurden “auf Anraten des Tierarztes” eingeschläfert.
Der Vorstand selbst hatte das Schreiben erst 12 Stunden vor der Sitzung von einem der Adressaten erhalten und wurde durch forsche Nachfragen von Vereinsmitglied und WZ-Reporterin Ursula Große-Bockhorn überrascht. Auf ihre Anfrage nannte Leerhoff die Zahl von 80 getöteten Katzen, die mit dem Amtstierarzt telefonisch in vollem Maße abgestimmt gewesen sei. Die Tötung sei nicht mit T30, sondern mit T61 nach Verabreichung eines Beruhigungsmittels erfolgt. Frau Große Bockhorn stellte die nahe liegende Frage, ob mit dem Betriebsklima etwas nicht stimme, wenn trotz ordnungsgemäßer Tötung eine Mitarbeiterin solche massiven Anschuldigungen in dieser Art vorbringe. Frau Leerhoff entgegnete, unter dem jetzigen Vorstand hätten die Mitarbeiterinnen nichts zu erdulden, das Betriebsklima sei gut.

Gegendarstellung
Der WZ-Bericht vom 29.4. blieb an der Oberfläche. Wir hakten bei Frau Leerhoff, in Anwesenheit ihres Mitarbeiters Eckard, nach. Demnach zog sich die Seuche von Anfang Juni bis August 1998 hin. Die Tötungen verteilten sich über diesen Zeitraum, nur an einem Tag wurden 46 Katzen auf einmal getötet. Nach den uns vorgelegten Aufstellungen über tierärztliche Behandlungen (s. Faksimile) wurde die Euthanasie nach vorheriger Gabe eines Serums (Beruhigung) mit T61 durchgeführt. Auf Grund ähnlicher Symptome wurde die Infektion anfangs wie Katzenschnupfen behandelt, erst die Untersuchung dreier getöteter Tiere im Juli durch das staatliche Veterinäramt in Oldenburg ergab Aufschluss über die Pasteurella-Erkrankung, wobei z. T. beide Krankheiten gemeinsam vorlagen. Auf Grund des Obduktionsberichtes empfahl der behandelnde Tierarzt die Tötung der Katzen, bei denen die Behandlung nicht anschlug. Dies wurde nach Aussage von Frau Leerhoff nicht im Einzelfall, aber im Grundsatz telefonisch mit dem städtischen Amtstierarzt Dr. Wenderhold abgestimmt, wobei sowohl sie als auch Dr. Siggel mit Wenderhold gesprochen und Zeugen über Raumschaltung mitgehört hätten. Bei der Tötung assistierten 2 Tierpflegerinnen. Sowohl Leerhoff als auch der ausführende Tierarzt bestritten, dass die Tiere geschrien hätten.

Schutz der Tierpflegerinnen
Ein weiterer Vorwurf im anonymen Schreiben galt Problemen mit einem Desinfektions- mittel, das bei falscher Anwendung gesundheitsschädlich sei. Dazu Leerhoff: Zur Vorbeugung von Resistenzen war das langjährig angewandte Mittel gewechselt worden. Mit Einschaltung der Fußbodenheizung zum Winter kam es zu Verdampfungen, die Schleimhautreizungen bei den Tierpflegerinnen hervorriefen. Im uns vorgelegten Sicherheitsdatenblatt sind diese speziellen Gefahren nicht vermerkt. Das Mittel wurde dann wieder gewechselt.
Schließlich wird in dem Brief die mangelhafte Information der Mitarbeiterinnen über Zusammensetzung bzw. personelle Umbesetzung des Vorstands beklagt und Betroffenheit über verächtliche Äußerungen bestimmter Vorstandsmitglieder über die Pflegerinnen geäußert. Leerhoff und Eckard dementierten gegenüber dem Gegenwind, dass ausgerechnet die Beschuldigte, eine eher “vornehme” Person, die “Mädchen” als “primitiv” bezeichnen würde.
Auch wir stellten die Frage nach der Stimmigkeit des Betriebsklimas. Frau Leerhoff bemüht sich nach eigener Aussage um gute Kommunikation zwischen Vorstand und Mitarbeiterinnen, schließt aber persönliche Querelen zwischen den Pflegerinnen nicht aus. Sie räumte ein, im Gesamtumfang ihres Ehrenamtes auch mal etwas zu übersehen.

Ursachen anpacken
Wir fragten, wie die Missstände in verschiedenen Bereichen zukünftig abgestellt werden sollen. Beim stetigen Durchlauf von Fund- und Abgabetieren lässt sich die Herkunft des Erregers nicht ermitteln. Der Verein sammelt jetzt Spenden für eine Katzen-Quarantänestation (Kontonr. 32113052, Sparkasse WHV, BLZ 28250110). Nach Aussage des Tierarztes sind Hospitalismus-Epidemien in größeren Tierbeständen an der Tagesordnung. Verärgert ist er über die Menschen, die sich über die Folgen aufregen, aber die Hauptschuld tragen, indem sie durch beliebige Abgabe von Tieren die Überfüllung der Tierheime bewirken. “Wozu haben wir überhaupt ein Tierschutzgesetz, das u. a. Belegungsdichten regelt?”
Das Problem hinter dem Problem ist die schlechten Kommunikation der Beteiligten. Die jüngsten Vorfälle konterkarieren den vom Vorstand postulierten Anspruch einer optimalen Information der Mitarbeiter und der Öffentlichkeit. Nach kurzem Nachdenken über unseren Vorschlag, offensiv und konstruktiv mit Kritik umzugehen, entschließt sich Frau Leerhoff: “Auch Herrn Hopp steht mein Büro offen, um mich direkt auf Missstände anzusprechen.”

 

Katzen töten für Einsteiger

KatzeSorry. Die Redaktion besteht durchgängig aus Katzenfans. Wir fanden es auch nicht lustig, als unserer debiler Redaktionskater uns unlängst im biblischen Katzenalter von knapp 20 Jahren Richtung Katzenhimmel verließ (im Bild rechts die designierte Nachfolgerin).
Unter der fiesen Überschrift verbergen sich medizinische Hintergrundinformationen – Tierliebe erfordert auch gute Nerven. Ein Tierarzt erteilte uns folgende Auskünfte:
Hellabrunnsche Mischung: Narkotikum aus Kezamin und Xylazin, auch in Zoos sowie in der Humanmedizin verwendet; kann zu Erbrechen führen. Wird 10-15 Minuten vor Spritzen des Euthanasiemittels eingesetzt.
T30: Dieses in dem anonymen Brief erwähnte Mittel gibt es nicht
T61: Euthanasiemittel von Hoechst. Wirkstoff: Curare. Führt zur Atemlähmung bis zum Herz- stillstand. Alternativ Verwendung von Euthanar 71.
Anwendung von Euthanasiemitteln: Spritze wird von geschulten Fachleuten direkt ins Herz gesetzt (interkardial), Verfehlen des Herzens bewirkt star- ke Schmerzen. Alternativ: Abbinden von Vorder- oder Hinterlauf und Spritze in die Vene.
Pasteurella: Bakterienerkrankung, die Haus- und Nutztiere befallen bzw. von diesen übertragen werden kann; auch Menschen können sich infizieren. Schleimhäute lösen sich auf, bei Katzen Symptome schwer von Katzenschnupfen zu unterscheiden, Gewebsuntersuchung/ Autopsie erforderlich. Impfstoffe erstmals für Großtiere in der Erprobung. Bedingt heilbar, kann nach vorübergehender Symptomfreiheit wieder aufflackern.
Hospitalismus-Epidemie: Erkrankung, die durch Haltung vieler Tiere auf engem Raum gefördert wird und schwer einzudämmen ist (wie Pasteurella)
Sekundär-/Mischinfektion: Infolge einer Infektion wird das geschwächte Immunsystem anfällig für weitere Infektionen, in größeren Tierbeständen werden Folgeinfektionen unbemerkt bzw. ungewollt “herangezüchtet”
Resistenzen: In der Human- und Tiermedizin wird zunehmend beobachtet, dass bestimmte Erregerstämme (Bakterien, Viren) gegen Pharmazeutika immer schneller resistent werden; häufiger Wechsel von Antibiotika bzw. Desinfektionsmitteln erforderlich.

 

Zwischen lauter toten Katzen liegt der Hund begraben

Uns macht es keinen Spaß, wieder und wieder im Dschungel von Anschuldigungen und Dementis Wahrheitsfindung zu betreiben. Und zuzuschauen, wie eine wichtige Institution schon über Jahre auf Nebenkriegsschauplätzen den Bach runtergeht. Haupt- wie ehrenamtliche Mitar- beiter/innen des Tierheims scheinen mächtig unter Stress zu stehen – und keine/r lässt den Dampf am richtigen Ende ab. Jede/r will das Beste für die Tiere, kann das dem anderen aber nicht vermitteln.

Die Frage “Wer lügt denn nun?” ist nebensächlich. Unabhängig vom sachlichen Inhalt tönt aus dem anonymen Schreiben ein Hilferuf der Informantin: Ich fühle mich im Stich gelassen in dem Leid, das mir das Leiden der mir anvertrauten Kreaturen täglich verursacht. Ich habe Angst, noch mehr zu erleiden, wenn ich meine Hilflosigkeit offenbare. Ich bin schlecht informiert, ich werde nicht gefragt, nicht in Entscheidungsprozesse einbezogen, wo doch auf mir die tägliche Verantwortung für die Tiere lastet.

Der Vorstand muss lernen, damit umzugehen, dass der ehrenamtliche Einsatz für eine unbestreitbar gute Sache nicht selbstverständlich honoriert wird. Das erforderliche dicke Fell gegen chronische Nörgler muss aber durchlässig bleiben für begründete Kritik, die sich hinter scheinbaren Feindbildern und verletzender Polemik verbergen kann.

Der Weg zum “gläsernen Tierheim” ist noch weit: Eine stetige, umfassende Informationsoffensive, die keinen Platz für Spekulationen und Intrigen lässt. Warum ging man z. B. nicht schon im Sommer 1998 an die Presse, um über die Katzentötungen und ihre Hintergründe zu berichten? Damit wäre überzogenen Emotionen in beiden Richtungen vorgebeugt und gleichzeitig die positive öffentliche Präsenz des Tierheims gesichert. Gelegentliche und dann skandalträchtige Berichterstattungen sind dafür ungeeignet. Wer über Zeit- und Geldnot klagt, darf knappe Mittel nicht für Nebensächliches vergeuden.

Wir weigern uns, das Katz-und-Maus-Spiel mitzuspielen, sind aber gern bereit, einen konstruktiven Dialog im und um das Tierheim zu unterstützen. Anknüpfend an unser Gespräch mit dem Vorstand werden wir uns demnächst mit Lösungen für die Image- und Finanzprobleme des Tierheims beschäftigen.

Imke Zwoch

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