Wie die Krise das Totalversagen geringfügiger Beschäftigung aufzeigt
Minijobs – geringfügige Beschäftigung bis zu 450,- €/Monat bzw. 5.400,- €/Jahr – zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie nicht sozialversicherungspflichtig sind. Damit sind Minijobs höchst prekär, denn häufig gibt es nur befristete oder keine Arbeitsverträge und die fehlenden Sozialbeiträge führen zu fehlender sozialer Absicherung.
Dass dieses System massive Probleme für die Beschäftigten mit sich bringt, hat sich bereits vor der Krise gezeigt: Statt einer Art Neben- oder Übergangsjob, wie ursprünglich gedacht, bauen mittlerweile ganze Branchen ihre Existenz auf dem Rücken von Minijobbern auf, besonders in Gastronomie, Einzelhandel und Veranstaltungsbranche. Die Aussicht auf eine reguläre Festanstellung ist oft nicht gegeben. Minijobs sind keine Ausnahme mehr, sie gehören längst zur regulären Beschaffenheit des deutschen Arbeitsmarktes. Viele Menschen beziehen sogar ihr einziges Einkommen aus einem oder mehreren Minijobs, was im weiteren Sinne zur Aufstockung durch den Staat oder massiver Mehrbelastung durch mehrfacher Beschäftigung führt, da das geringe Einkommen kaum zum Leben reicht. Wenn dann Arbeitslosigkeit droht oder die Rente ansteht, gehen geringfügig Beschäftigte in der Regel leer aus, da ihre fehlenden Sozialbeiträge ihnen keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld gewähren und geradewegs in die Grundsicherung führen. Die Folgen sind Armut und Existenznot.
Frauen und Migrant:innen sind besonders betroffen – sie machen über 60% der geringfügig Beschäftigten in Deutschland aus. „Hier sehen wir eine deutliche Diskriminierungsstruktur auf dem Arbeitsmarkt“, so Désirée Buchinger, Gewerkschaftssekretärin des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Wilhelmshaven. „Dies führt nicht zuletzt dazu, dass Frauen und Migrant:innen keine echte Chance auf dem Arbeitsmarkt haben, sondern nur wenig Perspektiven entwickeln können, was die Suche nach einer regulären Festanstellung angeht, da sie auf jeden Cent angewiesen sind und so oftmals in dem System hängenbleiben. Wer keine Rücklagen bilden kann und kein soziales Sicherungsnetz hat, der traut sich weniger große Umbrüche wie z.B. einen Umzug für einen Jobwechsel in Kauf zu nehmen, einfach weil es fast unmöglich ist.“ 61% der Frauen in Minijobs arbeiten ausschließlich im Minijob, ohne weitere Erwerbsmöglichkeit. Es darf nicht sein, dass Frauen weiterhin das Gros der Haus- und Familienarbeit, also unbezahlte Pflegearbeit, leisten und aufgrund der Erwerbsbrüche mit Teilzeitarbeit und Minijobs abgespeist werden.
„Die Krise hat die massiven Schwachstellen des Systems offengelegt“, so Dorothee Jürgensen, DGB-Regionsgeschäftsführerin. „Da es keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld für geringfügig Beschäftigte gibt, werden diese in der derzeitigen Wirtschaftskrise als erstes entlassen. Insgesamt sind mehr als 55.000 Minijobs verloren gegangen. Das hat in Niedersachsen mit 8,6% vor allem diejenigen getroffen, die ausschließlich im Minijob arbeiten und keinen weiteren Hauptverdienst haben. Das sind die großen Verlierer auf dem Arbeitsmarkt aktuell. Sie werden zu Beschäftigten zweiter Klasse degradiert. Das ist eine Entwicklung, die wir stoppen müssen! Echte soziale Verantwortung geht nur, wenn jeder Euro sozial abgesichert ist. Letztlich kostet das nicht nur die Beschäftigten, sondern auch den Staat und unsere Gemeinschaft. Die Politik muss tätig werden, wir brauchen eine Sozialversicherungspflicht ab dem ersten Euro.“
Über die Diskriminierung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt lädt die DGB Region zu einem kostenlosen Online-Vortrag mit der DGB-Vorsitzenden Elke Hannack am 27.04. um 18:00 Uhr ein, Anmeldung per Mail: oldenburg@dgb.de
Außerdem wird das System Minijob ein zentraler Themenblock auf dem digitalen 1. Mai, von 11:00 – 13:00 Uhr, der DGB Region Oldenburg-Ostfriesland sein.
Kurzlink und QR-Code zum Live-Stream: https://bit.ly/DGB-OL-Mai
Pressemitteilung vom 19. April 2021