Sozialhilfe
Mrz 011982
 

Auf dem Rücken der Frauen und Kinder

Bei der Erstellung des Sparhaushaltes wurde von der Bundesregierung der Rotstift kräftig bei den Sozialhilfeleistungen angesetzt . Richtig, wird so mancher gedacht haben, endlich geht es den Schmarotzern der Gesellschaft an den Kragen.

Diese weitverbreitete Meinung über den Personenkreis der Sozialhilfe empfängt, beruht auf Unkenntnis über die tatsächlich von der Sozialhilfe Betroffenen. Es sind zu 71% sogenannte Einelternfamilien, d.h. Alleinerziehende, meist Frauen mit Kindern. Es sind meist Frauen aus geschiedenen Ehen, deren ehemalige Ehemänner kein so hohes Einkommen haben, daß sie neben ihrem eigenen Haushalt auch den der ehemaligen Ehefrau und der Kinder unterhalten können.
Bisher wurde der Sozialhilfesatz jährlich auf der Grundlage des sogenannten Warenkorbes festgesetzt. Es wurden die zum Leben notwendigen Kosten errechnet. Grundlage waren die minimalen Kosten für ein sogenanntes menschenwürdiges Leben. Der Warenkorb hätte eine Steigerung des Sozialhilfesatzes um 31,3% für die Mütter und zwischen 15,1% und 43,2% für die Kinder bedeutet. Unter diesem Kostendruck hat die Bundesregierurig entschieden, daß ihr ihr eigenes Wohl näher liegt, als das der Sozialhilfeberechtigten. Zunächst für die Jahre 1982 und 1983 werden alle Sozialhilfesätze nur um 3% angehoben. Dabei wird in Kauf genommen, daß die Grenze des Existenzminimums unterschritten wird.
Damit nicht genug. Einmal beim Kürzen ging man nach dem alten Brauch vor, der in der Seefahrt in Notsituationen gepflegt wird: Frauen und Kinder zuerst.
Bisher erhielten Alleinerziehende mit 2 oder 3 Kindern einen Zuschlag von 30% und mit 4 und mehr Kindern einen Zuschlag von 50% auf den Grundbetrag. Diese Sätze wurden auf 20% bzw. 40% gekürzt.
Dies hat zur Folge, daß bei größeren Einelternfamilien nicht nur eine Verschlechterung des Realeinkommens eintritt, sondern ein Abzug in DM-Beträgen erfolgt.
Zuletzt wurde auch noch an den werdenden Müttern gespart. Hier gab es bisher einen Zuschlag von 30% vom Beginn der Schwangerschaft an, um den Mehraufwand an qualitativ besserer Nahrung, Körperpflegemitteln und Kleidung aufzufangen. Dieser Zuschlag wurde auf 20 % gesenkt und wird erst vom sechsten Schwangerschaftsmonat an gezahlt.

  • Wer wagt es noch, von einer kinder- und familienfreundlichen Gesellschaft zu sprechen.
  • Wer erwartet noch, daß Frauen, Kinder und Jugendliche, die unter diesen unzulänglichen wirtschaftlichen Bedingungen leben müssen, sich dieser Gesellschaft zugehörig fühlen und sie aktiv mit gestalten.

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