Ein literarisches Denkmal für ein zerstörtes Baudenkmal
Öffentliche Buchvorstellung am Sonntag, 20.11.2016, um 11 Uhr 30 in der Kunsthalle Wilhelmshaven
(iz) Nach dem Abriss der Südzentrale im August 2015 stand eines fest: Aus dem kollektiven Gedächtnis darf und wird die Südzentrale, die für Geschichte, Identität und auch den jahrelangen Kampf um den Erhalt eines stadtbildprägenden Gebäudes steht, niemals verschwinden. Bereits der 2014 erschienene Film „Die Südzentrale“ hat Geschichte geschrieben. Jetzt hat der Verein zum Erhalt Wilhelmshavener Baukultur ein Buch nachgelegt.
Ein Jahr lang hat ein 5köpfiges Redaktionsteam daran gearbeitet, Geschichte und Gebäude des Industriedenkmals in Wort und Bild aufzuarbeiten. Zunächst galt es, aus tausenden Fotos zahlreicher Unterstützer eine repräsentative Auswahl zu treffen, die Schönheit und Geschichte des Südzentrale widerspiegelt, aber auch von der persönlichen Beziehung der Fotografen zum Gebäude erzählt.
Die Textbeiträge berichten vom einstigen Glanz, der zentralen Bedeutung in der Stadtgeschichte, von Planungen und Hoffnungen und Kämpfen für einen Erhalt durch neue Nutzung nach Stilllegung des Kraftwerksbetriebs. Und natürlich von Corinna Nickel, die über viele Jahre diesen Kampf nie aufgegeben hat. Abgerundet durch die besondere Buchgestaltung, wurde dem Industriedenkmal Südzentrale gewissermaßen ein literarisches Denkmal gesetzt.
Für die Vorab-Präsentation für Medienvertreter hatte der Vereinsvorstand die Brücke der „Mölders“am Marinemuseum gewählt, mit Blick auf die Ruine der Südzentrale. Für den Vereinsvorsitzenden Ralph Ehlers (auf dem Foto rechts) war es „ein sehr emotionaler Moment“, das frisch gedruckte Buch in den Händen zu halten. Er ist selbst früher auf Marineschiffen gefahren und hatte vor Augen, wie über Jahrzehnte Schiffe bei der Einfahrt nach Wilhelmshaven die Südzentrale passiert haben und von diesem wunderschönen Gebäude begrüßt wurden. In einer Medienkampagne („Schön, aber ein Stück Heimat fehlt“) wirbt die Deutsche Stiftung Denkmalschutz für Unterstützung beim Erhalt historischer Gebäude: „Was wären unsere Städte und Dörfer ohne historische Gebäude? Ohne Bauwerke, die Geschichten erzählen, die typischen Eigenheiten einer Region verkörpern, oder Wahrzeichen eines Ortes sind? Historische Bauwerke machen unsere Städte und Dörfer einmalig und unverwechselbar. Deshalb setzt sich die Deutsche Stiftung Denkmalschutz für den Erhalt einzigartiger Denkmale ein.“ In den Kampagnenpostern wurden ortsbildprägende Gebäude plakativ entfernt – an dieser Stelle ist es bittere Realität, auch ein deutlicher Brief der Stiftung an Oberbürgermeister Wagner konnte den Abriss der Südzentrale nicht verhindern.
Udo Bendowski
Hunderte von Stunden hat Ehlers mit seinen Vereinskollegen Rüdiger Nietiedt (Foto: 3.v.r.) und Imke Zwoch (links) ehrenamtlich in das Buch investiert. Professionelle Unterstützung gab es vom Journalisten Jürgen Westerhoff (3.v.l.) und dem Grafikdesigner Christoph Engeroff (2.v.r.; mit auf dem Bild der Architekt und stellvertretende Vereinsvorsitzende Heinz Albers, 2.v.l.). Neben der Recherche und redaktionellen Arbeit für Texte und Bilder war es der Redaktion sehr wichtig, die Form des Buches auf den Inhalt abzustimmen: das Format, der Einband mit dem Original-Schriftzug der Giebelseite, der in Handarbeit für den Druck übertragen werden musste, die vorwiegend schwarz-weiße Optik.
Wichtig war es dem Verein, dass der hochwertige Bildband für alle Interessierten erschwinglich ist. Dies wurde durch finanzielle Förderung der Oldenburgischen Landschaft ermöglicht.
„Die Kaiser-Wilhelm-Brücke ist als Denkmal von nationalem Rang eingestuft. Mehr als 100 Jahre bildete sie ein bauliches Ensemble mit der Südzentrale. Seit über einem Jahr liegt neben der KW-Brücke der ‚Ground Zero des Denkmalschutzes'“, so Ehlers. In den fast 25 Jahren zwischen Stillegung und Abriss haben die Verantwortlichen in Rat und Verwaltung sich nicht mit Ruhm bekleckert. Das Buch hebt jedoch nicht darauf ab, all die Fehlentscheidungen und Versäumnisse anzuklagen. Es spricht die LeserInnen direkt an, sich mit der Südzentrale auseinanderzusetzen, und wird die meisten vermutlich nachdenklich und betroffen stimmen. Ehlers: „Wir wollen, dass nicht einfach Gras über die Sache wächst.“
Am Sonntag, den 20. November 2016 um 11:30 Uhr wird das Buch in der Kunsthalle Wilhelmshaven vorgestellt. Eingeladen sind die Vereinsmitglieder sowie alle Interessierten. Im Rahmen der Veranstaltung wird das Buch zum Subskriptionspreis von 20,- € angeboten.
(Fotos: Imke Zwoch)
All die Jahre krähten immer wieder einige Unverbesserliche, man möge „diesen Schandfleck, diese Ruine“ endlich abreißen. Da stand sie noch in fast voller Pracht und wartete auf ihre Sanierung. Jetzt ist sie weg, die Südzentrale, schon seit über einem Jahr, und nun ist das, was davon übrig ist, wirklich ein Schandfleck und eine Ruine. Wir haben zwischenzeitlich mal bei der Stadt nachgefragt, was damit passieren soll. Genauer betrachtet wurden ja nur die oberirdischen Teile abgerissen. Die dicken Fundamente stehen immer noch da, eingerahmt von einem Haufen Schutt. Die Antwort: Da müssten wir schon bei den Eigentümern nachfragen.
Im Sommer 2015 konnte es den Eigentümern und der Stadt nicht schnell genug gehen, Tatsachen zu schaffen. Da arbeiteten sie Hand in Hand, um Abrisshindernisse schnell vom Tisch zu kriegen. Man hatte den Eindruck, die hätten da ein ganz großes Ding in der Schublade, eine sensationelle Planung für die neue Bebauung, die den Verein zum Erhalt der Südzentrale und die BürgerInnen sprachlos machen würde. Und jetzt? Schweigen im Walde, Sprachlosigkeit im Rathaus.
Zeitgleich, im Jahr des Abrisses, wurde ein Förderprogramm zur Sanierung der östlichen Südstadt auf den Weg gebracht. Der Stadtbaurat erklärte, warum die Südzentrale NICHT ins Plangebiet aufgenommen werden sollte. Bei der Vorstellung des fertigen Plans, nach dem Abriss, erfuhr man staunend, dass das Grundstück nun doch im Plangebiet ist. Und wieder wartet man auf den ganz großen Wurf, der aus dem Hut gezaubert wird, um die Vernichtung eines stadtbildprägenden Baudenkmals zu rechtfertigen.
Die Eigentümer fragen? Die Stadt hat immer noch die Planungshoheit. Die hat sie nie genutzt, um ihrer Verpflichtung als Denkmalbehörde nachzukommen, stattdessen wurde den Eigentümern, einer undurchsichtigen Immobiliengesellschaft aus Westfalen, um den Bart gestrichen.
Das alte Lied: Wer mit einem großen Schild „Investor!“ das Rathaus betritt, kriegt einen roten Teppich ausgerollt und beim Stichwort „Arbeitsplätze“ wird das kritische Denken ausgeschaltet. Eine Pizzafabrik im „JadeWeserPark“ mit 400 angekündigten Arbeitsplätzen. Eine Firma für Offshore-Windkraftanlagen am Hannoverkai. Dafür starben zwei historische Bunker und eine Menge Bäume und eine Straße wurde verlegt. Luxusbebauung auf dem Gelände des „Banter See-Parks“. Dafür starb noch ein Bunker. Ein Outlet gegenüber der Nordseepassage. Ein Gewerbepark in Langewerth, dafür wurde Grünland versiegelt, der Stadtrand zerstört. Eine Altenwohnanlage in der Allerstraße. Dafür starb ein Schulgebäude von 1885. So schnell wie sie kommen, sind die „Investoren“ wieder verschwunden, hochtrabende Versprechungen entpuppen sich als Seifenblase, zurück bleibt eine Spur der Verwüstung. Schmerzliche Wunden im Stadt- und Landschaftsbild, verbrannte Steuergelder, verbrannte Arbeitszeit in der Verwaltung, enttäuschte BürgerInnen, zynische Reaktionen. Wie oft will die Politik sich noch veräppeln lassen?
Mit dem Buch „Südzentrale.“ ist ein Kapitel verfehlter Stadtplanung abgeschlossen. Aber es wird nicht das letzte Kapitel bleiben.
Imke Zwoch
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