Südzentrale
Okt 072004
 

Endspurt

Wer gewinnt den Wettlauf um die Südzentrale?

(iz) Während denkmalfachliche Bemühungen zum Erhalt des ehemaligen Marinekraftwerks „Südzentrale“ aktuell sehr konkrete Formen annehmen und Anwohner juristische Wege beschreiten, um das Gebäude vorm Abbruch zu retten, lassen Politik und Hafenwirtschaft die Muskeln spielen.

 Als am Abend des 10. September, einem Freitag, im Schutz der Dunkelheit schweres Abbruchgerät nebst Arbeitstrupp auf das Gelände der Südzentrale rollte, fürchteten Denkmalschützer das Schlimmste, liegt doch seit einem Jahr die Abbruchgenehmigung der Stadt vor. Doch vorerst fielen „nur“ kleinere Nebengebäude der behördlich abgesegneten Zerstörungswut zum Opfer: der ehemalige Lokschuppen und ein Werkstattgebäude.
Dabei ist die Rechtslage noch gar nicht geklärt, denn ein Anwohner hatte Klage gegen die Abrissgenehmigung eingelegt. So wurden Polizei und Bauordnungsamt eingeschaltet, die den Abbruch der Nebengebäude aus Sicherheitsgründen für rechtens erklärten.
Erst eine Woche zuvor hatte sich der Bund Deutscher Architekten (BDA) der Frage gewidmet, ob und wie die Sicherung der Südzentrale und die hafenwirtschaftliche Nutzung in Einklang zu bringen sind. Die Stadt hatte die Abbruchgenehmigung damit begründet, dass der Erhalt wirtschaftlich nicht zumutbar sei. Das wollten die Bau- und Denkmalfachleute überprüfen. Organisiert wurde der dreitägige Workshop vom „Forum Wilhelmshaven: Erhaltet die Südzentrale“ und der Bezirksgruppe Oldenburg des BDA. Drei Arbeitsgruppen aus je drei Architekten und zwei Architekturstudenten aus Berlin, Halle, Hildesheim, Braunschweig, Bremen, Delmenhorst, Oldenburg und Wilhelmshaven entwarfen Szenarien, wie das historische Ensemble in eine hafenwirtschaftliche Nutzung einbezogen werden könnte.

Abriss schlechteste Lösung

Für die Sicherung des Baus, so ermittelten die Fachleute, wären zunächst 700.000 Euro erforderlich, weitere 300.000 für die Verkehrssicherung, die eine Zwischennutzung ermöglicht. Diese Investition von 1 Mio Euro entspricht im Ergebnis einem Neubauwert von 4 Mio Euro, also einer Ersparnis von 3 Mio Euro. Maximal 10 Mio Euro würde es kosten, eine hafenwirtschaftliche Nutzung um, in und mit der Südzentrale zu realisieren. Die Szenarien sind mit dem Leiter des Bauordnungsamtes, Herrn Witt, abgestimmt, so Corinna Janßen vom „Forum“. Der Abbruch würde etwa 900.000 Euro kosten, also nur 100.000 Euro weniger als die Herrichtung für die Neunutzung. Danach wären weitere 7 Mio Euro für 15 Jahre Nutzung erforderlich Unterm Strich halten die Telnehmer des Workshops den Abriss aus denkmalpflegerischen, städtebaulichen und wirtschaftlichen Gründen für nicht vertretbar.

Südszentrale

Wie kein anderes Gebäude verkörpert die Südzentrale die Zeit Wilhelm II:

Preußisches Machtgehabe und gleichzeitig Aufbruch in die Moderne. Fast 100 Jahre später wollen Architekten und Denkmalexperten Tradition und Innovation in friedlicher Nutzung neu verbinden.


Die „Wirtschaftsförderung in Wilhelmshaven GmbH“ (WFG) will von den konstruktiven Vorschlägen – Hafenwirtschaft MIT Denkmalsschutz – nichts hören. Geschäftsführer Wolfgang Frank sieht keine Chance, einen Investor für dieses Lösung zu finden. Er wartete mit der sattsam bekannten Aussage auf, man habe 10 Jahre lang erfolglos versucht, eine wirtschaftliche Lösung zum Erhalt des Industriedenkmals zu finden. Richtig ist: Verschiedene Vorschläge verschiedener Eigentümer wurden von der Stadt nicht unterstützt, so dass schließlich auch der jetzige Eigner aus dem Osnabrücker Land die Lust verlor, weiterhin totes Kapital an der Nordsee zu verwalten. Städtische Unterstützung findet hingegen ein hiesiger Lebensmittelfroster, der das dann geräumte Gelände mit Lagerhallen bestücken will.
Unterdessen hatte Bolko Seifert, Nachbar der Südzentrale, einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Oldenburg eingelegt, um zu verhindern, dass durch einen Abriss Fakten geschaffen werden, während seine Klage gegen den Abriss noch läuft. Der Rechtsanwalt und Notar kann nicht nachvollziehen, dass hier ein bedeutendes städtebauliches Ensemble zerstört werden soll, „die Keimzelle der Stadt Wilhelmshaven“, während er und seine Familie bei Bauvorhaben im Umfeld strenge Auflagen des Denkmalschutzes erhalten haben. Zudem schützt der Gebäudekomplex der Südzentrale (und das umgebende Grün – red.) die Anwohner vor Lärm und Staub, den die Umschlaganlagen am Kai verursachen. Zwischenzeitlich wurde der Eilantrag vom Gericht zurückgewiesen.

Sachlichkeit statt Emotionen

In der jüngeren Vergangenheit hatten Wirtschaftsvertreter dem Forum Wilhelmshaven, namentlich Frau Janssen, vorgeworfen, rein emotional mit dem Thema umzugehen. Dabei wurden die Wirtschaftleute selbst polemisch und rutschten in ihrer Argumentation schon mal unter die Gürtellinie. Die sachliche und demokratisch legitimierte (und zudem konstruktive) Kritik des Forums an den Abrissbestrebungen richtet sich nach Empfinden des WFG-Aufsichtrates „versteckt oder offen gegen die Stadt und die Hafenwirtschaft“ und drohe „das Image der Stadt und ihrer Wirtschaft überregional zu beeinträchtigen.“ (aus WFG-Pressemitteilung vom 18.5.04) Frau Janßen wird quasi als kleines Mädchen abgekanzelt, das zwangsläufig nur emotional agieren könne. „Es ist natürlich und verständlich, wenn jemand wie Corinna Janßen sich in den Gegenstand seiner Diplomarbeit romantisch verliebt“, lästert WFG-Aufsichtsrat-Mitglied Lutz Bauermeister. Wer ist denn „jemand wie Corinna Janßen“? Nicht ernst zu nehmen von alten Männern, weil sie jung, hübsch, blond und eine Frau ist? Nicht mal aus der Politik ein Aufschrei gegen solch menschenverachtende Äußerungen. Kein Wunder, dass viele junge Leute keinen Bock mehr auf Wilhelmshaven haben.
Die Denkmalschützer lassen sich jedoch von menschlicher, politischer und juristischer Härte nicht beirren. Sie agieren weiter auf hohem fachlichem wie menschlichemNiveau. „Wir wünschen uns einen fachlichen Austausch mit den Entscheidungsträgern, wie immer das Ergebnis anschließend aussieht“ so die Wilhelmshavener Architekten Hannes Griesemann und André Winter. Am 9. Oktober werden die Ergebnisse des Architektenworkshops der Öffentlichkeit präsentiert. Zuvor findet ein Fachkolloquium statt, das Prof. Thumm (Hildesheim) moderiert. So lange will der Eigentümer die Südzentrale noch stehen lassen – wenn das Bauordnungsamt die Verantwortung für das schlecht abgesicherte Gelände übernimmt.
„Wir meinen, dass wir mit unseren Arbeiten zeigen, dass eine Revitalisierung des historischen Areals ‚Südzentrale‘ große Chancen für eine zukünftige und nachhaltige hafenwirtschaftliche Entwicklung bietet“, erklären Janßen und Griesemann. „Diese Potenziale sollten jedoch einmal gehört werden, um sich dann für oder gegen die ‚Südzentrale‘ zu entscheiden.“

Öffentliche Präsentation und Diskussion der Ergebnisse des BDA-Architektenworkshops „Kraftwerk Südzentrale Wilhelmshaven“ mit Ausstellung am
Samstag, 9. Oktober 2004, um 14 Uhr im Wattenmeerhaus, Südstrand 110 b.

 

Fragen Sie Dr. Sommer
Am „Tag des Offenen Denkmals“ (12.9.2004) wurde der Denkmal- und Architekturexperte und frühere Leiter des Hochbauamtes, Dr. Ingo Sommer, mit der Landschaftsmedaille der Oldenburgischen Landschaft ausgezeichnet, wo er Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft Baudenkmalpflege ist. Die „WZ“ (13.9.) berichtete: „Sommer … mahnte die Verantwortlichen der Stadt, das architektonische Erbe zu bewahren. Wie schön könnte Wilhelmshaven heute noch aussehen, wäre in der Vergangenheit nicht so viel gesündigt worden, meinte der Geehrte. Ob Pumpwerk, Südstrand, Wasserturm oder die Sprossenfenster in Siebethsburg – was den Menschen heute lieb sei, habe nur mit Kämpfen erhalten werden können.“
Dem ist nichts hinzuzufügen. Aus berufenem Munde kommt die Ermunterung an die Aktiven des Forums zum Erhalt der Südzentrale, weiterzumachen – auch wenn sich Sommers Appell eigentlich an deren Widersacher richtet. Dort wird er erfahrungsgemäß abprallen, aber gewissermaßen als Querschläger neue Energie bei denen entfachen, die Gesicht und Geschichte der Stadt bewahren wollen.
Schade nur, dass Dr. Sommer Wilhelmshaven verlässt. Wir wünschen ihm in seiner neuen Heimat einen schönen Unruhestand und denen, die sein Erbe bewahren, den Leuten vom „Forum“ und ihren fachkundigen Beratern und Unterstützern, weiterhin viel Energie. Was immer mit der Südzentrale passieren wird: Ihr Engagement wird nicht umsonst gewesen sein und einen bleibenden Platz in der Wilhelmshavener Geschichte behalten.

Imke Zwoch

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