Ein Konzern – vielerlei Löhne
Bei Sykes tut sich was
(noa) „Die Arbeit ruft – rufen Sie zurück!„ So lange ist es noch nicht her, dass viele Menschen aus Wilhelmshaven und Umgebung dieser Aufforderung gefolgt sind. Im TCN fanden sie Arbeit und Brot beim Telekommunikationsunternehmen Sykes. Gottseidank? Na ja…
Sykes hat nicht nur ein Call-Center in Roffhausen, sondern gleiche Betriebe u.a .in Hamburg, Hannover, Parsewalk, Merseburg, München, Bochum. Die Löhne sind jedoch recht unterschiedlich. Bekommen Call-Center Agents bei Sykes in Hamburg 19,50 DM pro Stunde, müssen ihre KollegInnen im TCN sich mit 13,50 DM begnügen. Nur am Standort Parsewalk, an der polnischen Grenze gelegen, ist die Bezahlung noch schlechter als in Roffhausen. Die besseren Stundenlöhne in Hamburg sind dem Umstand zu verdanken, dass es dort seit ca. einem ¾ Jahr einen Betriebsrat gibt.
Aus gewerkschaftlicher Sicht sind die in Roffhausen und Parsewalk gezahlten Löhne ein Unding, und so besuchten VertreterInnen der Deutschen Postgewerkschaft am 13. März den Betrieb. Ganz dicht ran kamen sie nicht, denn die Betreibergesellschaft DIBAG untersagte eine Aktion direkt vor den Call-Centern. Bis zur Straße reicht das Hausrecht der DIBAG aber nicht, und so postierten die GewerkschafterInnen sich mit ihrem Infomobil vor Tor 1 und vor dem neuen Gebäude der Sykes.
Die Resonanz bei den Sykes-Beschäftigten fiel recht unterschiedlich aus. Einige mochten sich auf gar kein Gespräch einlassen, und unter denen, die mit den DPGlern sprachen, gab es tatsächlich drei, die von Anfang an dort arbeiten und rundum zufrieden sind. Erstaunt stellten die Gewerkschafter fest, dass die Sykes-Beschäftigten sich gar nicht unbedingt als KollegInnen eines Unternehmens sehen, sondern sich offenbar mehr über die Firmen definieren, die Sykes beauftragen und für deren Aufträge sie jeweils tätig sind. Viele nahmen die Informationsmaterialien und Aufnahmeanträge mit, und ein Mitarbeiter trat direkt vor Ort der Gewerkschaft bei. Kurz nach der Aktion wurde ja – wie vermutlich alle unsere LeserInnen mitbekommen haben – in Berlin die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft gegründet. Mit einem Mitglied im Betrieb hat ver.di das Recht, auch in den Betrieb zu gehen, und beim nächsten Besuch werden die GewerkschafterInnen nicht mehr draußen im Regen stehen und frieren, wie es am 13. März noch der Fall war.
Der nächste Schritt wird es sein, die Wahl eines Betriebsrates zu organisieren. Dass ein Betriebsrat dringend notwendig ist, dafür sprechen nicht nur die mageren Stundenlöhne am Standort Roffhausen. Auch die Arbeitszeitregelungen, speziell die Gesamtarbeitszeiten am Bildschirm, müssen überprüft werden. Seit Bestehen der Sykes-Filiale im TCN haben zahlreiche Beschäftigte ihren Arbeitsplatz dort schon nach sehr kurzer Zeit wieder aufgegeben, weil sie sich durch die Arbeitsbedingungen überfordert fühlten. Bei der hohen Arbeitslosigkeit in unserer Region bereitet das der Unternehmensführung keinen Druck, etwas zu verbessern oder zu erleichtern, denn Nachschub an Arbeitskräften gibt es jederzeit. Ein Betriebsrat wird da hilfreich sein.
Unterstützung wird der Betriebsrat im „ver.di-Projekt Call-Center Niedersachsen/Bremen“ finden. Die Vorgängerorganisationen von ver.di – die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV), die Industriegewerkschaft Medien (IG Medien), die Deutsche Postgewerkschaft (DPG), die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) und die Deutsche Angestelltengewerkschaft (DAG) – arbeiten in dieser Projektgruppe zusammen, um ihre Leitbilder unter dem Motto „Arbeit in Call-Centern human und produktiv gestalten“ zu verfolgen.
– Die Projektgruppe strebt eine Imageverbesserung der Call-Center-Branche an. Sie erklärt dazu: „Das Image von Call-Centern wird darüber bestimmt, wie die Beschäftigten der Branche ihre Arbeitsbedingungen beschreiben. Wir wollen helfen, dieses Erscheinungsbild zu verbessern, indem wir den Beschäftigten helfen, ihre Arbeitsbedingungen in ihrem Sinne zu gestalten. Dies geschieht vor allem auch dadurch, dass wir den Versuch unternehmen, die Rahmenbedingungen in der Call-Center-Branche anzugleichen.“
Wie notwendig das ist, zeigt sich in diesen Tagen bei Sykes in Hannover. 200 Arbeitskräfte (der komplette Auskunftsbereich) sollen dort entlassen werden; ihre Arbeit soll nach Parsewalk verlagert werden. Das Unternehmen will auf Kosten der Beschäftigten in Hannover eine Menge Geld sparen. Für den Fall, dass ein Sozialplan durchgesetzt werden sollte und die Ersparnis dadurch geschmälert würde, drohte Sykes zunächst kurzerhand mit der Entlassung aller 500 Beschäftigten. Jetzt hat das Unternehmen beim Arbeitsamt Hannover einen Antrag auf Massenentlassungen gestellt. – Auch der Standort Roffhausen lockt mit billigen und willigen Arbeitskräften – bis woanders noch billigere geboten sind.
– Die Projektgruppe will in allen Initiativen aktiv werden, die sich mit der Branche beschäftigen. Sie befindet sich im Gespräch mit nationalen und europäischen Politikern.
– Die Projektgruppe will Tarifverträge durchsetzen: „Unter Beachtung der individuellen Unterschiede und der hohen Flexibilität der Call-Center wollen wir wesentliche Arbeitsbedingungen in Tarifverträgen gestalten. Dadurch soll eine höhere Chancengleichheit im Markt erreicht und Konkurrenzkampf zu Lasten der Beschäftigten vermieden werden.“
Wie es mit und bei Sykes weitergeht, wird der Gegenwind berichten.
Kontakt: Deutsche Postgewerkschaft e.V. / ver.di
ver.di Projektgruppe Call Center Niedersachsen/Bremen
Hugo Waschkeit (Projektleiter Tel.:0511/911 9823, Fax: 0511/911 9898)
Kornelia Knieper (Tel. 0421/5959830, Handy: 0160/7420184, Fax: 0421/5959865)
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