Theda
Jul 011998
 

Mein liebn Kuddl!

Heut bin ich ja nu ziemlich in Eile, isja soviel zu tun mitten Erdbeeren, aber für’n paar Zeilen langt’s. Also, das Allerneuste isja’n Seehund, also ‘n Baby, ‘n neues, in dem Fischgefängnis am Südstrand.

Bin ja mal gespannt, ob sich das diesmal da hält, bis jetzt hamse sich ja alle umgebracht. Und dann gibt’s gleich noch’n Seehund, is aber man bloß der Name von so’m U-Boot, so’m ganz kleinen, nur für zwei Leute, das soll ins Marinemuseum, find ich aber blöd, weil paßt es doch viel besser in das neue Tuhrismuß-Kontzept vonner Stadt, wose nämmich die Tuhristen mit’m Wassertaxi durch’n großen Hafen bei schippern wollen, und da isses doch viel praktischer, wenn das Ding da mitfährt, als dasses im Museum verschimmelt. Is doch bestimmt ‘ne Attrackzjon, und wenn da sowieso nur zwei Leute reinpassen, dann kann man doch ‘ne „Seehund-Hochzeitstuhr“ davon machen, is bestimmt ein unvergeßliches Erlebnis für so’n frisch- vermähltes Paar und schön sümbohlisch, find ich.

Mit den Schiffen hamses ja überhaupt momentan. Kaum haste verdaut, dassdaß unsere Zerstörer-Flotillje hier seit 40 Jahren die größte örtliche Friedensbewegung darstellt, man sie aber trotzdem nicht umbenennt, da legen sie dir schwupps so’n automatischen Trimaran innen Hafen. Echt, mein Kuddl, das Ding kannste total fernsteuern, umme ganze Welt! Is natürlich erstmal eckstra für die Expo, aber wollnse später dann auch mit Werbung dran wieder losschicken, damit die auffer Osterinsel z.B., wennse mal von ihrem Aussichtsfelsen so aufs Meer kucken, auch Bescheid wissen, wie teuer so’n Bickmeck is oder was’n Gespräch zwischen Hamburg und München nach neun Uhr kostet. Gute Idee, ne? Und sparen kann man mit so’m ferngesteuerten Teil, Du glaubst es nicht! Das Ding ißt ja nix, trinkt nix, außer manchmal n’bißchen Sprit, braucht kein Geld und kann nicht streiken. Wenn man das nu bald mit allen Schiffen machen kann, ham die Seeleute viel mehr Zeit für ihre Familien und können dann auch die Pflege für die städtischen Grünanlagen übernehmen. Was ich ja nu bloß hoffe ist, das die ganzen internatzjonalen Piraten und Seeräuber genauso schnell auf Fernsteuerung umsteigen, sonst hast ja plötzlich statt drei Rümpfen sechs oder so, und das wär ja schade.

Aprohpoh Expo: Da hamse ja nu vonner Stadt wieder ‘ne gute Idee für gehabt, nee, eigentlich zwei. Die eine war, dasse für die Stelle von dem, der alles so’n bißchen koordinatieren und organisieren soll, den Preuß genommen haben, vonne Landesbühne, das find ich richtig gut, weil wenn einer Erfahrung mit lauter Theater, Kulissenschieberei und wenig Kohle inner Kasse hat, dann er ja. Und die zweite Idee hat wieder mit unserem Straßenverkehr zu tun, und zwar hamse bei den Ampeln in der Virchowstraße schon mal vorbeugend jede Menge Pausenstopps zum Kucken eingebaut, so daß Du Dir, wennde mit’m Auto dadurchfährst, ganz gemütlich die preisgekrönte Arschitecktuhr vonner Nordseepassasche reinziehn kannst, völlig kostenlos, vorläufig jedenfalls noch.

Direkt bei der Norseepassasche isja auch so’n großer Platz, Valiumplatz heißt der ja wohl, isja auch nicht so viel los da. Den wollnse nun so’n bißchen aufpeppen, dasser’n bißchen bekannter wird oder so und machense da’n Bietsch-Wolliball-Tuhrnier drauf.

Braucht man natürlich Sand zu, sonst kommt ja die Bietsch-Stimmung nicht so richtig auf, und deswegen karrense da nun 600 Tonnen davon hin – tolle Idee, ne? Ham wir den Sand endlich mitten inner Stadt und nicht bloß immer so viel drumrum, braucht man nicht soweit zu fahren und Parkplätze sind auch kein Problem. Und wennse mit’m Wolliball durch sind, kann man ja immer noch’n Wüstenfest machen, mit Sandsturm und so, Wind isja genug da. Deswegen gab’s neulich bei dem einem Imbißwagen, dem aus Stahl anner Passasche eckstra wassergekühlte Pommes, kam nämmich der Wind, spielte mit den Wasserspielen, und die dann nun wieder mit dem Wagen, dem Imbißmann und seinen Pommes, heißt glaub’ ich Domino-Effeckt und ist im Sommer ungeheuer praktisch.

Ja, was gibt’s denn sonst noch so? Im Rathaus hamse Stunk miteinander, vor allem der Hofmann mit’m Menzel, wasse natürlich alle abstreiten. Also der Hofmann ist so’n bißchen rumgefahren, so nach Brüssel, Lissabon, Luxemburg, Straßburg und so, also ganz privat, und hat sich da zufällig oder so mit ganz wichtigen Leuten, sagt er, getroffen und ‘n bißchen über die Expo geklönt und dabei gar nicht eingesehen, daß die nicht wissen sollen, daß er ja auch’n ganz Wichtiger ist bei uns, ne, hat er ja lange genug für gearbeitet und Parteien gegründet und ist überhaupt ja alles nur zum Wohle vonner Stadt und von uns allen und dazu gehört er ja auch irgendwie. Und Menzel, der war sauer, weil er nun wieder nicht eingesehen hat, daß der Hofmann einfach ohne Auftrag losfährt und Leute trifft, und er ist nicht dabei und nicht eingeladen, obwohl er doch auch ein Wichtiger ist und keine Lust hat, immer bloß in Wilhelmshaven Expo-Schilder einzuweihen. Dumm gelaufen, nu müssense zur Strafe inne Harzburger Hütte innen Kurpark, find ich, damit da erstens auch mal wieder was drin los ist, und zweitens kann man darin besonders gut sehen, was Wilhelmshaven zur Expo alles so auf die Beine stellt.

Ein anderer hat Stunk ganz mit sich alleine gemacht, das war der Mars vonner Zehdehu, der Name paßt ja ganz gut, weil der Mars isja auch ganz schön weit weg von dem, was bei uns so läuft. So’n anderer vonner Zehdehu, hastja wohl von gehört, Hauser heißt der, wie der Kasper von damals, obwohlse dem ja schon als Kind beigebracht haben, dasses besser ist, den Mund zu halten, also dieser Hauser hat ja mit unseren ganzen Schwestern und Brüdern im Osten geschimpft, dasse immer so falsch wählen, und gesagt, dasse das nicht mehr tun sollen, sonst gibts keine Kohle mehr. Fanden die natürlich nicht gut und die andern vonner Zehdehu auch bald nicht mehr wegen der Nölle-Neumann und den Wahlen, bloß unser Mars hat das nicht so mitgekricht und sich ganz von hier aus vor den Hauser gestellt und gesagt, daß er recht hat. Ich versteh das ja nicht so ganz, mein Kuddl, weil hier bei uns ham ja auch schon soviel rechts gewählt, daß wir sogar zuner Tuhristenattrackzjon für berühmte Leute werden, deswegen war nämmich zum Beispiel der Giesi vonner Pehdeheß hier, und die Stadt kann das ja glatt in ihr neues Tuhrismuß-Konzept aufnehmen, versteh ich also nicht, wieso der Mars dann hier nicht rumgeschimpft hat, aber hat er vielleicht nicht so mitgekricht.

Ja, so sieht das hier aus, mein Kuddl, nu muß ich aber mit’m Rad wieder los, wir ham nämmich ‘ne neue Außenstelle vonner Vogelwarte, hieß früher ICI, aber dann hamses umbenannt in andere drei Buchstaben, weil die wohl besser klingen, jedenfalls machense da aber immer noch dieses Pehfauzeh, wose immer alle von sagen, dasses so umweltschädlich ist, kann aber gar nicht sein, weil hamse plötzlich alle ihre Schornsteine voller Vogelnester, Turmfalken, Austernfischer und was noch alles. Stand ganz groß inner Wehzett, und nun glaub ich auch, daß Pehfauzeh gleich Leben ist, es sei denn, es ist doch nicht so, und die Vögel haben einfach den Schnabel voll von dem, was die Menschen so tun und haben ihre eigene Umweltbewegung aufgemacht und machen erstmal die Schornsteine dicht. So, und nu muß ich los, isja ‘ne ganz schön lange Strecke dahin, und unterwegs ham irgendwelche Huhligäns die Parkbänke kaputt- gemacht, kannste gar nicht mal verschnaufen, hamse inner Wehzett aber schön drüber berichtet, richtig knallig, haste geglaubt, sie haben unsern Orgel-August entführt und wollen nu mindestens so viel Lösegeld, wie die Stadt Schulden hat, aber so isja wenigstens immer was los hier.

Tschüß, mein Kuddl, und’n ganz dicken Knutsch von

Dein Theda

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