Sport
Sep 141992
 

Lebendige Geschichte

Die Wilhelm-Krökel-Pokalspiele in Wilhelmshaven

(hb/noa) Anfang September fanden im Sportforum zum zwölften Mal die Wilhelm-Krökel-Pokalspiele statt. Schulmannschaften (Mädchen und Jungen der 7. – 9. Klassen) kämpfen seit 1981 jährlich in einem Fußballturnier um den vom DGB Wilhelmshaven gestifteten Wilhelm-Krökel-Pokal.

gw110_krökel1Es ist eine Tradition, daß die Bereiche Arbeit und Geschichte im Schulbetrieb Wilhelmshavens einen hohen Stellenwert einnehmen. So erstellte Adolf Tadken 1924 „im Auftrage des Rüstringer Bezirks-Lehrervereins“ die historischen „Wanderungen durch die Jadestädte und ihre Umgebung“; Georg Harms initiierte – ebenfalls in der Weimarer Zeit – den“ Arbeitsschulgarten der Grodenschule/Rüstringen“ (den heutigen Botanischen Garten); und gleich nach dem Krieg veröffentlichten Mitglieder des Wilhelmshavener Kreislehrervereins (GEW) das heimatkundliche Lehrplanwerk „Heimat zwischen Weser und Ems“, das eine ganze SchülerInnengeneration beeinflußte.
Der „Historische Arbeitskreis des DGB Wilhelmshaven“, der von dem GEW-Mitglied Hartmut Büsing geleitet wird, steht in dieser Tradition. Die Mitglieder haben es sich zur Aufgabe gemacht, die „Geschichte der kleinen Leute“ aufzuarbeiten und zu bewahren.

Wer war Wilhelm Krökel?

Die Idee, dem Leben, der Arbeit und dem Sterben des Banter Schiffszimmerers Wilhelm Krökel nachzugehen, entstand 1978. Nach ihm wurde in den sechziger Jahren der große Saal des Gewerkschaftshauses benannt. Das Ölbild am Eingang ist allein durch schlichte Daten erläutert: Geburt 1890 in Bant, Tod 1945 im KZ Neuengamme.Wilhelm Krökel war Arbeitersportler, Stadtverordneter der SPD im Bürgervorsteherkollegium, und als Mitglied des Deutschen Metallarbeiter-Verbandes (Vorläufer der IGM) Betriebsratsvorsitzender der Marinewerft.
Im April 1933 hielt die freigewerkschaftliche „Liste Krökel/ Watermann“ trotz Nazi-Terrors die absolute Mehrheit bei den letzten Betriebsratswahlen auf der Werft. Danach wurde Krökel abgesetzt und aus dem Wilhelmshavener Stadtparlament geworfen, war drei Jahre lang arbeitslos mit Vermittlungs- und Unterstützungssperre seitens des Arbeitsamtes und stand unter Gestapo-Aufsicht. Krökel und seine Familie überstanden die schwere Zeit durch die feste Solidarität seiner Freunde und Kollegen, die heimliche Sammlungen für ihn und andere Ausgegrenzte durchführten. Er schloß sich der Widerstandsgruppe um Arthur Grunewald (sen.) an. Durch Vermittlung ehemaliger Kollegen kam er beim Norddeutschen Eisenbau Sande wieder in Arbeit und Brot und war dort bis 1944 im U-Boot-Bau tätig. Unter schwierigsten Bedingungen suchte er mit Gleichgesinnten das harte Los der ausländischen Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen im Betrieb zu lindern.
Im Spätsommer 1944 holten sie ihn. Frühmorgens wurden Wilhelm und Martha Krökel aus dem Bett geklingelt, die Wohnung wurde durchsucht, er wurde mitgenommen.

Martha Krökel erinnert sich: „Und als mein Mann dann weggebracht wurde, da bin ich noch bis zur Korridortür mitgegangen. Ich habe nichts mehr von ihm gehört und gesehen; nur Post haben wir bekommen, einmal im Monat. ..
Während der Fahrt nach Hamburg und aus dem KZ Neuengamme schrieb Wilhelm Krökel acht Briefe, die erhalten geblieben sind. Sie sind seine letzten Lebenszeugnisse.
Eine Entlassung aus dem Konzentrationslager wurde mit der unbewußt ehrenvollen Begründung seiner Henker abgelehnt: „Bleibt innerlich immer der alte SPD-Bonze, der jederzeit bereit ist, als Führer der SPD oder einer ähnlichen Partei aufzutreten und mitzumachen.“ Wilhelm Krökels offizielles Todesdatum ist der 18. Februar 1945; ein Schreiben des SS-Obersturmführers Thumanns nennt als offizielle Todesursache eine Darmerkrankung.

Die Krökel-Spiele
Die ersten und zweiten Sieger des diesjährigen Wilhelm-Krökel-Pokal-Turniers von der Nogat- und Franziskusschule zusammen mit dem DGB-Vorsitzenden Manfred Klöpper (hinten, halb verdeckt) nach der Siegerehrung

Die ersten und zweiten Sieger des diesjährigen Wilhelm-Krökel-Pokal-Turniers von der Nogat- und Franziskusschule zusammen mit dem DGB-Vorsitzenden Manfred Klöpper (hinten, halb verdeckt) nach der Siegerehrung

1979 legte der GEW-Kreisverband Wilhelmshaven die Krökel-Dokumentation als Basis der Pokalspiele vor. Die Schulaufsicht äußerte Bedenken, ob eine sportliche Veranstaltung mit entsprechender Stimmung auf den Plätzen dem ernsten Anlaß gerecht würde. So wurde 1980 nach Diskussion ein Plakatwettbewerb ausgelobt. Die Ergebnisse mündeten in eine größere Ausstellung, wobei die aussagekräftigsten Schülerarbeiten gedruckt werden und der Einladung zur Turnierteilnahme in den nächsten Jahren dienen sollten. Ehemalige Kollegen Krökels beantworteten die Frage nach der Angemessenheit für eine entferntere Generation, sich mit fröhlichem Spiel einem traurigen Geschehen zu nähern, auf ihre Weise: „Willi wär’s schon recht gewesen.“ Die Familie bat darum, die Grenze zur „Heldenverehrung“ nicht zu überschreiten.
Seit 1981 wird nun der Krökel-Pokal jährlich in einem Fußballturnier ausgespielt und wurde am 2. September 1992 zum 13. Mal überreicht. Die Spiele sind zu einem fest eingeplanten schulischen Ereignis in Wilhelmshaven geworden.

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