Sykes
Jun 032003
 

Neues von Sykes

(noa) Von der Firma Sykes Enterprises Support Services B.V.&Co.KG im TCN in Roffhausen hören wir immer mal wieder etwas. Ehemalige Beschäftigte melden sich bei uns, um uns über Arbeitsbedingungen zu berichten, die krank machen und einen dazu veranlassen, möglichst schnell einen anderen Arbeitsplatz zu suchen.

Wir berichteten davon zum letzten Mal in der Ausgabe 186 unter der Überschrift „Sklavenhalterei…“ und warfen im Untertitel die Frage auf: „Ist die Arbeit im Call Center menschenunwürdig oder nur einfach anders?“ Was seither an uns herangetragen wurde, unterschied sich von dem damaligen Bericht nicht nennenswert. Nun aber hörten wir eine Geschichte, die auf das schon Bekannte noch „einen draufsetzt“.
Jochen Athen und Marion Hock begannen am 23. Oktober 2002 bei Sykes in der Auskunft der Telekom. Marion Hock war schon nach fünf Wochen wieder weg. Sie brach in dieser Zeit dreimal im Betrieb zusammen. Die ärztlichen Untersuchungen danach waren jedes Mal ohne Befund. Kreislaufstörungen oder sonstige somatische Gründe für die Ohnmachten waren nicht zu finden. Marion Hock fand schnell heraus, dass sie einfach die Arbeitsbedingungen nicht ertrug. Ein Telefonat nach dem anderen, dauernd mit Blick auf einen Bildschirm, ständig angetrieben von der Vorgabe, dass ein Telefonat möglichst unter 50 Sekunden dauern soll, eine vom Betrieb über die Teamleitungen induzierte Konkurrenz zwischen den Teams (deren Zeiten laufend verglichen und ausgehängt werden) – Frau Hock wurde manchmal schon auf dem Weg zur Arbeit schlecht. Und obwohl ihr (wie allen MitarbeiterInnen) beim Einstellungsgespräch zugesichert worden war, dass sie ihre Arbeitszeiten selbst bestimmen könne, war sie ausschließlich nachmittags auf dem Dienstplan – ihre schulpflichtigen Kinder traf sie kaum noch. Bat sie darum, vormittags arbeiten zu dürfen, wurde sie darauf verwiesen, dass das „das System“ sei. Dasselbe hörte ihr Lebensgefährte Jochen regelmäßig, wenn er um andere Arbeitszeiten bat. Was ihn allerdings noch mehr aufregte, war, was passierte, als Marion das dritte Mal umkippte: Die Teamleiterin schickte die Ersthelferin, die bei der Ohnmächtigen im Ruheraum war, an die Arbeit zurück, „damit die Fehlzeit auf ihrem Arbeitszeitkonto nicht so groß“ würde. Und ein Telefon, um einen Krankenwagen herbeizurufen, war nirgendwo zu finden.
Marion Hock entschloss sich nach diesem dritten Zusammenbruch, die Arbeit bei Sykes aufzugeben. Ein Betriebsratsmitglied riet ihr zu einem Aufhebungsvertrag, „damit ihr beim Arbeitsamt keine Nachteile entstehen“ sollten – damit war die folgende Arbeitslosigkeit selbst verschuldet und es gab eine Sperrfrist.
Jochen Athen hielt länger bei Sykes aus. Doch Ende November wurde er krank und musste sich in stationäre Behandlung begeben. Im Krankenhaus erhielt er im Januar seine Kündigung zum 12. Februar. Da er noch in der Probezeit war, stand es dem Betrieb frei, ihn zu entlassen, und Herr Athen versteht es durchaus, dass man ihm kündigte. Doch dass man ihm auf der Lohnabrechnung, die er kurz danach per Post bekam, ein Minus von 294,07 Euro bescheinigte, verstand er nicht. Das wären etwa 40 versäumte Stunden, und die kann er einfach nicht gemacht haben, zumal er jeden zweiten Samstag Mehrstunden verrichtet hatte. Auf seine schriftliche Forderung, ihm die angeblichen Minusstunden nachzuweisen, reduzierte die Firma sein „Soll“ zwar auf 127,93 Euro, aber auch dies kann, so Athen, nicht sein. Dass diese Summe immer noch aussteht, traf ihn umso härter, weil auch er eine Sperrfrist bekommen hat. Auf der Arbeitsbescheinigung, die dem Arbeitsamt vorzulegen ist, stand als Kündigungsgrund nämlich „unentschuldigtes Fehlen“.
Wenn er tatsächlich unentschuldigt der Arbeit fern geblieben wäre und deswegen entlassen worden wäre, hätte das in seinem Kündigungsschreiben stehen müssen. Das war aber nicht der Fall. Jochen Athen ging zum Betriebsrat, in der Annahme, dass dieses Gremium dazu da sei, die Interessen der Mitarbeiter zu vertreten und sie vor Willkür zu schützen. Doch in einer zweiten Arbeitsbescheinigung wurde diese falsche Behauptung nicht korrigiert, sondern sogar noch verschärft: Außer dem unentschuldigten Fehlen wurde Herrn Athen nun zusätzlich vorgeworfen, dass sein Pausenverhalten und sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten nicht akzeptabel gewesen sei.
Das Pausenverhalten, soviel gibt Jochen Athen gerne zu, war oft Anlass zu Reibereien zwischen ihm und seiner Teamleitung. Wie wir schon in früheren Artikeln über Sykes Telekom berichtete haben, muss man zu Arbeitsbeginn die Pausenwünsche eintragen, muss aber damit rechnen, dass sie nicht erfüllt werden. Und wenn man dann die erste Pause erst nach drei Stunden oder später bekommen soll, dann geht man eben vorher eigenmächtig kurz raus, weil man so lange die Zwangshaltung vor dem Bildschirm und am Telefon nicht aushalten kann. „Das machen alle so“, sagt Jochen Athen, und das haben wir auch von anderen ehemaligen Beschäftigten so gehört. Wenn man den Arbeitsplatz nicht gerade dann verlässt, wenn eine Warteschleife in der Leitung angezeigt wird, entsteht daraus auch kein Schaden, und darauf hat Athen stets geachtet.
Natürlich kann er sich 12 Wochen ohne jedes Einkommen nicht leisten, und natürlich will er die falschen Behauptungen in der Arbeitsbescheinigung nicht auf sich sitzen lassen. Beim Arbeitsamt hat er deutlich gemacht, dass diese Angaben nicht stimmen, und das Arbeitsamt hat Ende März die Firma Sykes um eine Stellungnahme „zu den Ausführungen des Arbeitnehmers“ gebeten, und, als die nicht kam, am 5. Mai unter Androhung eines Bußgeldes von der Firma Sykes diese Stellungnahme binnen zwei Wochen gefordert.
Sykes ließ diese Frist verstreichen, ohne die geforderte Stellungnahme abzugeben. So hat das Arbeitsamt jetzt „im Zweifel für den Angeklagten“ entschieden. Jochen Athen bekommt das Arbeitslosengeld für die Sperrfrist nachgezahlt, was ihn für den Ärger der letzten Zeit wenigstens teilweise entschädigt.
Ob das Arbeitsamt das Bußgeld von Sykes tatsächlich eintreiben wird, bleibt abzuwarten.

Sorry, the comment form is closed at this time.

go Top