SPD-Fraktion
Aug 211996
 

Notfalls einen backen

Wer wird neuer Fraktionschef der SPD-Ratsfraktion?

(red) Wie vom Gegenwind in der vorletzten Ausgabe gemeldet, hat Udo Bergner, der zwölf Jahre der SPD-Ratsfraktion vorstand, nach der Posse um den geplanten Verkauf von Jadewohnungen an den Münchener Geschäftemacher Trögeler auf eine erneute Kandidatur für dieses Amt verzichtet. „Er wäre“ – so ein Genosse aus der Fraktion – „ohnehin nicht mehr zu halten gewesen“, selbst als führende Genossen ihn im nachhinein noch einmal hochjubeln und blankpolieren wollten.

Doch was hat die SPD eigentlich noch an geeigneten Kandidaten/Kandidatinnen für diese Funktion vorzuweisen? „Viel Staat“ für Partei und Stadt scheint da nicht zu machen zu sein. Das hat man nun davon, wenn man sich nicht rechtzeitig geeignete Nachrücker „heranzüchtet“.
Bergners Stellvertreter sind in der jetzt auslaufenden Ratsperiode die Ratsfrau Kirsten Trenne und der Ratsherr Wilfrid Adam. Über Ratsfrau Trenne als Nachfolgerin wird man sich kaum einen Kopf machen müssen, obwohl es der Partei gut anstehen würde, einmal eine Frau an der Fraktionsspitze zu haben. Doch diese Genossin hat in den Jahren ihrer Ratszugehörigkeit weder bei Ratssitzungen noch – wie Insider sagen – bei Fraktionssitzungen besonderes Profil gezeigt. Politisch eher farblos, ist sie wohl nur das „schmückende weibliche Beiwerk“ des Fraktionsvorstands.
Bliebe als eventueller Nachrücker noch der zweite Stellvertreter, der Ratsherr und Landtagsabgeordnete Adam, der zudem – was die WZ in keinem Artikel zu erwähnen vergißt –im Leineschloß zu Hannover auch Vorsitzender des SPD-Ausschusses für Häfen und Schiffahrt ist. Als Adam vor Monaten sein Amt als Kreisvorsitzender der Arbeiterwohlfahrt zur Verfügung stellte, mutmaßte man in Genossenkreisen, daß er sich damit Luft für ein neues Amt – eben das des Fraktionsvorsitzendenschaffen wollte. Doch besonders groß dürften seine Chancen nicht sein, künftig der Fraktion vorzustehen. Trotz Verzicht auf den AWO-Vorsitz mischt er immer noch in einigen anderen Gremien (u.a. Aufsichtsratsfunktionen und auch als Vichy-Beauftragter) kräftig mit. Das gefällt den Partei mitgliedern schon seit geraumer Zeit nicht mehr, zumal die SPD endlich auf dem Wege sein sollte, das „Sammeln“ von Posten und Pöstchen drastisch einzudämmen. Jedenfalls wird das auf jedem Parteitag gefordert.
Schaut man sich die z. Zt. im Rat sitzenden und aufgrund ihrer günstigen Listenplätze auch künftig im Ratssaal Platz nehmenden GenossInnen einmal näher an, so sind zwar einige an Alter und Ratszugehörigkeit erfahrene dabei, doch nur ganz wenige, die sich auch für den Fraktionsvorsitzeignen würden. Von denen, die als „Neue“ in den Rat einziehen, dürfte schon wegen der in der Fraktion herrschenden Hackordnung den GenossInnen vorerst kein/e Fraktionsvorsitzende/r erwachsen.
Als neue Fraktionsvorsitzende vorstellbar wäre sicherlich die Ratsfrau Ursula Aljets. Die Spitzenkandidatin im Wahlbereich Bant und Vorsitzende des Sozialausschusses hätte vom Fachlichen und von ihrer Durchsetzungskraft her das Zeug dazu. Doch sie hat sich in den Jahren ihrer Zugehörigkeit zum Rat nicht nur Freunde gemacht. Öffentlich geäußerte Kritik an Ratsbeschlüssen der eigenen Fraktion mögen die Genossen nun mal nicht.
Ratsherr Norbert Schmidt aus Neuengroden, der zugleich auch Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Wilhelmshaven ist, wäre gleichfalls
kompetent, dieses Amt zu übernehmen. Doch Fraktionsvorsitzender und Parteiboß – das dürfte nicht gut gehen und auch von den GenossInnen so nicht akzeptiert werden, zumal Schmidt immer wieder erklärt hat, daß die Partei die Richtlinien für die Fraktion zu bestimmen hat. Mit der zusätzlichen Übernahme dieser Funktion würde er sich in eine ständige Konfliktsituation begeben und so an Glaubwürdigkeit verlieren.
Denkbar wäre letztlich noch als ein Anwärter auf den ersten Sessel der Fraktion der Ratsherr Holger Barkowsky aus dem Stadtnorden. Doch ob der jugendpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, der diese Aufgabe mit Akribie und großem persönlichem Einsatz wahrnimmt, gewillt ist, dieses auch sehr zeitaufwendige Amt zu übernehmen, wird von Mitgenossen seines Umfelds bezweifelt.
Entscheidend wird letztlich der Wahlausgang am 17. September sein. Glaubt man den Politwissenschaftlern und Wahlforschern, die ein Herabsinken der SPD allerorts aufeinen Level um die 25 % voraussagen, dann könnte es zu einem Wechsel der politischen Mehrheiten in unserer Stadt kommen. Noch sind die Wilhelmshavener Sozialdemokraten verhalten optimistisch, trotz Jadebau-Affäre eine wenn auch sehr knappe – Mehrheit mit dem bislang-Partner FDP behalten zu können zumal CDU und Grüne am Ort es augenblicklich dem Wetter gleichtun und sich von einem Tief zum anderen hangeln.
Käme es trotzdem zu einer schwarz/grünen oder gar mehrfarbigen Mehrheitsfraktion, dann bestünde allerdings noch die Möglichkeit, daß der (dann) Ex-OB Eberhard Menzel als SPD-Oppositionsführer die neu gewählte Ratsfraktion dirigiert.
Ob aber er, der von der Ortspresse über Jahre in Bild und Text ständig so verwöhnte, von der Marine gehätschelte und durch hunderte von Schirmherrschaften und sonstigen „stadttragenden Aufgaben“ ständig in der Öffentlichkeit präsente, dann den Mumm haben wird, vom gewohnten Hochsitz auf den harten und ungewohnten Oppositionsstuhl (her)abzusteigen, darf allerdings erst einmal bezweifelt werden.

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