Südzentrale
Aug 052015
 

Der Südzentrale das Gesicht genommen

Südzentrale, zerstörte Hauptfassade

Ein einmaliges Industriedenkmal ist für immer verloren. Foto: Imke Zwoch

(iz) Heute Nachmittag hat ein Abrissbagger die charakteristische Fassade der Südzentrale zerstört. Technisch ergibt diese Vorgehensweise für den geplanten Gesamtabriss keinen Sinn. Hier ging es wohl eher um Symbolik.

Bis zuletzt hatte der Verein zum Erhalt der Südzentrale auf allen Ebenen für den Erhalt gekämpft. Bei der Stadt lief man gegen die Wand, also wurden Gespräche mit Landes- und auch Bundestagsabgeordneten geführt sowie mit den zuständigen Fachministerien des Landes Niedersachsen. So gab es konkrete Überlegungen, in der Südzentrale das Trilaterale Weltnaturerbe Wattenmeer Kompetenzzentrum zu installieren, das auf Beschluss der zurückliegenden Wattenmeer-Ministerkonferenz eingerichtet werden soll. Damit hätte man sehr solide Ankermieter und weitere Fördertöpfe gehabt, um die Kosten für Sanierung, Um- und Ausbau des historischen Gebäudekomplexes zu decken.

Eine Bankrott-Erklärung der Politik in Wilhelmshaven …

… schrieb ein Unterstützer des Vereins, als das Drama heute bekannt wurde. Eigentümer und Stadtverwaltung und -politik sind bis heute die Antwort schuldig, was denn nach dem Abriss auf dem geräumten Gelände Tolles entstehen bzw. passieren soll. Wer sich so eine Chance entgehen lässt wie das Kompetenzzentrum (oder andere vom Verein in Zusammenarbeit mit einem Fachbüro erarbeitete Nutzungs- und Finanzierungsmöglichkeiten), der muss ja wirklich ein Knallerprojekt in der Schublade haben.

Die Abrissgenehmigung nach Denkmalsschutzgesetz lag den Eigentümern schon lange vor. Unter der Hand sickerte durch, dass seit einiger Zeit auch der dazu gehörige Abrissplan bei der Stadt vorlag. Im Winter kamen dann die Fledermäuse in die Quere: Drei verschiedene streng geschützte Arten wurden dort im Winterschlaf entdeckt. Nicht nur diese Tierarten, auch ihre Quartiere sind streng geschützt. Die Eigentümer ließen sich Zeit mit dem erforderlichen Gutachten, das darlegen muss, ob und wie sich denn Ersatzquartiere schaffen lassen.

Durch die Fenster der Westfassade blickt man jetzt ins Leere. Foto: Imke Zwoch

Durch die Fenster der Westfassade blickt man jetzt ins Leere. Foto: Imke Zwoch

In die Quere kam auch ein statisches Gutachten, das der Südzentrale außerordentliche Standfestigkeit bescheinigte. Die Eigentümer hatten sich seit letztem Sommer ordentlich Mühe gegeben, die Standfestigkeit und damit Verkehrssicherheit zu beeinträchtigen, indem sie an verschiedenen Ecken einen Teilabriss von Nebengebäuden vornahmen. Da wackelte natürlich an vielen Stellen das Mauerwerk, aber die Grundsubstanz in Form des Stahlfachwerks konnte das nicht erschüttern, so das Ergebnis des im November präsentierten Gutachtens.

Damit war eigentlich auch die Abrissgenehmigung hinfällig, denn die gilt nur, wenn der Erhalt eines Denkmals dem Eigentümer wirtschaftlich nicht zuzumuten ist. Zudem lag auch ein vom Verein finanziertes Gutachten eines unabhängigen Fachbüros vor, das verschiedene Wege einer wirtschaftlich tragbaren Nutzung aufzeigte. All das wurde von der Stadt als zuständige Untere Denkmalbehörde ausgesessen.

Kurzfristig hieß es nun, die Verkehrssicherheit sei nicht mehr gegeben und das sei ein höheres Gut als der Naturschutz. Heute Morgen gab es grünes Licht von der Stadt, und ruckzuck war die Abrissbirne da.

Direkt neben der Südzentrale war bereits 1904 die „Kaiser-Wilhelm-Brücke“ errichtet worden … Südzentrale und Brücke haben in ihrer symbolischen Bedeutung, die ihresgleichen sucht, geradezu das Zeug zum Weltkulturerbe. Nur der Reichstag in Berlin steht ähnlich symbolisch für die deutsche Geschichte.

Nils Aschenbeck, Fachjournalist für Architektur und Denkmalschutz, ausgezeichnet mit dem Deutschen Preis für Denkmalschutz (Journalistenpreis)

 

 

 

 

 

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