Viele Wilhelmshavener können die Prioritäten der Stadtspitze immer weniger verstehen – der Stadtelternrat fordert andere Prioritäten
(noa) Wilhelmshaven ist arm – das weiß mittlerweile jeder. Die Gründe sind vielfältig und sollen hier nicht aufgezählt werden. Hier soll es vielmehr darum gehen, nachzuschauen, wie die Stadt dem Geldmangel begegnet – auch das nicht erschöpfend, denn das würde mehrere GEGENWIND-Ausgaben füllen.
Jahrelang wurde kein Geld in die Erhaltung des Freibades am Sportforum gesteckt. Die Mängel sind dort so groß geworden, dass beschlossen wurde, es in diesem Jahr nicht zu öffnen. Viel Eigeninitiative und Spendenfreudigkeit von Bürgern, Vereinen und Geschäftsleuten ermöglichte eine notdürftige Wiederherstellung, so dass das Bad wenigstens für die Dauer der Sommerferien geöffnet war – möglicherweise zum letzten Mal.
Mit den Schulen geht die Stadt genauso um wie mit den Bädern. Die beabsichtigte Schließung der Grundschule Neuende wurde seinerzeit u.a. mit dem schlechten baulichen Zustand des Schulgebäudes begründet. Die sehr aktive Elternschaft konnte die Schließung zum Ende des vergangenen Schuljahres – vorerst jedenfalls – abwenden.
„Mit 15 Millionen ‚Miesen’ in die Klausur“, meldete die „WZ“ am 19. September. Der Stadtelternrat hatte schon vorher getagt und beschlossen, den Ratsmitgliedern rechtzeitig vor den Klausurtagungen zum Haushalt 2004 eine Änderung der Prioritäten anzutragen. Nach der großzügigen Sportstättenförderung der letzten zwei Jahre müsse nun „etwas für die Kinder und Jugendlichen in der Stadt getan werden“, schrieb er, und führte den Bauunterhaltungsbedarf für die Wilhelmshavener Grundschulen (insgesamt 7,1 Mio. Euro) im Einzelnen auf. Aus dieser Liste nennen wir exemplarisch zwei Schulen.
Die Grundschule Neuende braucht Bauunterhaltungsmaßnahmen in Höhe von 750000 Euro. Die Eltern haben u.a. ein Klettergerüst finanziert und auf dem Schulhof aufgestellt, den benachbarten Bunker begrünt, den Hof gestaltet und Bäume gepflanzt. Aus der Elternkasse schaffen sie Bücher und Spielzeug an, damit ihre Kinder in den Pausen sinnvolle Beschäftigungsmöglichkeiten haben, und auch die Gemüsegärten der Klassen kamen durch Geld und Arbeit der Eltern zustande. Die Elternkasse wird gefüllt durch Feste, an denen auch Nachbarn (ehemalige Schüler) der Schule teilnehmen.
Das Engagement der Neuender Eltern findet Unterstützung bei der Schulleiterin, die Sponsoren auftat für die Reparatur der alten Schuluhr, die irgendwann vor Jahrzehnten mal stehen blieb und seither in irgendeiner Kammer verstaubte. Für die dringend erforderliche Umgestaltung des Schulhofes sind Sponsoren gewonnen worden; das Geld liegt bereit; doch da die Schließung der Schule immer noch droht, warten Eltern und Sponsoren im Moment lieber ab.
Auch für die Sanierung der Ansgarischule sind 750000 Euro erforderlich. Die (katholische) Ansgarischule ist bekanntlich zum Beginn des laufenden Schuljahres in das Gebäude der aufgelösten Ruselerschule umgezogen. Die Eltern dieser Schule hatten im alten Gebäude nicht nur die Klassenräume, sondern auch die ehemalige Hausmeisterwohnung renoviert, um diese Räumlichkeiten wieder nutzbar zu machen, nicht als Klassenzimmer, denn mangels Feuertreppe wäre das nicht zulässig gewesen, aber für die Arbeit der Elternvertretung und zur Nutzung durch die Lehrkräfte. Während der Sommerferien wurden (die „WZ“ berichtete darüber) die Klassenräume des „neuen“ Gebäudes frisch gestrichen. Dass das durch Arbeitskräfte der GAQ und der kath. Kirche geschah, war ursprünglich nicht geplant gewesen: Die Stadt hatte die Eltern aufgefordert, den Anstrich vorzunehmen, und hatte 5000 Euro für die Farbe angeboten!
Die Schule sieht für die Kinder jetzt, mit dem neuen Anstrich, etwas freundlicher aus, doch das ist nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein, denn Fassaden, Dach und Fenster sind sanierungsbedürftig, und voraussichtlich wird der neue Anstrich der aus allen Richtungen eindringenden Feuchtigkeit nicht lange standhalten können. Am schlimmsten jedoch steht es um die Toiletten. Wir wissen von einer Schülerin, die sich den Toilettengang den ganzen Vormittag lang verkneift, weil die Klos nicht nur außerhalb des Schulgebäudes in einer finsteren Ecke gelegen sind, sondern auch in einem schlimmen Zustand sind.
Im Schreiben des Stadtelternrates an die Ratsmitglieder wird auch die geplante Umgestaltung der Marktstraße, die 800000 Euro kosten soll, erwähnt. Zur Schulausschuss-Sitzung am 2. Oktober kam der StER darauf zurück. Er brachte einen Antrag auf Beschlussfassung ein. Der Schulausschuss hat mit großer Mehrheit dem Antrag zugestimmt und wird den Rat der Stadt am 4. November auffordern, zusätzliche Haushaltsmittel für die Bauunterhaltung der Wilhelmshavener Schulen zur Verfügung zu stellen. Vom StER-Vorschlag der Kompensation durch Verzicht auf den Umbau der Marktstraße hat der Schulausschuss abgesehen, da man nicht andere städtische Ausschüsse mit „Sparmaßnahmen“ überrumpeln möchte. Nun ist der Rat aufgefordert, sich mit der Bauunterhaltung der Schulen auseinander zu setzen.
Auch dem zweiten Antrag des StER, für die Betreuungsklassen der Verlässlichen Grundschulen je 250,- Euro beim Rat zu beantragen, hat der Schulausschuss mit großer Mehrheit zugestimmt.
Schauen wir mal, wie mutig die Politik am 4. November mit den realen Problemen der Schulen umgeht.
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