Stichwahl
Okt. 132010
 

Eins sticht

Abschaffung der OB-Stichwahlen geplant

(iz) Im letzten GEGENWIND haben wir unter „Wirtschaft mischt bei OB-Wahl mit“ kurz das bisherige Wahlverfahren für die Oberbürgermeister/innen in Niedersachsen angesprochen: Erhält kein/e Kandidat/in im 1. Wahlgang die erforderliche Mehrheit (mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen), gibt es eine Stichwahl zwischen den beiden mit den meisten Stimmen. Diese Stichwahl für Bürgermeister und Landräte in Niedersachsen soll jetzt abgeschafft werden.
MD 10-17 Stichwahl 05In Zukunft gäbe es dann nur noch einen Wahlgang, bei dem die einfache Mehrheit entscheidet. Das soll schon auf der Landtagssitzung vom 9. bis 11. November beschlossen werden.
Seit 1996 werden Landräte und Bürgermeister direkt gewählt, seit 2006 beträgt die Amtszeit acht statt fünf Jahre. Die Abschaffung der Stichwahl wird u. a. damit begründet, dass beim 2. Wahlgang die Wahlbeteiligung weiter sinkt und der Kommune zusätzliche Kosten entstehen. Tatsächlich hätte man die Wahlbeteiligung stärken und die Kosten reduzieren können, wäre es bei der zeitgleichen Wahl von Kommunalparlament und Hauptverwaltungsbeamten alle 5 Jahre geblieben.
Gegen die Abschaffung der Stichwahl haben sich SPD, Grüne, DGB sowie zwei der drei kommunalen Spitzenverbände positioniert. Auch mehrere niedersächsische Bürgermeister stellen sich hinter die Forderung, darunter Stephan Weil (Landeshauptstadt Hannover), Boris Pistorius (Osnabrück) und Dieter Krone (Lingen). Wolfgang Walther, Bürgermeister Stadt Ronnenberg: „Man merkt die ausschließlich parteipolitisch bestimmte Absicht und ist verstimmt. Bleibt die Hoffnung auf die Wählerinnen und Wähler.“
In zwei Bundesländern wurde die Stichwahl in den letzten Jahren abgeschafft: in Thüringen und Nordrhein-Westfalen. In Thüringen wurde sie nach kurzer Zeit wieder eingeführt, an Rhein und Ruhr steht die Wiedereinführung im Koalitionsvertrag der neuen Regierung.
Eine Auswertung von 82 Stichwahlen (2006) kam zu folgendem Ergebnis: In fast 65 Prozent der Stichwahlen erhielt der gewählte Kandidat in der Stichwahl eine größere Zustimmung als bei der ersten Wahl. In 26 von 82 Stichwahlen konnte sich der beim ersten Wahlgang Zweitplatzierte durchsetzen. In über 65 Prozent dieser 26 Stichwahlen erhielten die Gewählten eine größere Zustimmung als der Erstplatzierte bei der ersten Wahl.

Bürgermeister mit 20% der Stimmen
Für den bundesweit tätigen Verein „Mehr Demokratie e. V.“ ist die Abschaffung der Stichwahl ein Griff nach unseren demokratischen Rechten. „Zunächst wurde die Amtszeit von fünf auf acht Jahre verlängert. Nun soll die Stichwahl beseitigt werden. Wir sollen schon wählen gehen, aber nicht zu oft“, so Dirk Schumacher vom Landesverband Niedersachsen-Bremen. Gewählt soll sein, wer im ersten – und einzigen – Wahlgang die meisten Stimmen gewinnt. So kann ein/e Kandidat/in auch schon mit 20 bis 30 Prozent Bürgermeister werden – für acht Jahre. „Dieses Amt verlangt aber eine mehrheitliche Unterstützung und Anerkennung! Deshalb wollen wir die Stichwahlen erhalten oder befürworten demokratische Alternativen.“
„Mehr Demokratie e. V.“ hat einen Aufruf gestartet, der die Beibehaltung der Stichwahl einfordert. „Für jede Unterschrift übergeben wir eine Reißzwecke. Jeder Stich soll die Landesregierung darauf aufmerksam machen, dass sie keine Mehrheit für ihre Pläne hat. DGB, SPD, Bündnis90/Die Grünen, Piratenpartei, die Aktion Wahlreform und wahlrecht.de stehen hinter unserer Forderung: Erhalte die Stichwahl!“
Der Aufruf von „Mehr Demokratie e. V.“ kann unterzeichnet werden unter http://bremen-nds.mehr-demokratie.de/aufruf-stichwahl.html

Der Verein „Mehr Demokratie e.V.“ setzt sich bundesweit dafür ein, dass gesetzlich verbriefte Rechte der direkten Demokratie wie Bürgerbefragung, Bürgerbegehren und Volksbegehren auch wahrgenommen und durchgesetzt werden. Kontakt für den Landesverband Niedersachsen-Bremen: Dirk Schumacher, Schildstraße 12-19, 28203 Bremen, Tel. 0421-794 63 70, Fax 0421-794 63 71, E-Mail dirk.schumacher@mehr-demokratie.de, Website www.bremen-nds.mehr-demokratie.de

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