Trockengelegt
Schwimmsport in Wilhelmshaven – nur noch für Besserverdienende?
(iz) Gut ein Jahr nach Schließung des Citybades und Eröffnung des „Nautimo“ scheint dort alles in geregelten Bahnen zu laufen; auch über die gestiegenen Eintrittspreise regt sich kaum noch jemand auf. Davon betroffen sind jedoch auch die Schwimmvereine – für die sind geänderte Preise und Trainingszeiten ein dauer- und ernsthaftes Problem.
Bernhard Abbass, Pressewart der WSSV-Schwimmabteilung, veröffentlichte dazu einen Beitrag in der Vereinszeitschrift „Forum Press“. Doch seines Erachtens ist das Thema, „wie die Stadt Wilhelmshaven im Zusammenspiel mit der Nautimo-GmbH den Schwimmsport in unserer Stadt kaputt macht, auch etwas für die Öffentlichkeit“. In der Tat, denn Sportförderung ist auch Jugend- und Sozialarbeit. Bei der WZ bekam Herr Abbass allerdings bisher kein Bein an Land, sie ist sozusagen vor diesem Thema abgetaucht. Wir haben uns mit ihm unterhalten und eigene Recherchen angestellt.
„Lange vorbei sind die ‚Goldenen Zeiten’ der 70er und 80er Jahre“, so Abbass, als es in der Stadt noch drei Frei- und zwei Hallenbäder gab, in denen die Vereine unentgeltlich trainieren konnten. Heute zahlt der WSSV jährlich 7500 Euro für die Nutzung des Sportbeckens im Nautimo. Bezahlt werden auch die nicht genutzten Sommerzeiten – während der Ferien, in denen mit mehr Besuchern gerechnet wird, dürfen die Vereine gar nicht trainieren. Für Wettkampfveranstaltungen, die das ganze Becken erfordern, werden zusätzlich 50 Euro pro Stunde fällig (bisher knapp 36) – das macht für ganztägige Veranstaltungen wie den „Rüstringer Friesen“ 650 Euro. Anders als im alten Citybad gibt es im Nautimo keine Zuschauertribüne, Wettkämpfe sind somit weniger attraktiv als öffentliches „event“, mit dem auch neue Sportbegeisterte gewonnen werden könnten.
„Früher mussten Vereinsmitglieder nur den nackten Vereinsbeitrag zahlen“, erinnert sich Abbass. Das sind heute z. B. für eine Schwimmfamilie mit zwei Kindern und einem Elternteil aktiv bei den „Masters“ 18 Euro monatlich. Um überhaupt trainieren zu dürfen, muss die Familie aber noch mal 18 Euro drauflegen. Zweckfreies Trainieren ohne ein Wettkampfziel ist aber langweilig, also wird auch zu Wettkämpfen und Meisterschaften gefahren. „Der Elternteil zahlt dafür alles selbst – Fahrtkosten, Unterbringung und auch Startgelder. Am Wettkampfort wird dann weniger gestartet bzw. nur so oft, wie der Geldbeutel es zulässt“. Einzig bei offiziellen Meisterschaften trägt der Verein das Startgeld, nicht aber bei reinen Vergleichswettkämpfen. „Eigene Wettbewerbe im ‚Spaßbad’ Wilhelmshavens, bei denen Startgelder, Fahrt- und Übernachtungskosten entfallen, stehen wegen der hohen Mietkosten für das Becken vor dem Aus“. Unterm Strich, so Abbass’ Befürchtung, wird es zukünftig vom Familieneinkommen abhängen, ob die Kinder sich zu Leistungsträgern im Schwimmsport entwickeln können.
Auch die ehrenamtlichen Übungsleiter und Kampfrichter opfern neben ihrer Freizeit zunehmend ihr eigenes Geld für die gute Sache – „Fahrtkosten werden schon lange nicht mehr erstattet, Weiterbildung gibt es nur auf eigene Kosten“.
Ein Lichtblick in dieser trüben Brühe ist das Freibad Nord, seit diesem Jahr unter privater Leitung von Jan Alter. Dort dürfen alle Vereine kostenlos trainieren. Darüber hinaus kommt das Freibad auch sportlichen Schwimmern entgegen, die nicht im Verein organisiert sind: Kurzschwimmer (90 Minuten) zahlen nur 2 Euro, Kinder einen Euro. Das ist die Hälfte des Nautimo-Tarifes. Mit den Wertkarten, die im Nautimo abgeschafft wurden, kann man im Freibad Nord die Kosten für einen Badbesuch sogar auf 1,20 Euro senken. Günstiger kann man kaum etwas für die Gesundheit tun.
Wir wollten auch andere Beteiligte zu Wort kommen lassen und haben deshalb die Stadt um Stellungnahme zur finanziellen Belastung der Schwimmvereine gebeten. Doch wie immer, wenn es um eine privatisierte städtische Tochtergesellschaft – hier die Nautimo GmbH – geht, möchte man Stillschweigen bewahren, wenn es um Zahlen geht. Um die Darstellung hiesiger Vereine gerecht bewerten zu können, haben wir auch andere niedersächsische Städte um Vergleichszahlen gebeten. Doch überall dort, wo eine privatisierte Gesellschaft die Bäder bewirtschaftet, werden solche Zahlen „vertraulich behandelt“. Andere Städte hingegen stellen ihre Mietpreise auch im Internet öffentlich zur Verfügung. So zahlen Schwimmvereine in Mühlheim an der Ruhr pro 25m-Bahn und Stunde je nach Beckengröße zwischen 1,50 und 4,50 Euro, in Kiel 7,50 Euro. In Karlsruhe kostet die Bahn 15 Euro pro Stunde, wovon die Vereine aber nur 3 Euro tragen, der Rest kommt aus dem Sportetat.
Unsere weitergehenden Fragen – „welchen Stellenwert räumt die Stadt der Förderung aktiver Sportler ein, welche Kürzungen hat es in den vergangenen Jahren gegeben, wie sind die begründet?“ und welchen Stellenwert der Schwimmunterricht an Schulen in der neu geordneten Bäderlandschaft hat – hätte die Stadt Wilhelmshaven allerdings durchaus beantworten können, ohne die Rechte Dritter zu verletzen. Vielleicht können wir dazu ja noch was nachliefern.
Das Schweigen der Verantwortlichen belegt, dass eine rein betriebswirtschaftliche Herangehensweise, die Privatisierung bis hin zu „private public partnerships“, dort ihre Grenzen hat, wo es um gesellschaftliche Kernaufgaben einer Kommune geht. Zumindest äußerte sich hierzu Carl Stephan Matti, Geschäftsführer der
Bäderbetriebsgesellschaft Oldenburg mbH: „Natürlich schießt die Stadt den Vereinen, Schulen und natürlich auch den öffentlichen Nutzern einen Betrag zu. Der Bäderbetrieb ist ein geborener Verlustbetrieb. Wir können keine Gewinne erwirtschaften. Der Fehlbetrag im Haushalt beträgt mehr als 2,23 Mio. Euro pro Jahr, das macht bei 800.000 Jahresbesuchern eine Unterdeckung von ca. 2,60 Euro pro Besucher. Auch hier ist das ein Mittel, es wird somit Besuchergruppen geben, die mit ca. 8 Euro bezuschusst werden, aber auch welche (z. B. Saunagäste) die einen positiven Deckungsbeitrag haben. Im Weiteren werden an das Amt für Schule und Sport, Jugendamt, Sozialamt usw. weitere Gelder zur Verfügung gestellt, die wiederum zum Kauf von Nutzungszeiten benötigt werden.“
Schwimmen ist nicht nur ein Breitensport, der neben der Gesundheit auch die Persönlichkeitsentwicklung und soziale Kompetenzen fördert. Schwimmen ist wie Radfahren eine Grundfertigkeit, die schon kleine Menschen beherrschen sollten. Wie kann es angehen, dass – wie neulich bei Emden geschehen – ein 8-Jähriger ertrinkt, weil er nicht schwimmen kann? Wenn die Eltern es verbaseln, dem Kind das beizubringen, ist das eine Sache – wenn sie es sich nicht leisten können, eine andere, vermeidbare.
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