Butter bei die Fische
Das Forum Wilhelmshaven legt realistische Berechnungen zum Erhalt der Südzentrale vor – Jetzt heißt es nur noch zugreifen
(iz) Seit über einem Jahr ist es ziemlich still geworden um die Südzentrale. Noch immer thront das Gebäude majestätisch-morbide im maritimen Herzen Wilhelmshavens. Noch immer wurde es nicht saniert, aber zumindest auch nicht abgerissen. Im Hintergrund ist aber immer noch einiges in Bewegung. Nicht auf der Abriss-, sondern auf der Sanierungsseite.
In Fleißarbeit hat das „Forum Wilhelmshaven“, das sich seit mehreren Jahren für den Erhalt des einmaligen Bauwerks einsetzt, die wesentlichen Informationen zusammengetragen, die für konkrete Sanierungsmaßnahmen erforderlich sind. Anfang Januar stellten André Winter, Corinna Janssen, Hannes Griesemann und Bettina Brosowsky den ansprechend gestalteten Katalog vor. Kernstück sind die verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten, die auf einem BDA-Workshop (Bund deutscher Architekten) 2004 erarbeitet wurden. „Die Argumente waren ausgetauscht – da musste der Zeichenstift her“ erinnert sich Winter.
Von besonderem Interesse für potenzielle Investoren sind jedoch die nackten, aber keinesfalls abschreckenden Zahlen: Mit welchen Investitionssummen muss ich rechnen? Der Katalog zeigt auf, dass sich der Erhalt des Baudenkmals und eine hafenwirtschaftliche Nutzung des Geländes nicht ausschließen, sondern harmonisch vereinbaren und durch Ausschöpfen von Fördermitteln ohne große Verrenkungen finanzieren lassen. Die Kosten für die Sanierung des Industriedenkmals könnten über 12 Jahre zu 100% abgeschrieben werden (8 Jahre zu je 9% und 4 Jahre zu je 7%). Rechnet man Förderbeiträge aus der Stiftung Denkmalschutz und EU-Mitteln hinzu, hätten sich die Investitionen mehr als amortisiert.
Das Forum hat also, unterstützt durch interessierte ArchitektInnen aus der ganzen Bundesrepublik, wesentliche Vorarbeiten geleistet. Ihre Forderung, die Südzentrale zu erhalten, ist keine Träumerei von Idealisten, sondern eine handfeste, realistische und zukunftsweisende Planung. „Ihr müsst uns Zahlen, Fakten und einen Investor liefern“ beschreibt Janssen die Gegenforderung der Stadt. Den wesentlichen Teil der Hausaufgaben hat das Forum erledigt. Nur eines kann und will es nicht leisten: Mit dem Katalog unterm Arm Investoren abklappern. Das muss schon ganz offiziell die Stadt bzw. eine von ihr beauftragte Institution in die Hand nehmen.
Doch selbst wenn die Stadt dieses Geschenk engagierter, fachkompetenter BürgerInnen und des BDA nicht annimmt – was kaum vorstellbar wäre -, so kommt dem Katalog eine weitere Bedeutung zu: Die vor über 2 Jahren erteilte Abrissgenehmigung ist mittlerweile ausgelaufen. Bei einem Neuantrag müsste die Denkmalbehörde neue Erkenntnisse berücksichtigen. Damals wurde der Abriss genehmigt mit dem Argument, der Erhalt sei wirtschaftlich nicht zumutbar. Das wird in der Broschüre klar widerlegt. Das BDA-Konzept ist übrigens auch in den Hafenentwicklungsplan vom November 2004 eingeflossen.
Was historische Baussubstanz betrifft, hat zumindest in den Köpfen der heimatverbundenen Bürgerschaft das Denken die Richtung gewechselt. Als unlängst das Seezeichen an der ehem. 3. Einfahrt über Nacht Beine bekam und sich anderntags in Dangast niederließ, ging ein Aufschrei durch die Stadt. So laut, dass in Rekordzeit alles veranlasst wurde, um es als Replik am angestammten Standort wieder auferstehen zu lassen. „Hätten wir davon gewusst, ich hätte alles getan, damit das Seezeichen hier bleibt“ bedauert Griesemann den Schnellschuss. An diesem Beispiel verdeutlichte das Forum, dass alte Bauwerke nicht nur einen emotional-denkmalpflegerischen Wert besitzen, sondern ihr Erhalt deutlich günstiger ist als die Neuerstellung vergleichbarer Bausubstanz. Für ein paar Euro Schrottwert ging das Seezeichen an den neuen Eigentümer – sein künstlicher Zwilling wird mehrere tausend Euro kosten.
In der Nachbargemeinde Sande gibt es seit einigen Wochen Gerangel um den Erhalt eines historischen Gebäudes am Ortseingang. Ein Handwerksbetrieb wollte es kaufen und sanieren, wurde jedoch von der Gemeinde überboten, die es abreißen will. Was sie auch mit Fotos aus einem allerdings maroden Nebengebäude rechtfertigen will. Nun mag es auf beiden Seiten Hinter- und Beweggründe geben, die nicht an die Öffentlichkeit dringen. Aber eins ist klar: Ein Dachdeckermeister hat nichts zu verschenken und wird eine Immobilie sorgfältig prüfen, ehe er sein Geld darin versenkt.
Bemühungen, einmal vernichtete Bausubstanz wieder herzustellen, können extreme Züge annehmen. Brosowsky erinnerte an das Braunschweiger Schloss, das 1960 abgerissen wurde und nun komplett wieder aufgebaut wird! „Da haben die Monarchisten Lobbyarbeit geleistet, um ein Trauma wieder wegzubügeln“ lautet ihre Analyse. „Ein Weltkulturerbe sollte jedoch auch physische Authentizität besitzen.“ Eine Kopie ist nie das gleiche wie das Original.
Zurück zur Südzentrale. „Die nächste Generation könnte kreativer sein als wir“ gibt Winter zu denken. „Selbst wenn uns noch keine konkrete Nutzungsmöglichkeit einfällt, sollten wir unsern Kindern nicht auf immer die Chance nehmen, etwas aus ihrem architektonischen Erbe zu machen.“
Bezug unter: info@suedzentrale.de sowie im Architekten-Büro GG/A (Griesemann&Griesemann), Weserstraße 78A in Wilhelmshaven, Telefon 04421/995599. Schutzgebühr 5 Euro.
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