Sudelküche WZ?
Jan 281991
 

Tradition verpflichtet

Politisch interessierte Lehrer/innen verzichten zunehmend auf die „Stammtischphilosophie“ der WZ

(ub) Ist die WZ auch heute noch eine „publizistische Sudelküche“? Der „Rohrstock“, Zeitung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, erinnert an alte Diffamierungskampagnen der WZ gegen den Gewerkschaftsbund und zieht Parallelen zur aktuellen Berichterstattung.

Unter der Überschrift „Die 1.000 Lügen der Wilhelmshavener Zeitung“ berichtete das VOLKSBLATT in seiner Ausgabe vom 11.9.1930 über die tendenziöse Berichterstattung der örtlichen Presse über gewerkschaftsinterne Vorgänge. In scharfer Form wandte sich der VOLKSBLATT-Artikel gegen „mit der Mistgabel arbeitende Volksaufklärer in gewissen publizistischen Sudelküchen“ und hatte dabei besonders den „großen Schuttabladeplatz in der Wilhelmshavener Parkstraße“ im Auge.
Nach Auffassung der KollegInnen des „Rohrstock“ ist es dem neuen Chefradakteur Jürgen Westerhoff zu verdanken, „daß schlimme Traditionen der ‚Wilhelmshavener Zeitung‘ aus längst vergangenen Zeiten wieder aufleben.“
Die „wüste Kampagne“ gegen den DGB-Vorsitzenden Manfred Klöpper anläßlich dessen Kritik an der Wiederinbetriebnahme der Wilhelmshavener Raffinerie sowie die Weigerung der WZ, kritische Leserbriefe abzudrucken, deuten auf eine rücksichtslose Ausnutzung ihrer Monopolsteilung hin.
Der „Rohrstock“ berichtet über zunehmende Abonnementskündigungen der KollegInnen und zeigt mögliche Alternativen zum „Monopoljournalismus“ auf: „Finanzielle (Schiebt doch mal einen Fuffi rüber!) und personelle Stärkung des GEGENWIND; Aufbau eines stadtweiten gewerkschaftlichen Flugblattverteilersystems für akute Fälle; Diskussion der Herausgabe einer Gewerkschaftszeitung für unsere Stadt. Intensive Bearbeitung des Problemkreises ‚Pressefreiheit und Monopolstellung’ im Unterricht.“
Im Anhang an den Artikel haben die KollegInnen vom „Rohrstock“ ein beispielhaftes Kündigungsschreiben an die Brune Druck- und Verlagsgesellschaft mbH als Antwort auf die „fragwürdigen journalistischen Methoden“ der WZ veröffentlicht (siehe Kasten).

An
Brune Druck- und Verlagsgesellschaft mbH
-Wilhelmshavener Zeitung-
Parkstraße 8
2940 Wilhelmshaven

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit kündige ich zum nächstmöglichen Termin mein Abonnement der Wilhelmshavener Zeitung und widerrufe zum Ende des nächsten Monats die Ihnen erteilte Einzugsermächtigung.
Seit Wochen verfolge ich mit Bestürzung, daß die WZ aus politischen oder sonstigen Gründen zusehends von einer seriösen Berichterstattung, wie man sie von einer freien und unabhängigen Presse erwarten darf, abweicht und sich unverhohlen vor den Karren eines zutiefst konservativen Klientels spannen läßt. Dass die WZ nicht nur in kommunalpolitischer Hinsicht, wo sie ein unbestrittenes Informations- und Meinungsmonopol besitzt, propagandistisch wirkt, ist die einzig mögliche Schlussfolgerung, die man z.B. aus einem Vergleich der politischen Gewichtung, in der WZ und in der „Frankfurter Rundschau“ ziehen kann.
Damit aber noch nicht genug. Auf kommunalpolitischer Ebene scheint die WZ nun gänzlich das Gespür für einen unabhängigen seriösen Journalismus verloren zu haben. Wer, wie Ihr Chefredakteur Jürgen Westerhoff, demokratisch getroffene Entscheidungen von Gremien der Gewerkschaften diffamiert, gewerkschaftliche Interessenvertretung öffentlich zu reglementieren versucht und zudem den Repräsentanten des DGB in unverschämt unqualifizierter Form der Meinungs- und Pressezensur bezichtigt, der muß sich gefallen lassen, daß ihm von politisch interessierten Bürgern dieser Stadt propagandistische Absicht unterstellt wird. Eine solche Berichterstattung ist absolut uninteressant. Der freie Journalismus mit gesunder Weitsicht in der Information und durchaus zulässiger kritischer Kommentierung des Geschehens verkommt so zu journalistischer Stammtischphilosophie, der der Blick über den eigenen Tellerrand gänzlich abhanden kommt.

Mit freundlichen Grüßen

 

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