Einen Schritt weiter...
Die nächste Station im „Fall Simmersbach“ ist das Verwaltungsgericht
(ef/noa) Am 21. September 1999 übersandte die SPD ihrem ehemaligen Mitglied Horst Simmersbach aus Wilhelmshaven den Beschluss der Bundesschiedskommission, in dem der Ausschluss des Genossen durch die Bezirksschiedskommission Weser-Ems bestätigt wurde.
Zur Erinnerung und für die Leserinnen und Leser, die den GEGENWIND nicht regelmäßig bekommen:
Horst Simmersbach kandidierte bei der Bundestagswahl 1998 als Einzelbewerber um ein Bundestagsmandat. Die SPD, der er angehörte, forderte ihn auf, seine Kandidatur zurückzuziehen und „jeglichen Wahlkampf insbesondere gegen unsere Genossin Gabriele Iwersen zu unterlassen“. Simmersbach zog seine Kandidatur nicht zurück – was auch gar nicht gegangen wäre – und bekam ein Parteiordnungsverfahren „mit dem Ziel des Ausschlusses aus der Partei“ (vgl. GEGENWIND 149, „Wie unbequem darf ein Sozialdemokrat sein?“).
Die Bezirksschiedskommission Weser-Ems verhandelte und beschloss am 11.3.99. Simmersbach konnte an der Verhandlung nicht persönlich teilnehmen, hatte jedoch seine Beweggründe für die Einzelkandidatur schriftlich ausgeführt. Seine Argumentation legte er in einem GEGENWIND-Gespräch (vgl. Ausgabe 152, „Sozialdemokrat ohne Partei“) dar: Das Recht auf Einzelkandidatur ist ein Persönlichkeitsrecht, das juristisch höher zu bewerten ist als das Recht der Parteien, Kandidaten zu nominieren und damit alle anderen Parteimitglieder von der Bewerbung auf ein Mandat auszuschließen; auch allemal höher als das Interesse der Parteien, ihre „ausgeguckten“ Kandidaten „durchzubringen“.
In diesem GEGENWIND-Gespräch machte er deutlich, dass es ihm mit seiner Einzelkandidatur darum gegangen war, ein Verfahren in Gang zu setzen, in dem geklärt wird, dass jedeR BürgerIn dieses Recht hat und dass die Parteien ihren Mitgliedern dieses Recht nicht nehmen dürfen.
Dies ist eine rechtliche Angelegenheit, mit der sich staatliche Gerichte und nicht Parteikommissionen zu befassen haben, und um diese rechtliche Feststellung zu erzielen, musste Simmersbach sein Ausschlussverfahren bis zur höchsten SPD-internen Ebene, der Bundesschiedskommission, durchstehen – und verlieren.
Die Bundesschiedskommission folgte in der Begründung ihres Beschlusses weitgehend den Gedankengängen der Bezirksschiedskommission. Horst Simmersbach habe der SPD mit seiner Einzelkandidatur schweren Schaden zugefügt, indem er gegen die offizielle SPD-Kandidatin angetreten sei. „Jedes Mitglied habe nach § 5 OrgStatut die Pflicht, die Ziele der Sozialdemokratischen Partei zu unterstützen. Dies gelte gerade auch für die Unterstützung der SPD-Kandidaten bei wichtigen Wahlen. (…) Der Fall sei nicht anders zu behandeln als die Mitgliedschaft eines SPD-Mitgliedes in einer anderen politischen Partei oder die Kandidatur für eine solche.“ (aus dem Beschluss)
Die Kommission hat die Argumentation von Horst Simmersbach zwar zur Kenntnis genommen: „Die Bedrohung mit dem Ausschluß sei in einem solchen Fall rechtsstaatlich bedenklich, zumal die Einzelkandidatur die unterschiedlichsten Gründe haben könne. Seine Motive hätten gewürdigt werden müssen. So hätten bereits Gerichte festgestellt, dass die Wahrnehmung des passiven Wahlrechts ein höher zu bewertende Rechtsgut sei als das Disziplinierungsverlangen einer Partei und keinen vertretbaren Grund für einen Parteiausschluß darstelle.“ Sie hat aber ihrerseits gegen diese rechtliche Argumentation ihre parteipolitische Argumentation gesetzt: „Mit seinem Verhalten hat er die Chancen der für die SPD aufgrund des innerparteilichen Willensbildungsprozesses als Kandidatin aufgestellten Genossin geschmälert, denn jede Stimme für den Antragsgegner – und gerade die Stimmen solcher Wähler, die den Gedanken der Sozialdemokratie nahestehen – wurde der SPD-Kandidatin entzogen. (…) Der Antragsgegner konnte und mußte sich entscheiden, ob er seine politischen Vorstellungen innerhalb der SPD – dann aber unter Anerkennung der satzungsrechtlichen Vorgaben und der darauf geforderten Verfahrensweisen – verwirklichen wollte oder außerhalb der Partei als einzelner.“
Nun, genau da liegt das Problem: Inhaltlich und politisch hat Horst Simmersbach keine anderen Ziele als die SPD. Er wendet sich nicht gegen sozialdemokratische Ziele, sondern gegen die seiner Meinung nach undemokratischen Verfahrensweisen der Parteien (nicht nur der SPD).
Schon im oben erwähnten GEGENWIND-Gespräch hat Horst Simmersbach auf die Reihe von Einzelkandidaturen für die „eingleisigen“ Bürgermeisterposten in Ostfriesland hingewiesen. „In Ostfriesland denkt sich jetzt manch einer: Ich habe hier die ganzen Jahre die politische Arbeit gemacht, und nun, wo es um einen bezahlten Posten mit Pensionsberechtigung geht, schickt die Partei einen von außerhalb her. Es kann doch nicht rechtens sein, dass man diesen Leuten die Kandidatur verbietet.“
Der „Fall Simmersbach“ steht insofern nicht für sich allein. Er unterscheidet sich von anderen Fällen lediglich darin, dass Simmersbach zur Bundestagswahl und nicht „nur“ zu einer kommunalen Wahl angetreten ist, und darin, dass er seinen Ausschluss schon hat.
In der Gemeinde Südbrookmerland ist ein Sozialdemokrat gegen den von seiner Partei nominierten Kandidaten angetreten und hat ihn in der Stichwahl geschlagen. Herr Schallmeier ist somit wahrscheinlich der erste SPD-Bürgermeister, gegen den ein Parteiordnungsverfahren mit dem Ziel des Ausschlusses läuft.
Ob Herr Schallmeier so beharrlich wie Simmersbach seine Sache vertreten und gegen den Ausschluss angehen wird, wird sich zeigen. Simmersbach jedenfalls wird nun, da der Ausschluss von ganz oben bestätigt worden ist, die staatlichen Gerichte bemühen.
Bis die entschieden haben, wird Simmersbach vielleicht schon wieder SPD-Mitglied sein. Er hat jüngst einen Aufnahmeantrag gestellt. Der Genosse, der ihn geworben hat, hat bei der Parteizentrale in Berlin erfahren, dass nach einem Parteiausschluss oder –austritt ein erneuter Aufnahmeantrag zu behandeln ist wie ein erster. Der Vorstand des Ortsvereins Fedderwardergroden-Himmelreich wird in seiner nächsten Sitzung über die Aufnahme von Horst Simmersbach entscheiden.
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