Theda
Sep 151999
 

Mein liebn Kuddl!

Weiß ja jeder, dass Strom nu neuerdings gelb ist und kann man demnächst bei Aldi kaufen oder so, aber weißt auch, wie das bei uns in Wilhelmshaven ist mitm Strom? Hamse nämmich wiedermal Zeichen gesetzt und ist Strom bei uns unsichtbar, jedenfalls manchmal, also neulich gerade, war er denn drei Stunden weg und war das höhere Gewalt, sagen die vom Vorstand vonner Stromfabrik hier.

Da könnense ja nu alles Mögliche mit meinen, sind ja gebildete Herren, ehrenwert und alles, hamse also bestimmt mit recht. Nu gips ja solche, kennst ja auch, die ham immer was zu meckern und sagen einfach, dasse da bei sonem Tranzvormatohr, bei dem vor der Eishalle nämmich, damals beim Inschtalliehren son Kabel vergessen haben, inner Erde oder mit Erde oder so, ich hab ja auch keine Ahnung und bloß man so dumm im Dunkeln gesessen, aber weißt ja selbst, was immer so geredet wird bei sowas und stimmt das dann mitter höheren Gewalt ja immer noch, denn so Herren im Vorstand sind ja wohl immer son bischen was Höheres als unsereins, nich? Also ich hab da ja ne ganz andere Teeohrie, hat wieder was mitter Expoh zu tun, und das geht so: seit Jahren sindse hier ja alle am Jaulen, dass wir gar nicht mehr so richtig Großstadt sind, von wegen dasses immer weniger Einwohner hier sind. Für ne Großstadt brauchste nämmich Hunderttausend und wir ham hier ja bloß noch so knapp neunzigtausend, wenn überhaupt. Damit kannste doch keine Expoh machen, kannst ja kein bischen mit angeben, mit son paar Neunzigtausend. Und da hat sich glaub‘ ich die Stromfabrik auf ihre gesamtbürgerliche Verantwortung besonnen und ihren Beitrag zur Expoh schon mal vorab reingegeben und den Strom abgeschaltet. Weißt noch, was damals in Nujorck los war, neun Monate nach’m Stromausfall? Dämmerts? Mitn bischen Glück ham wir nächst Jahr im Sommer wieder die Hunderttausend und kann man doch die höhere Gewalt da gahnich genug für loben. Ich war übrigens im Pumpwerk an dem Abend und hat unser Eberhard da gesprochen, war was mit Kultur und so, interessierst du dich ja nich so für. Is aber ganz was Merkwürdiges passiert, da weiß ich noch gahnix zu und macht mir das orntlich Gedanken: als nämmich der Strom ausfiel, fiel der ganze Eberhard sozusagen auch aus, völlige Funkstille, kein Piep mehr und hat er nachher auch nicht mehr angefangen. Muss der also auch irgendwie mit Strom funktionieren, bloß wieso? Mein Gegenübernachbar, weißt ja, Karl-Heinz, der is in som komischen Klubb, wose immer Schlafanzüge mit som Haken drauf anziehen und sich dann gegenseitig Kommahnder und Skottie und sowas nennen und nicht mehr so einfach inne Stadt gehen sondern da hinbiemen, also Karl-Heinz vermutet in Eberhards Stromausfall was mit Eljens und dasse ihn irgendwo irgendwann mal assimilitiert ham oder so, aber der hat an sich ja sowieso ne Meise, Karl-Heinz, mein ich, aber unheimlich isses man doch. Vielleicht kennst du ja jemanden, dem was dazu einfällt.

Ja, zur Expoh gips ja manchmal sone Beilage inner Wehzett und wird darin immer mehr über das Programm enthüllt. Hamse ja richtige Schuhting-Stars auffer Pfanne nächstes Jahr: den Piratsherrn vonner Promenade und den Drehorgelaugust hamse nu ausem Zülinder geholt und machen da orntlich Werbung mit, soll die ganzen Schinesen wohl tierisch beeindrucken. Find ich gut, auch dasse sone ganze Vortragsreihe machen wollen nächst Jahr, allein zwei Vorträge über die Bremer Hansekogge, und als Partner für noch was anneres hamse das Abwasserzentrum Löhnberg gewonnen, das sind doch alles echte Knaller und im Zuge vonner Glohballisierung hat das ja auch alles was mit uns hier zu tun, so wassermäßig, ham wir ja genug von, und dasse die olle Kogge nu zufällig in Bremen gefunden ham und nich hier is ja auch bloß einer von diesen koßmischen Zufällen und muss man gahnich so eng sehn. Bloß das Problem mitter Bundesbahn müssen wir noch irgendwie lösen, die versuchen ja nu immer wieder uns pünktlich zur Expoh vom Rest der Welt abzuhängen, indem dasse die Zugverbindungen kappen, weilse ja wohl immer noch nich glauben können, dasses uns hier am Ende vonner Autobahn wirklich noch gibt, aber nich mit uns, sag ich dir, so nich! Da schicken wir denen den Orgelaugust inne Zentrale und der leiert denen dann so lange was vor, bisse uns freiwillig zwei Interzitties hierher schicken. Vielleicht sollte man zur Sicherheit noch Ballermann mitfahren lassen und Radio Jade könnte dann alles mohderieren und zum Schluss sindse dann bei der Bahn windelweich und bitten um politisches Asyl auffen Gallapagoss. Man muss das ja alles nur richtig anpacken, sag ich immer.

Son richtig gutes Beispiel für wie man was gut anpackt hamse ja nu auch wieder beim Arbeitsamt vorgemacht. Weißt noch, wie ich dir letztes Jahr geschrieben hab, dasse da alles so schön rehnohwiert ham und man sich da jetzt als Kunde so richtig wohl fühlen kann, stundenlang? Nu müssen wohl die, die selbst zu arbeiten ham, sich beschwert ham, dasse selbst gahnich so richtig die schöne Umgebung genießen können und hamse gleich Abhilfe geschaffen: heißt „Selbstinformation“, setzt dich also als Kunde selbst vor son Kompjuhter und informierst dich über das, was alles nich gipt, und währenddessen können die Mitarbeiter sich entlasten, so stand das inner Wehzett, so von Raum zu Raum promenniehren und sich anner Schönheit von dem Ganzen erfreuen, denk ich mal. Stand aber ausdrücklich inner Wehzett, dass die „Selbstinformation“ AUCH dazu dient, „schneller Stellenangebote greifen zu können“, hat der Schäffdockter vonnem Arbeitsamt selbst gesagt. Is doch schön, nich, dass du als Kunde dann auch was vonner Selbstinformation hast und find ich das spitzenmäßig orgahnisiert.

Der Neumann vonner SPD, der hatte auch son guten Ratzjionalisierungsvorschlag, und zwar was man mit den alten Häusern inner Südstadt machen sollte, die da aus irgendeinem Grunde immer noch rumstehen. Weg damit, hat er gesagt, sehn so gammelig aus, und soll man doch lieber hübsche Reihenhäuser hinsetzen, sind viel übersichtlicher und sehen viel orntlicher aus. Is doch echt praktisch gedacht und könnte man dann ja bei jedem Reihenhaus wieder sone Plakette dranmachen wie damals beim Elsässer Hof, das soll ja wohl als Denkmalschutz reichen.

So, mein Kuddl, das war’s nu für heute wieder, ich muss noch’n bischen anne Luft mit’m Rad. Da hat doch neulich so’n ausländischer Student, der für’n paar Wochen hier war und dense dann gefragt ham, was ihm denn so zu Wilhelmshaven einfiele, gesagt, dasses hier so viele hübsche Omas auf Fahrrädern gibt und dass das Meer immer weg wär. Zu dem Meer kann ich das ja so nich sagen, aber bei dem andern bin ich fest von überzeugt, dasser mich gesehn hat und fahr ich mal ehmt zum Bahnhof und wink zum Abschied, aber trotzdem für dich

 Also, bis nächstmal und‘n ganz dicken Knutsch von

Dein Theda!

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