Südstadt
Mrz 162005
 

Alarmstufe: Rot

Der Südstadt geht die Puste aus

(hk) Bei den Bewohnern der Südstadt und Bants keimte in den letzten Jahren die Hoffnung, dass sich mittelfristig die Situation ihres Stadtteils positiv verändern würde – das Projekt Soziale Stadt begann Fuß zu fassen, und erste sichtbare Veränderungen nährten diese Hoffnung.

südstadt 4Doch dann kam das Aus für das Förderprojekt – irgendwelche Verwaltungsleute hatten ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Und so wurden erst einmal die Gelder für die 2005er Projekte im Rahmen der Sozialen Stadt gestrichen. Müßig, darüber zu spekulieren, wer denn da gepennt hat (siehe hierzu auch den Gegenwind 203 vom Oktober 2004). Das Stadtteilbüro wurde geschlossen, und alles ging wieder seinen bekannten Wilhelmshavener Gang. Und während im Stadtteilbüro die Lichter ausgingen, wurde es auch im Stadtteil zappenduster.
Die offensichtlichen Probleme des Stadtteils vergrößern sich und weiten sich auch über die Grenzen des Fördergebietes aus. Der Bereich östlich der Virchowstraße (Rhein- und Weserstraße bis zur KW-Brücke) war ausdrücklich aus dem Geltungsbereich der Sozialen Stadt herausgenommen worden, weil hier eine andere Grundsituation vorherrschte. Man hoffte, dass durch Ocenanis, Küstenmuseum, BAFU und andere „Edel“renovierungen positive Impulse auf den Stadtteil wirken würden. Heute ist offensichtlich, dass das ein Irrglauben war. Die Situation unterscheidet sich inzwischen kaum von der im Sanierungsgebiet „Westliche Südstadt“.südstadt 3
Für den Bereich der sozialen Stadt wurde 2003 ein Quartiersentwicklungsplan beschlossen. In dem Plan wird vorgeschlagen, „die Möglichkeiten der Weiterentwicklung durch einen Gutachter untersuchen und die Umsetzung von Modellprojekten in der Startphase fachlich betreuen zu lassen.“
Diesen Auftrag bekam im Jahre 2003 die Hannoversche Firma Rudnick, Rudnick und Partner Consulting, die jetzt ihren 40-seitigen Abschlussbericht „Lokale Ökonomie in der Südstadt – Konzeption und Entwicklung von Projekten“ vorlegte. Angesichts der Tatsache, dass die Consulting-Firma dafür knapp 50.000 Euro auf ihr Konto überwiesen bekam, nicht gerade eine Fleißarbeit.
südstadt 2Beim Durchlesen des Gutachtens kommt dem mit der Materie befassten Leser das meiste recht bekannt vor – und richtig: Auf den ersten gut 20 Seiten wird fleißig aus dem Quartierentwicklungsplan abgekupfert, werden die grundsätzlichen Erkenntnisse der genehmen Fachleute zitiert, werden ein paar Statistiken zur Untermauerung eingebaut – und schon steht die erste Hälfte des Gutachtens.
Schnell werden ein paar hehre Ziele formuliert: „Aus der Vielfalt der hier vorgelegten Missstände der westlichen Südstadt werden im Rahmen der hier vorgelegten Entwicklungsstudie zunächst bestimmte wirtschafts- und beschäftigungsnahe Problemlagen aufgegriffen und exemplarisch Lösungen beschrieben. Ein wesentliches Ziel der Bearbeitung war es, anhand von ausgewählten Themen zügig und im Kontext der Bearbeitung in die Projektrealisierungsphase einzusteigen, um kurzfristig erste sichtbare Erfolge erzielen zu können. (…) Durch diese abschließende Berichterstattung sollen in erster Linie die Akteure des Stadtteils in die Lage versetzt werden, die gewonnenen Erkenntnisse auch auf andere Problemlagen anzuwenden.“ In Kurzform: Problemlösungen beschreiben und kurzfristig sichtbare Erfolge erzielen – das haben sich die Gutachter vorgenommen.
Doch was dann auf den verbleibenden knapp 20 Seiten abgeliefert wird, grenzt schon an Veräppelung – zumindest wird es dem selbst gesteckten Ziel nicht gerecht.
Förderung lokaler Ökonomie
Für die „Entwicklung der lokalen Ökonomie in der westlichen Südstadt“ schlagen Rudnick, Rudnick und Partner folgende Arbeitsschritte vor:

  • Organisation der Kaufleute-Initiative für ein Sommerfest 2005 auf dem Valoisplatz

Zu Punkt 1 heißt es im Gutachten: „Mit der Gründung einer Kaufleute-Initiative für ein Sommerfest 2005 auf dem Valoisplatz sollen die Aktiven und die Gewerbetreibenden im Stadtteil identifiziert und organisiert werden. Die Präsentation der Unternehmen mit ihren Angeboten will nur ein Bestandteil der Veranstaltung sein. Mit der Organisation eines anspruchsvollen Kulturprogramms soll den Besuchern deutlich mehr geboten werden. Vom Charakter her wird mit diesem Sommerfest ausdrücklich angestrebt, die Mittelschicht anzusprechen (z.B. durch weiße Pagodenzelte).“

  • Errichten eines Existenzgründungsförderungs-Netzwerks gezielt für Migranten

An den Sinn ihres vorgeschlagenen Existenzgründungsförderungs-Netzwerks glauben die Gutachter selbst nicht so richtig, denn die Selbstständigen-Durchschnittsquote bei Migranten beträgt in der Bundesrepublik 8,3%, in Wilhelmshaven liegt diese Quote schon bei 9,7%. Auch bei Betrachtung der großen Fluktuation bei Existenzgründungen durch Migranten wird sich dieses Netzwerk schnell im Nichts wieder finden.

  • Aufbau einer Marketingagentur für das Gewerbegebiet „Am Handelshafen“

Südstadt 1Davon will ja wohl keiner lassen – mit aller Macht (und weil man in Wilhelmshaven nichts gegen die Hafennutzung sagen darf) soll ein Gewerbegebiet am Handelshafen entstehen; der Stadtteil soll durch eine Straße vom Kohlenhafen bis zur Rüstringer Brücke vom Wasser abgeschnitten werden. Der Bereich der Südstadt, der von der Grundstruktur her in der Lage ist, die Lebensqualität des Stadtteils erheblich zu steigern, wird für nebulöse Ansiedlungs- und Umsiedlungsvorhaben reserviert. Natürlich darf in der Südstadt auch nichts passieren, was in irgendeiner Form mit den Interessen der Nordseepassage kollidiert. Keine Gastronomie, keine Geschäfte – schön unten bleiben soll der Stadtteil!

  • Vorbereitung und Gründung eines Vereins der Kaufleute in der Südstadt

„Ein solcher Verein hätte nicht nur die Aufgabe, Werbeaktivitäten zu entwickeln, sondern er sollte auch als Akteur gegenüber Politik und Verwaltung auftreten. (…) Wir raten daher dazu, die Gründung eines Kaufleutevereins der Südstädter Kaufleute zu unterstützen und bei der organisatorischen Vorbereitung behilflich zu sein. Die den Unternehmen zur Verfügung stehenden Ressourcen und die Kreativität der versammelten Menschen werden dann ein Stadtmarketing hervorbringen, das weit über das Drucken von Imageflyern hinausgeht.“ (Ey boah!)
Und die Leute von Rudnick, Rudnick und Partner wissen auch, wie es weitergeht:
Es wird darauf ankommen, diese Projekte soweit voranzutreiben, „dass sie für den Stadtteil Wirkung entfalten.“ „Schon kurze Zeit nach der ersten Etablierung und Konsolidierung der vorgeschlagenen Initiativen werden sich daraus Organisationen entwickeln, die in der Lage sind, Ressourcen zu mobilisieren, die über das hinausgehen, was die öffentliche Hand als Anschubfinanzierung beigesteuert hat.“
Vor gut 2 Jahren veröffentlichten Rudnick Rudnick und Partner ihr Gutachten „Urbane Achse Deisterstraße, Entwicklungschancen für Linden-Süd, Hannover“. Und so konnte man viele Absätze aus diesem Gutachten direkt ins Südstadt-Gutachten übernehmen, und die 50.000 Euro waren noch schneller verdient.

Resümee:

Die Vorschläge des Gutachtens sind z.T. durchaus beachtenswert, aber eben auch allesamt alte Hüte (ausgenommen die Pagodenzelte = Mittelschicht-Theorie). Das Gutachten zementiert die Situation der Südstadt. Unter Umständen lag es aber auch an den Vorgaben, dass da nichts Besonderes bei herauskommen konnte. Wenn von vorneherein klar ist, dass der Stadtteil sich nicht in Richtung Wasser und Freizeit zu entwickeln hat, muss man eben im Status quo verharren und bei der Beseitigung wilder Müllkippen und unschöner Fassaden stecken bleiben.

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