Stadtwerke-Holding
Jan 312002
 

Alles unter einem Dach

Die Überführung der städtischen Betriebe in eine Holding wirft viele Fragen auf

(hk) Der Bericht des Kommunalprüfungsamtes der Bezirksregierung Weser-Ems über den städtischen Haushalt 1996 bis 1999 wird von der Verwaltungsspitze als „geheime Kommandosache“ behandelt. Begründung: Darin werden auch Zahlen über nichtstädtische Firmen genannt. Doch immerhin bekamen die Ratsmitglieder den Bericht noch zu sehen. Die Zahlen der in der in Angriff genommenen Holding werden diese allerdings auch nicht mehr zu Gesicht bekommen. Weder die Bürger noch ihre gewählten Vertreter werden zukünftig Einfluss auf das Geschäftsgebaren wichtiger städtischer Bereiche mehr haben. So ist es nicht verwunderlich, dass trotz des Ratsbeschlusses vom Nikolaustag des letzten Jahres die Diskussion weitergeht.

Unter dem Dach der Holding sollen
  • die Gewinnung von Wasser,
  • die Versorgung anderer mit Trink- und Brauchwasser,
  • der öffentliche Personennahverkehr im Stadtgebiet von Wilhelmshaven sowie in den umliegenden Randgemeinden,
  • das Halten von Geschäftsanteilen an der Flugplatzgesellschaft Wilhelmshaven-Friesland mbH
  • und die Förderung des Flugverkehrs, der Hafenbetrieb in Wilhelmshaven,
  • der Betrieb von Bädern,
  • Dienstleistungen im Zusammenhang mit Grundbesitz und Gebäuden,
  • die Betriebsführung im Entsorgungsbereich,
  • der Bau und Betrieb aller für das Unternehmensziel erforderlichen Erzeugungs-, Verteilungs-, Verkehrs-, Hafen-, Umschlags- und Bäderanlagen
  • sowie allen damit im Zusammenhang stehenden Geschäfte

zusammengeführt werden.

Begründet wird dieser Schritt wie folgt: „Vor dem Hintergrund der veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen im Versorgungsbereich (Wettbewerb in der Strom- und Gasversorgung) sowie im Verkehrsbereich (Liberalisierung des Nahverkehrs) empfiehlt die WIBERA AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Düsseldorf, in ihrem Gutachten vom 30.10.2000 zur Erlangung einer hinreichenden Wettbewerbsfähigkeit die Überführung der Stadtwerke Wilhelmshaven GmbH in eine Holdingstruktur.
Im Versorgungsbereich erfolgt eine Bündelung der Versorgungsaufgaben in einer Hand durch Übertragung der Wasserversorgung von der Stadtwerke GmbH auf GEW. (…)
Innerhalb der Holdingstruktur wird auch der Verkehrsbetrieb auf der operativen Ebene in einer wettbewerbsfähigen Struktur aufgestellt…) Um auf den EU-weiten Wettbewerbsmarkt ÖPNV rechtzeitig vorbereitet zu sein, ist eine Fahrtbetriebsgesellschaft zu schaffen, die auf der Erstellerebene den Linienverkehr betreiben kann.“ (Aus der Begründung der Beschlussvorlage für die Holdingbildung, Ratssitzung vom 6.12.2000).
Mit den Stimmen von SPD und Grünen wurde die Bildung dieser Holding am 6. Dezember 2001 vom Rat beschlossen, die anderen Parteien stimmten geschlossen dagegen.
Zur Abstimmung hatte der Personalrat der Stadt den Ratsmitgliedern eine Stellungnahme zukommen lassen, in der dieser begründet, warum er sich gegen die Holding ausspricht. „Es ist unklar, welche städtischen Betriebsteile außer dem Bäderbetrieb noch betroffen sind. Was verbirgt sich zum Beispiel hinter der Grundbesitz- und Gebäude-Dienstleistungsgesellschaft mbH? Welche Bereiche sind noch betroffen? (…)
Aufgrund eines Beschlusses des europäischen Parlamentes vom 14.11.2001 ist es – nach Entscheidung der Bundesregierung – möglich, Aufträge an kommunale Verkehrsunternehmen ohne Ausschreibung zu vergeben. Die Dringlichkeit einer Holdinggründung wegen angeblicher „europäischer Veränderungen“ ist deswegen nicht mehr nachvollziehbar.“ hieß es in der Stellungnahme. Damit war eines der Hauptargumente für die Holding hinfällig: Der befürchtete Wettbewerb im öffentlichen Personennahverkehr findet nicht statt! Doch die Verwaltung drückt weiter aufs Tempo.
Im Vorfeld der Ratssitzung gab es besonders vom FDP-Ratsmitglied Dr. Michael von Teichman gehöriges Störfeuer. In einer Presseerklärung vom 30. November spricht der Vorsitzende der FDP-Ratsfraktion von einer „nahezu vollständigen Entmachtung des Rates in wichtigen Aktionsfeldern“, die Verantwortung werde auf wenige „handverlesene Multifunktionäre“ verschoben, die in immer ratsferneren Gremien Millionen von Gebühren der Bürger verwalteten und verteilten. Damit würden die Grundlagen der Gemeindeordnung „mit Füßen getreten“ (nach WZ vom 1.12.2001).
Dummerweise schrieb die FDP in ihrer Presseerklärung auch, dass die Idee sich „zu einer Art Ermächtigungsgesetz“ entwickele – mit dieser an den Aufstieg der Nazi-Diktatur erinnernden Wortwahl verpuffte die inhaltliche FDP-Kritik, weil sich logischerweise alle auf das Wort „Ermächtigungsgesetz“ stürzten.
Die Position der CDU zur Holding ist sehr schwammig. Man sieht wohl die Notwendigkeit einer Umstrukturierung, erwartet aber von der Verwaltung noch Alternativvorschläge CDU-Fraktionsvorsitzender Prof. Reuter führte auf der Ratssitzung aus, dass es nicht übersehbar sei, welche Rechte die Grundbesitz- und Gebäudedienstleistungsgesellschaft habe. Die CDU-Fraktion sehe die Rechte und Einflussnahme des Rates bei dieser Konstruktion schwinden.

Die Wilhelmshavener Alternative Liste (WALLI) dazu in einer Presseerklärung zwei Tage nach der Ratssitzung:

Eine weitere Frage bei diesem Anteilsverkauf ist der Preis. Dieser wird lediglich in einer Bewertung festgelegt. Ohne die zu verkaufenden Anteile am Markt angeboten zu haben, wird verkauft. Der Marktwert, welcher wie schon bei der WoBau Jade wesentlich höher liegen könnte, spielt für die Mehrheitsgruppe aus SPD und Grünen keine Rolle.
Ein weiteres wichtiges Element ist der Einfluss des Stadtrates auf diese Betriebe. Bisher konnte der Rat der Stadt Einfluss nehmen. Dies wird sich nach der Bildung der Holding grundlegend ändern. Der Rat der Stadt verliert jegliches Mitspracherecht. Entscheidungen werden ohne Stadtrat vom Aufsichtrat getroffen.
Kein Mitspracherecht bei der Entscheidung hatten auch der Gesamtpersonalrat und der Personalrat Innere Verwaltung der Stadt. Ihre Bedenken, welche auch allen Ratsmitgliedern schriftlich zugeleitet wurden, kann die WALLI sehr gut nachvollziehen. Die Entscheidung zur Holding ist ohne ausreichende Beteiligung der Personalräte gefallen.
Die Verhandlungen mit den Personalräten der GEW und der Stadtwerke wurden unter falschen Voraussetzungen geführt. Unter dem Druck der drohenden wettbewerblichen Entwicklung standen diese vor der Entscheidung: Untergang oder Holding. Ein Beschluss des Europäischen Parlaments vom 14.11.2001 widerspricht diesem Entscheidungsdruck.
Erstaunlich ist die Tatsache, dass viele der zustimmenden Ratsmitglieder erst 6 Tage vor ihrer Entscheidung die nötigen Unterlagen erhalten haben und sich in dieser kurzen Zeit eine „eigene“ Meinung bilden konnten.

In einem von 21 Beschäftigten der Bäderbetriebe Wilhelmshaven unterzeichneten Schreiben an den Oberstadtdirektor und den Oberbürgermeister heißt es unter anderem: „Da die Aussichten auf Erhalt aller Arbeitsplätze in den Bädern doch sehr fragwürdig erscheint, lehnen wir es ab, ein Vertragsverhältnis mit einem privaten Eigner der Bäder einzugehen, und bestehen auf unsere Arbeitsverträge mit der Stadt Wilhelmshaven.“
Abschließend noch einmal die Position des städtischen Gesamtpersonalrats:

Der Gesamtpersonalrat spricht sich gegen die Stadtwerke-Holding GmbH aus,

  • weil die Begründung für die Holding nicht nachvollziehbar und zweifelhaft ist,
  • weil städtische Arbeitnehmer nicht ausreichend informiert wurden und an „Abstimmungen“ hinsichtlich Personalüberleitungstarifverträgen nicht teilnehmen durften,
  • weil bisher eine gesetzlich vorgeschriebene Beteiligung der zuständigen Personalvertretungen nicht erfolgt ist.

Der Gesamtpersonalrat bewertet die Bildung der Holding als eine Fluchtbewegung aus

  • Tarifverträgen
  • Gehaltsobergrenzen für die Führungs- und Leitungskräfte
  • politischer Kontrolle (und das angesichts der noch nicht aufgearbeiteten Folgen und Konsequenzen des WPG-Desasters).

Der Gesamtpersonalrat fordert, statt einseitig auf Ausgliederung und Privatisierung zu setzen, in städtischen Eigenbetrieben, Regiebetrieben und Fachbereichen besser für ein professionelles Management zu sorgen!
Apropos Gehaltsobergrenzen: Nach Berechnungen der FDP wird der Geschäftsführer der Holding ein Gehalt in der Größenordnung von 250.000 bis 500.000 € einsacken können. Wen wundert’s da, dass bestimmte Leute so emsig an der Holding-Gründung arbeiten?!

Was ist eine Holding?
Gesellschaft, die ohne eigene Produktionstätigkeit Anteile anderer Gesellschaften besitzt, um deren Geschäftstätigkeit zu beeinflussen. (Brockhaus)
Im weiteren Sinne eine Gesellschaft, die Anteile an anderen Gesellschaften als Vermögensanlage erwirbt und verwaltet, im engeren Sinne eine Gesellschaft die darüber hinaus auch die wirtschaftliche Beeinflussung oder Beherrschung der anderen rechtlich selbständigen Gesellschaften durch einheitliche Leitung und Verwaltung bezweckt. Solche Holdings dienen häufig als Ober- oder Dachgesellschaften von Konzernen, die selbst keine Produktions- und Handelsfunktionen ausüben und somit eine rechtliche Verselbständigung der Konzernhauptverwaltung darstellen. (Großer Brockhaus)

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