Seemannsheim
Okt 081990
 

Obdachlose obdachlos

Nach 15 Jahren kommt das Aus für das Seemannsheim

(ub) Das Seemannsheim in der Marienstraße macht dicht! Wilhelmshavens bekannteste Adresse für durchreisende Wohnungslose, Asylbewerber, Aus- und Übersiedler und städtische Obdachlose schließt seine Pforten für immer zum Ende dieses Jahres.

Seit nunmehr 15 Jahren ist das Seemannsheim Anlaufstation für plötzlich obdachlos Gewordene und sogenannte „Nichtseßhafte“, ein immer noch häufig benutzter diskriminierender Begriff aus der Zeit des Nationalsozialismus; eine zudem irreführende Bezeichnung für Menschen, die aus wirtschaftlicher und sozialer Not heraus keinen eigenen Wohnraum anmieten können.
Auch in Wilhelmshaven hat sich die Situation auf dem Wohnungsmarkt spürbar verschärft. Insbesondere Asylbewerber haben schlechte Karten. Sie rangieren in der Gunst der Hausbesitzer an letzter Stelle, weit hinter den übrigen Ausländern und den Aus- und Übersiedlern. Angemessener Wohnraum für Großfamilien, aber auch für Einzelpersonen, steht so gut wie nicht zur Verfügung.

Letzte Möglichkeit

Für das Flüchtlingsamt der Stadt Wilhelmshaven ist die Unterbringung von Asylbewerbern im Seemannsheim häufig die letzte Möglichkeit. Asylbewerber machen denn auch den größten Anteil der Bewohner im Haus Marienstraße 13 – 15 aus. Die jetzt noch zur Verfügung stehenden 65 Betten im Seemannsheim sind nahezu ständig ausgebucht. Die Verweildauer in der als Übergangs- bzw. Tagesunterbringung konzipierten Einrichtung nimmt zu.gw096_seemannsheim
Diese prekäre Ausgangssituation muß man vor Augen haben, will man die Schließung des Seemannsheimes in ihrer Dramatik richtig beurteilen. In einer Zeit, in der andere Städte bereits zu so fragwürdigen Alternativen wie dem Aufstellen von Wohncontainern und der Unterbringung auf sogenannten Wohnschiffen (Hamburg, Bremen) greifen müssen, flattert der Seemannsmission als Betreiberin des Seemannsheims die Kündigung ins Haus.
Die Landesstelle der Diakonie in Oldenburg hat andere Pläne mit diesem Haus. Das Diakonische Werk der evangelischen Kirche in Wilhelmshaven mit seinem umfangreichen Hilfsangebot von der Suchtberatung bis hin zur Hilfestellung für eben jenes Klientel, das häufig zumindest vorübergehend nur im Seemannsheim unterzubringen ist, platzt aus allen Nähten. Zudem möchte die Gemeinde Bant das jetzige Domizil des Diakonischen Werkes in der Werftstraße anderweitig nutzen.
Die Gemeinde Bant kündigt der Diakonie, die Diakonie kündigt der Seemannsmission, die Seemannsmission schließt das Seemannsheim und setzt die Bewohner vor die Tür. Was nach dem 31.12. wird, ist anscheinend noch völlig ungewiß. Der Leiter des Seemannsheims und in dieser Funktion auch Vorgesetzter von zehn MitarbeiterInnen Bobist musste auf Anfrage des GEGENWIND einräumen, daß alternative Pläne zum jetzigen Standort noch nicht erarbeitet wurden. Bobist: „Die Stadt wird sich was einfallen lassen müssen.“
Schon jetzt weigern sich einige Wilhelmshavener Hotelbesitzer, Asylbewerber vorübergehend zu beherbergen. Zur sicherlich nicht unumstrittenen Hotelunterbringung ist im Moment keine Alternative in Sicht. Ein Ausweichen auf andere Hotels, die noch bereit sind, obdachlose Asylbewerber unterzubringen, wird unausweichlich, denn die Platzkapazität in dem Anfang Oktober entstandenen Asylantenwohnheim Banter Deich ist begrenzt.
Informationen aus dem Stadtrat zufolge könnte sich die Zahl der Asylbewerber in nächster Zeit drastisch erhöhen. Dann wird es teuer für die finanziell ohnehin gebeutelte Stadt Wilhelmshaven – mit 30 DM für Übernachtung und Frühstück liegt das Seemannsheim deutlich im untersten Preisniveau.

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