Nov 022023
 

(red / SDN) PALLAS, MSC ZOE, MUMBAI MAERSK, FREMANTLE HIGHWAY: nur einige von vielen Schiffsnamen, die sich nach Havarien vor unserer Küste ins kollektive Gedächtnis eingebrannt haben. Vor 25 Jahren strandete die Pallas auf einer Sandbank und brach entzwei, zehntausende Seetiere starben durch die Ölverschmutzung. Seitdem sind wir jedes Mal knapp einer großen Umweltkatastrophe vorbeigeschrammt. Zuletzt (24.10.2023) kollidierten zwei Schiffe zwischen Langeoog und Helgoland, eines sank sofort, 5 Seeleute verloren ihr Leben. Die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste (SDN) warnt vor immer weiter steigenden Gefahren für den Schiffsverkehr.

„Seit nun 25 Jahren liegt die havarierte PALLAS ausgebrannt und gestrandet nahe Amrum und dem Nationalpark Wattenmeer“, erklärt Kapitän und Seelotse Ulrich Birstein, zweiter Vorsitzender der Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e.V. (SDN), „und bis heute haben sich die Sorgen der SDN in Sachen Schiffs- und Küstensicherheit um nichts verringert.“ Noch heute erinnere das gut sichtbare Wrack als stilles Mahnmal an die Katastrophe vom Herbst 1998 mit einem toten und fünf verletzten Seemännern sowie zehntausenden durch auslaufendes Öl getöteten Seetieren. Nur, beklagt Birstein weiter, wäre die Bedrohung durch katastrophale Schiffsunfälle seitdem, trotz aller Erkenntnisse und organisatorischen Verbesserungen, bei weitem nicht geringer geworden. „Die Nordsee wird in unseren Tagen dermaßen von industriellen Nutzungen und Anlagen zugedeckt, wie man es sich damals überhaupt nicht vorstellen konnte.“ Und damit erhöhe sich gleichermaßen auch die Gefahr von Schiffsunfällen auf See; mit immer weniger einschätzbaren Auswirkungen. „Und gerade bei den Mega-Schiffen könnte eines von ihnen schon für eine nicht zu bewältigende Katastrophe reichen!“

„Die Glückssträhne, die die deutsche Nordseeküste als einer der weltweit meist befahrenen Schiffswege bisher bei den meisten Havarien hatte, ist nicht erst mit den fünf toten Seeleuten der VERITY Vergangenheit.“

Havarie-Risiko

Aber die steigende Gefahr gehe nicht nur von diesen Riesen aus. Auch „normale“ Schiffe bergen ebenso große Risiken, wie jüngst die Havarien von MSC ZOE (Ladungsverlust), MUMBAI MAERSK (Strandung), PETRA L (Kollision Windpark), FREMANTLE HIGHWAY (Schiffsbrand) oder jetzt im Oktober MSC REGULUS (Ausfall Hauptmaschine) und ganz aktuell VERITY/POLESIE (Schiffskollision) deutlich gezeigt hätten. „Die Glückssträhne, die die deutsche Nordseeküste als einer der weltweit meist befahrenen Schiffswege bisher bei den meisten Havarien hatte, ist nicht erst mit den fünf toten Seeleuten der VERITY Vergangenheit.“ So gehöre zum Beispiel der Kreuzungsverkehr an der deutschen Nordseeküste hunderte Male zum alltäglichen Ablauf. Bei jedem Wetter. Tag und Nacht. Und mit weiterem Ausbau der Offshore-Windkraft auch noch enger werdende Fahrspuren, mit denen eine Kollision in immer erreichbarere Nähe rücken würde.

Vermeintliche Alternativlosigkeit

Dabei sei zu bedenken: Havarien ließen sich nicht vollends verhindern. „Wichtig ist es von daher, dass man ein klar strukturiertes und präventiv wirkendes Havariesystem hat, welches möglichst frühzeitig Risiken erkennt und unmittelbar qualifizierte technische wie personale Hilfen einsetzen kann.“ Damit sehe sich die SDN auf einer Linie mit norddeutschen Küstenverbänden wie Insel- und Halligkonferenz und Nautischem Verein Nordfriesland, wie sich zuletzt auf deren Veranstaltung zum Schiffsunglück der PALLAS erneut gezeigt habe. „In Berlin wird es immer deutlicher, dass der Schutz von Nordsee und Wattenmeer zu Gunsten einer umfangreichen Industrialisierung zunehmend ins Abseits gerät,“ so Birstein weiter. „So wird es umso wichtiger, dass sich die dem Meeresschutz verpflichtet sehenden Initiativen deutlicher und möglichst gemeinsam an die Bundespolitik wenden und denkbare Alternativen gegen die vermeintliche Alternativlosigkeit stellen.“

SDN-Forderungen

Um die Wahrscheinlichkeiten von Havarien und deren Folgen wenigstens zu verringern, erwartet die SDN von den verantwortlichen Entscheidern:

  • Prävention zur Unfallvermeidung und -bekämpfung statt erzwungene Reaktion im Falle eines Unfalls.
  • Umweltschonendes Überdenken der Ausbauziele; insbesondere im Zusammenhang mit Offshore-Wind und fossilen Energieträgern.
  • Best mögliche Technik und personale Qualifikation für Unfallvermeidung und -bekämpfung.
  • Mehr ortsnahe Produktion und damit geringeren Transportbedarf.
  • Verringern des Fahrplandrucks durch zu eng getaktete Hafenzeiten für die Schiffe und ihre Kapitäne.
  • Möglichst ortsnahe und dauerhafte Stationierung von mehreren Notschleppern mit mindestens 130 t Pfahlzug und Schadstoff-Unfall-Bekämpfungsschiffen passender Größe/Leistungsfähigkeit an mögliche Einsatzorte.
  • Kostenübernahme für ortsnahe Notschlepper und Schadstoff-Unfall-Bekämpfungsschiffe; auch durch Windpark-Betreiber.
  • Dem Stand der Technik entsprechende Fähigkeiten zur Branderkennung und -bekämpfung an Bord.
  • Frühzeitige Einbeziehung der Küstenlandkreise als regional zuständige Katastrophenschutz-Behörden.

„Unsere Devise muss dabei lauten: Aus Fehlern der Vergangenheit wirklich zu lernen und präventiv zu handeln, denn der Lebensraum Nordsee darf nicht zu einer Industriebrache verkommen.”

 

Die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e.V. (SDN)

ist ein überregionaler und gemeinnütziger Umweltschutz-Dachverband, der 1973 aufgrund umfassender Verschmutzungen der Nordsee ins Leben gerufen wurde. Seitdem engagiert sich die Schutzgemeinschaft sachlich-fachlich und partei-übergreifend für den Schutz der Nordsee als Lebens-, Wirtschafts- und Naturraum. Sie dient rund 200 Kommunen, Landkreisen, Naturschutzvereinen, Instituten, Verbänden und Einzelmitgliedern als Sprachrohr in die Öffentlichkeit sowie die Ministerialverwaltungen und Parlamente des Bundes und der vier Nordsee-Küsten-Länder. Gemeinsames Ziel: die Eigenarten und Schönheiten der Nordsee, des Wattenmeeres und der angrenzenden Küste vor schädigenden Eingriffen durch den Menschen zu schützen und Probleme des Nordseeschutzes einer Lösung zuzuführen.

Einige Maßnahmen der letzten Jahrzehnte, bei denen die SDN als Lobbyverband die Belange der Küste vertreten hat und die inzwischen als weitgehend abgearbeitet gelten dürften, sind die Dünnsäure-, Abfall-, und Klärschlammverklappung, das Notschleppkonzept, Antifouling, Luftüberwachung, Ballastwasser, Tankreinigung, MARPOL I bis IV sowie die Anschaffung moderner Notschlepper für Nord- und Ostsee, wie aktuell auch der Unterelbe.

Die SDN ist Mitglied der KIMO International: http://www.kimointernational.org

Website der SDN: www.sdn-web.de

 

Mrz 032018
 

Ausstellung über die entwicklungspolitische Dimension der Meerespolitik im Wattenmeer Besucherzentrum

Am Mittwoch, den 7. März 2018, um 19.00 Uhr, wird in der Dachgalerie des UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer Besucherzentrums die Ausstellung „Das Meer – die letzte Kolonie“ eröffnet.
Kai Koschinski, Projektkoordinator von Fair Oceans, wird eine Einführung in die Ausstellung halten. Die von Fair Oceans und Brot für die Welt konzipierte Ausstellung stellt anhand von sechs Schwerpunktthemen die vielfältigen Bezugspunkte zwischen Umwelt- und Entwicklungsfragen auf See vor. An Beispielen aus der Fischerei, dem Meeresschutz oder der Schifffahrt werden den Besucherinnen und Besuchern die globalen Dimensionen der Ozeane und Meere veranschaulicht und drängende Zukunftsfragen aufgeworfen.

Weiterlesen »

Jan 272015
 

Allianz aus Umweltorganisationen verklagen Bundesregierung wegen fehlendem Meeresschutz in Nord- und Ostsee

„Schutz der Meere verwaist im toten Winkel der Zuständigkeiten“

(red) Meeresschutz findet in Deutschland nur auf dem Papier statt: In den zehn Offshore-Schutzgebieten in Nord- und Ostsee sind auch acht Jahre nach ihrer Ausweisung keinerlei Schutzmaßnahmen in Kraft. Dagegen klagt jetzt eine Allianz der Umweltorganisationen Greenpeace, WWF, BUND, NABU, Deutsche Umwelthilfe, WDC (Whale und Dolphin Conservation) und dem Deutschen Naturschutzring (DNR), der die formell gegen das Bundesamt für Naturschutz gerichtete Klage heute am Verwaltungsgericht Köln einreichte. „Die Bundesregierung verschleppt den Schutz von Nord- und Ostsee seit Jahren und gefährdet damit bedrohte Meeresbewohner und ihre Lebensräume“, kritisierten die Verbände. „In den ausgewiesenen Gebieten müssen nach EU-Recht Schweinswale, Seevögel, wertvolle Sandbänke und Riffe geschützt werden. Tatsächlich darf aber jeder Quadratmeter im Schutzgebiet befischt werden, obwohl Fischerei der schwerste Eingriff ins Ökosystem Meer ist.“ Neben der Fischerei finden auch Sand- und Kiesabbau, der Bau von Offshore-Windkraftanlagen und die Suche nach Öl- und Gasvorkommen in den Schutzzonen statt.

Weiterlesen »

Jan 122015
 

Kampfstoff – frisch auf den Tisch

Experte kritisiert Nord- und Ostseeanrainer: Nicht geborgene Munitionsaltlasten können Fischbestände vergiften

Tödliche Gefahr unter Wasser: Eine versenkte Kampfstoffbombe. Foto: Stefan Nehring

Tödliche Gefahr unter Wasser: Eine versenkte Kampfstoffbombe. Foto: Stefan Nehring

„Das Risiko, mit Kampfstoffen belasteten Fisch auf den Teller zu bekommen, wird in naher Zukunft zunehmen – es ist schon heute nicht gleich Null“: Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung, die der angesehene Koblenzer Experte Dr. Stefan Nehring jetzt exklusiv in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift WATERKANT veröffentlicht hat.

Weiterlesen »

go Top