Das waren noch Zeiten
Ein Pressefoto und die Realität
(red) 3133 Unterschriften zum Erhalt der Südzentrale wurden dem Rat der Stadt am 23.11.2011 übergeben. Zum Auftakt der konstituierenden Sitzung des damals frisch gewählten Rates nahmen OB Andreas Wagner und die Ratsvorsitzende Ursula Glaser die dicke Mappe vom Vorstand des Vereins zum Erhalt der Südzentrale e. V. entgegen, „in offener, freundlicher, ja würdevoller Atmosphäre“, so der Eindruck, den wir in unserem damaligen Bericht schilderten. „Wagner bat den Vereinsvorsitzenden Rüdiger Nietiedt und seine Mitstreiter nach vorn ins Zentrum des Saales und der Aufmerksamkeit. Nietiedt durfte selbst ein paar erläuternde Worte sprechen und bedankte sich für die große Unterstützung sowohl in der Bürgerschaft als auch in der Politik. Wagner wiederum bedankte sich beim Verein für das großartige ehrenamtliche Engagement, Beifall aus dem Saal.“
Was ist davon geblieben?
Eine ansehnliche Zahl von Ratsmitgliedern trat dem Verein bei, viele unterstützen nach wie vor dessen Ziele, aber ein konkreter Ratsbeschluss steht bis heute aus. Von dem Gedanken, dass die Stadt sich auch nur ein kleines bisschen finanziell beteiligt, hat der Verein sich längst verabschiedet. Die Finanzierung würde er auch so auf die Beine stellen, aber die Stadt müsste schon den Weg für den Erhalt des Baudenkmals ebnen, alle rechtlichen und organisatorischen Möglichkeiten, die ihr durchaus zur Verfügung stehen, dafür einsetzen.
Geblieben sind die über 3000 Unterschriften. Es wären noch mehr geworden, aber der Verein hatte sich entschieden, die seit dem Spätsommer laufende Sammlung mit der Übergabe zu beenden.
Gekommen sind an die 450 Vereinsmitglieder. Gekommen sind 2000 Menschen, die den Film „Die Südzentrale“ im Kino geschaut haben. Gekommen sind Hunderte zu Demonstrationen vor Ort.
Gekommen sind über 1200 Menschen, die auf Facebook das Schicksal der Südzentrale verfolgen und diskutieren. Nicht 100% davon sind ihre Freunde, immer mal wieder fordern Einzelne „Weg mit dem Schandfleck“, bleiben allerdings die Antwort schuldig, was denn alternativ an diesem exponierten Standort entstehen soll. Mit ihrer Einschätzung, für den Erhalt seien nur wenige komplett bescheuerte Träumer (die Formulierungen sind oft deutlich unschöner), liegen sie falsch.
Immer wieder hört der Verein „Ihr müsst“, „Ihr hättet“. Von chronischen Nörglern, von bestimmten Vertretern der Stadt. Ein Verein muss gar nichts, ein Verein ist ein freiwilliger Zusammenschluss von Menschen, die ein gemeinsames Interesse verfolgen. In diesem Fall kein privates, sondern ein gemeinnütziges. Denkmalschutz ist ein öffentliches, gesetzlich fundiertes Interesse, und deshalb ist der Verein als gemeinnützig anerkannt.
Müssen gemusst hätte die Stadtverwaltung, die durch das Niedersächsische Denkmalschutzgesetz dazu verpflichtet ist. Und sie hätte auch die Eigentümer in die Pflicht nehmen müssen, statt zuzuschauen, wie der Zahn der Zeit, Witterung und Vandalismus so lange an dem Gemäuer nagten, bis die Eigentümer geltend machen konnten, der Erhalt sei wirtschaftlich nicht zumutbar – Begründung für die bestehende Abrissgenehmigung. Einsturzgefährdet ist der Gebäudekomplex deshalb noch lange nicht, wie erst kürzlich durch eine aufwändige Untersuchung der Statik mit modernsten Methoden bestätigt wurde.
In der ungeklärten Gemengelage zwischen Stadt, Eigentümern und Verein haben die Eigentümer in den letzten Monaten damit begonnen, überall am Gebäude zu knabbern. Der ewig löcherige Zaun ermunterte Kinder, im Gebäude herumzuklettern, was zum Anlass genommen wurde, das Dach des Bürogebäudes einzureißen. Dabei ging auch der äußere Treppenaufgang flöten. Auch Erwachsene, oftmals Fotograf/innen aus nah und fern, nutzten weiterhin die Schlupflöcher und berichteten, dass einerseits innen nahezu „besenrein“ aufgeräumt wurde, andererseits auch Bauteile wie die Türzargen entfernt und durch den Dachabriss die Art-Deco-Geländer im Treppenhaus zerstört wurden.
Im November und Dezember ging es dann substantiell zur Sache: Erst wurde mit einem kleineren Bagger das Magazin-Gebäude am „Scharnier“ zwischen Maschinenhalle und Kesselhaus abgerissen. Dann ging es mit einem zweiten, größeren Bagger weiter am Schleppdach-Anbau des Kesselhauses auf der Nordseite und dem Schalterhaus an der Südseite. Über Nacht verschwand dort ein Generator, dessen Entsorgung aufgrund des PCB-Gehaltes lückenlos dokumentiert werden müsste.
Mit Magazin, Kesselhausanbau und Schalterhaus wurden Gebäudeteile zerstört, die ästhetisch wie statisch den Kern des Denkmals berühren. Welches Konzept dahinter steckt, sie zu vernichten, oder ob die Eigentümer überhaupt ein Konzept haben, bleibt im Dunkeln. „Erpressung“, wird in den öffentlichen Diskussionsforen gemutmaßt, „Salamitaktik“, um den Verein zu zermürben und zu zwingen, quasi in letzter Minute die Südzentrale freizukaufen. Wie hoch der Preis ist, wird allerdings nicht verraten. 750.000 Euro hat der Vereinsvorsitzende Rüdiger Nietiedt vor einigen Wochen geboten. Ein sehr freundliches Angebot. Laut Bodenrichtwertkarte der Stadt liegt der Grundstückswert bei etwa 300.000 Euro, das Gebäude selbst hat allenfalls einen Liebhaberpreis. Der ist in diesem Fall aber begrenzt, denn wir reden nicht von einem Denkmal, das vom Eigentümer liebevoll (und rechtskonform) in Schuss gehalten wurde, sondern systematisch runtergerockt. 750.000 Euro sind den Eigentümern zu wenig. Sie wollen mehr, vernichten aber parallel zu den Verhandlungen systematisch den Gegenwert. Das soll verstehen, wer will, zumal sie durch Abriss und Entsorgung erstmal Geld verlieren.
Dabei hatten Eigentümer, Verein und OB Anfang Dezember wieder gemeinsam an einem Tisch gesessen zu einem Gespräch, das als „konstruktiv“ eingeschätzt wurde. Preislich konnte man sich nicht einigen – der Verein erhöhte beherzt auf 800.000 Euro, die Eigner träumen von 1,2 Mio. Aber am Ende des Treffens stand der Gedanke, dass die Eigentümer ihr ungeliebtes Schätzchen doch nicht abreißen, sondern mit Hilfe des Vereins in eine lukrative Zukunft führen. Optimistisch ging man ins Wochende. Am Montag legten die Bagger los.
Eine dreiviertel Million, dazu ein Nutzungskonzept, das der Verein bezahlt und im Sommer dem Rat präsentiert hat: Damit ist eine wirtschaftliche Verwertung gegeben, die Abrissgenehmigung hätte aufgehoben werden müssen. Wiederholt forderte der Verein die Denkmalbehörde auf – die Stadt in eigener Zuständigkeit -, das rechtlich zu prüfen und zumindest bis zum Abschluss der Prüfung die Abrissgenehmigung auszusetzen. Die Stadt blieb untätig.
Der Verein muss gar nichts, aber er gibt nicht auf. Die Vielzahl der Unterstützer/innen trägt sicher dazu bei. Die Situation wird immer bedrohlicher, aber das positive Feedback reißt nicht ab.Im Oktober fand eine legendäre Vereinsversammlung in der Garnisonkirche statt, im Gemeindehaus hätten die etwa 140 Teilnehmer keinen Platz gefunden. Bis auf ein, zwei hoben alle die Hände, als Nietiedt die Frage stellte, wer sich an einer Bürgergenossenschaft zur Finanzierung des Kaufpreises beteiligen würde.
Der Vorstand musste sich vieles gefallen lassen, seitens der Stadt, des OB, der Denkmalbehörde, der Eigentümer, aber er bleibt konsequent sachlich und höflich. Vielleicht muss er einfach mal auf den Tisch hauen.
Das waren noch Zeiten, im Kommunalwahlkampf 2011, als alle Kandidaten für das Amt des Oberbürgermeisters, einschließlich des jetzt amtierenden, sich für den Erhalt der Südzentrale begeisterten. Bis hin zu jener legendären Übergabe von 3133 Unterschriften im Ratssaal.
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