SPD-UB-Parteitag
Apr 292005
 

SPD bei Kaisers

Unterbezirkstag am 12.3. an neuem Ort

(red) In diesem Jahr hatte sich der SPD-Vorstand einen neuen Tagungsraum für den Unterbezirksparteitag ausgesucht, den Saal in „Kaisers Hotel“. Der bisherige Treffpunkt, die Stadthalle, sei der Partei zu teuer geworden, so der Unterbezirksvorsitzende Norbert Schmidt.

Dafür mussten die 74 Delegierten (sechs waren nicht erschienen) aus den 12 Ortsvereinen aber hinnehmen, dass sie sehr, sehr eng beieinander sitzen mussten.
Auch hatten die Organisatoren in Kauf genommen, dass für Gäste und interessierte Zuhörer kaum noch Platz war. Zum Glück der Veranstalter gab es kaum auch welche.
In dem viel zu kleinen Saal wurde im Verlauf der Tagung – trotz Rauchverbot – die Luft immer dicker. War es der bekannte „Genossenmief“?
Wie schon seit einigen Jahren wurden die Geschäftsberichte von Norbert Schmidt und vom Fraktionsvorsitzenden Siegfried Neumann wiederum nur mündlich gegeben. Schade eigentlich, war es doch noch vor einigen Jahren üblich, diese Berichte den Delegierten auch schriftlich vorzulegen, damit sie auch später einmal nachlesen konnten, was ihnen da alles versprochen wurde.
Vielleicht wäre es auch gut angekommen, statt nur den OB und den Vertreter der SPD Frieslands zu Wort kommen zu lassen, in Zeiten von Harz IV auch einen Gewerkschaftsvertreter zu den Delegierten sprechen zu lassen.
Ersparen wir es uns, auf die Ausführungen der beiden Funktionäre näher einzugehen, da unser Heimatblatt dies ziemlich ausführlich getan hat. Bleibt nur anzumerken, dass Norbert Schmidt von der hervorragenden Arbeit des Unterbezirksvorstands und der Ausschüsse sprach, was viele Genossen in den Ortsvereinen ganz anders sehen. Und erwähnenswert vielleicht noch die Vision des Fraktionsvorsitzenden Neumann, der so gern mal von der Nordseepassage direkt auf die Deichbrücke blicken möchte.

„Wer Visionen hat, sollte mal zum Arzt gehen“

Auch die Neuwahlen brachten nicht viel Neues. Die Wahlergebnisse sind gleichfalls nachlesbar in der „WZ“. Verwunderlich nur, dass man mit Holger Barkowsy einen Genossen aus dem Vorstand „kegelte“, der immer – nicht nur als Ratsherr, sondern auch als Genosse – engen Kontakt zu den Sportvereinen hielt.

Wichtiger erschien es uns, die vom Unterbezirksvorstand und den Ortsvereinen gestellten Anträge einmal näher zu beleuchten.
Da im letzten Jahr kein Unterbezirksparteitag stattfand, hätte man eigentlich erwarten dürfen, dass es nun eine Vielzahl von Anträgen geben würde. Doch dem war nicht so; noch nicht einmal 3 Dutzend Anträge hatten die Delegierten abzuarbeiten.
Die geringe Zahl der Anträge lässt sich vielleicht damit erklären, dass Versammlungen der Ortsvereine in den letzten zwei Jahren von immer weniger Parteifreunden besucht wurden. Zudem scheint – wie bereits angemerkt – der Kontakt zum einfachen Parteisoldaten fast völlig verloren gegangen zu sein.

„Der Vorstand ist gewillt, Entscheidungen dorthin zu verlagern, wo sie hingehören, nämlich an die Basis“.
Klaus Vogel, UB-Parteitag 1984

Mit zwei der wenigen Anträge wollen wir uns etwas eingehender befassen.
Da wäre als erster der – übrigens einzige – Antrag des Unterbezirksvorstands (II/3). Hier ging es um die Nichtansiedlung eines SB-Marktes gegenüber den ehemaligen Milchwerken. Gegen Annahme dieses Antrags sprach sich lediglich unser aller Oberbürgermeister aus.
Doch in der Begründung des Antrags hatten die Obergenossen einen dicken „Klops“ eingebaut.
Da ist unter anderem folgendes zu lesen:
„Diverse Städte (Weimar, Stettin und andere westdeutsche Städte) wollen (müssen) den Spieß nun wieder umdrehen.“
Nun hat – nach Schmidt – der Vorstand zwar hervorragende Arbeit geleistet, jedoch früher im Schulfach Geografie wohl nicht so recht aufgepasst. Lässt hier Pisa grüßen?

Deshalb an dieser Stelle ein wenig Nachhilfeunterricht.

Noch immer liegen weder Weimar noch Stettin in Westdeutschland. Weimar ist eine ostdeutsche Stadt in Thüringen, gelegen an der Ilm, Wirkungsstätte von Goethe, Liszt, Herder und Schiller.
Stettin (polnisch: Szczecin) gehörte früher einmal der Hanse an, war ab 1648 schwedisch, seit 1720 dann wieder preußisch. Nach dem 2. Weltkrieg wurde Stettin polnisch, und die Zugehörigkeit zu Polen – unserem neuen Eu-Partner – wurde durch den deutsch-polnischen Grenzvertrag 1990 bestätigt.
Jetzt alles klar? Der Antrag wurde mit Mehrheit angenommen.

Zu einem weiteren Antrag.

Lange Jahre hatten sich die Jusos nicht mehr mit einem Antrag zu Wort gemeldet – letztmalig beim Parteitag 1997. Jetzt beantragten sie die Abschaffung der Wehrpflicht „zugunsten einer besseren Förderung der sozialen und ökologischen Freiwilligendienste und sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen“. Dieser Antrag brachte endlich mehr als einen Genossen ans Rednerpult. So ging auch unser Oberbürgermeister Menzel, der wegen eines anderen wichtigen Termins an der Genossenversammlung erst verspätet teilnehmen konnte, sich aber zwischenzeitlich schon mit einem leckeren Häppchen vom Pressetisch gestärkt hatte, in die Bütt.
Vehement lehnte er den Juso-Antrag ab, verteidigte die Wehrpflicht und natürlich auch die Marine (allein schon wegen der 9.000 Arbeitsplätze vor Ort).
Was sagte doch Eberhard Menzel beim Parteitag 1987 – damals noch ehrenamtlicher OB (zitiert vom damaligen UB-Vorsitzenden Vogel)?

„Die Jugendprobleme sind ein Indikator der gesellschaftlichen Verhältnisse, ein Seismograph, den man ernst nehmen müsse“.
Eberhard Menzel 1987

Und auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Evers-Meyer, die gleichfalls wegen eines anderen wichtigen Termins erst später zu den Genossen gestoßen war, erklärte den Parteifreunden, wie wichtig doch die Wehrpflicht sei. Zudem würde eine Freiwilligen- bzw. Berufsarmee uns viel zu teuer kommen , denn – so wörtlich – „würde dann jeder Berufssoldat ein eigenes Zimmer mit Internetanschluss fordern“. Bei solch einem einleuchtendem Argument der friesischen Wehrspezialistin konnten die Delegierten diesen Antrag nur ablehnen.
Überprüft man die restlichen Anträge auf ihren Inhalt, so stellt man fest, dass sich nur 12 davon mit realer Parteipolitik befassten. Nur zwei davon behandelten Hartz IV und das Arbeitslosengeld 2.
Dabei wäre eine eingehende Diskussion über Vor- und Nachteile der von den beiden großen Parteien, SPD und Union, eingeleiteten Sozialreform bei einer solchen Zusammenkunft dringend erforderlich gewesen. Lag es vielleicht auch daran, dass sich die führenden Genossen der Wilhelmshavener SPD in den letzten Jahren immer weiter von den Gewerkschaften und der Arbeitsloseninitiative (ALI) entfernt haben und es kaum noch echte Kontakte gibt?
Alle Anträge rund um eine effizientere Parteiarbeit, wie zum Beispiel die Bildung eines Unterbezirksausschusses, Durchführung einer Themenkonferenz, um die Einrichtung einer Arbeitsgemeinschaft „Strukturreform der SPD Niedersachsen“ oder die Gründung eines Arbeitskreises „Öffentlichkeitsarbeit“ wurden abgelehnt.
Die restlichen Anträge waren eher Empfehlungen an die Ratsfraktion und hätten durch ein Gespräch mit einer/einem Ratsfrau/Ratsherrn gelöst werden können.
Nicht diskutiert wurde auch über die fatale personelle Situation der Partei.

Wie es um die Wilhelmshavener SPD bestellt ist, dazu hier einige Zahlen.
Hatte der Unterbezirk Wilhelmshaven 1993 noch 1387 Mitglieder, so hatten in diesem Jahr nur noch 855 ein rotes Parteibuch. Das ist ein Mitgliederschwund von 532.
Allein vom 31.12.2001 (1092 Mitglieder) bis zum 15.02.2005 (855 Mitglieder) haben 237 Parteifreunde ihr Parteibuch zurückgegeben.
Alle Ortsvereine haben seit 1995 immer wieder Mitglieder verloren. Lediglich bei den Ortsvereinen Altengroden und Heppens hielt sich der Rückgang (je 12) in Grenzen. Besonders betroffen die Ortsvereine der „Dreieinigkeiten“ Neumann, Adam und Schmidt.
Neumanns OV Siebetsburg verlor 74 Mitglieder, Adams OV Fedderwardergroden 62 Genossen und Schmidts „Heimatverein“ Neuengroden schrumpfte fast um die Hälfte (von 85 auf 46).
Zählt man die Altersgruppen der 18- bis 35-jährigen und der 36 bis 50-jährigen Mitglieder, also die Altersgruppen, die sich zum Großteil hoffentlich noch im Berufsleben befinden, zusammen, so kommt man auf folgende Zahlen.
1997 = 808 Parteifreunde
2004 = 194 Parteifreunde
Für eine Partei, die sich lange Jahre „Arbeiterpartei“ nannte, fast eine Katastrophe.
Nur die „Rentnerband“ der Partei, die über 50-Jährigen, können logischerweise Zuwächse vermelden. Waren es 1997 nur 469 Genossinnen und Genossen, so sind es heute 654.

Zieht man ein Fazit aus diesem Unterbezirksparteitag, so ist festzustellen: Es war sicher nicht der beste.

 

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