Schuldnerberatung
Mrz 012006
 

Ersparnisse

Zur Schuldnerberatung zu gehen lohnt sich!

(noa) Dass Wilhelmshaven einen Spitzenplatz in puncto Überschuldung von Privathaushalten und bezüglich Privatinsolvenzen hat, ist wohl hinreichend bekannt. Insofern brachte die ALI-Versammlung am 14. Februar, zu der Almuth Thomsen, die Schuldnerberaterin des Landkreises Friesland, eingeladen war, keine neuen Erkenntnisse.

Frau Thomsen berichtete aber dennoch eine Menge interessanter Fakten. Z.B. dazu, wie Menschen, die bei Schuldnerberatungsstellen Rat und Hilfe suchen, in ihre missliche Lage gekommen sind. Entgegen einem weit verbreiteten Vorurteil steht da der Leichtsinn, mehr zu kaufen, als man sich leisten kann, nicht ganz oben auf der Liste. Den ersten Platz bei den Auslösern von Überschuldung teilen sich zwei Faktoren, die oft in Zusammenhang zueinander stehen, nämlich Arbeitslosigkeit und Trennung/Scheidung mit je 23 % aller Fälle. Überhöhter Konsum folgt allerdings gleich auf Platz 2 mit 21 %. Und eine gescheiterte Selbstständigkeit ist in 20 % der Fälle der Grund dafür, dass jemand mit seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr zurechtkommt. Hier kam natürlich aus der Zuhörerschaft (schätzungsweise alle erbitterte Gegner der Hartz-Gesetze) sofort die Frage, welchen Anteil hieran Ich-AGs haben, doch das konnte die Referentin leider nicht beantworten. Weitere häufige Gründe dafür, dass Menschen in die Schuldenfalle geraten, sind Krankheit, Unfall oder Tod eines Angehörigen mit 13 % und dauerhaftes Niedrigeinkommen mit 8 %. Der Rest verteilt sich auf sonstige Umstände (Sucht, Bürgschaften usw.).
Diese Verteilung der Ursachen wird sich sicherlich im Lauf der Zeit etwas verschieben. Wenn Frau Thomsen z.B. berichtet, dass ältere Menschen ihre Schulden eher bei Banken und junge eher bei Mobilfunkunternehmen haben, kann man sich leicht ausrechnen, dass der Faktor „überhöhter Konsum“ (in Form von „zuviel Telefonieren/SMSen“) auf dem Vormarsch ist. Gegenwärtig ist etwa jeder zehnte Jugendliche bei Telefonunternehmen verschuldet – Schulden, die diese Kids 30 Jahre lang nicht loswerden, wenn sie sie nicht bezahlen (können).
Aber zurück zum Thema Arbeitslosigkeit und dauerhaftes Niedrigeinkommen: Mitbetroffen davon sind häufig auch Kinder. Und was die Zahl der Kinder angeht, die in Armut aufwachsen müssen, steht Wilhelmshaven bundesweit auf Platz 3, nur noch übertroffen von Delmenhorst und Pirmasens. Die Kreise Friesland und Wittmund liegen mit den Plätzen 25 bzw. 30 zwar weit hinter Wilhelmshaven, aber gemessen an der gesamten Liste immer noch erschreckend hoch. Es ist eine arme Gegend hier.
Das macht sich auch bemerkbar in der Arbeitsbelastung der Schuldnerberaterin. Seit 1995 hatte sie mindestens 200 Fälle pro Jahr zu bearbeiten, und wenn sie mehr Zeit hätte, wären es auch mehr. Zeitweise musste sie Ratsuchende auch schon auf eine Warteliste setzen. Zurzeit hat sie eine 1 Euro-Kraft zur Unterstützung; ohne diese gäbe es auch jetzt Wartezeiten. Wenn die Überschuldung weiterhin so zunimmt wie bisher, wird sie einen Kollegen oder eine Kollegin brauchen: Dem Schuldenreport 2006 zufolge ist derzeit jeder 12. Haushalt in Deutschland nicht mehr fähig, seine Verpflichtungen einzuhalten – in den letzten 13 Jahren hat sich die Anzahl überschuldeter Haushalte auf 3,1 Millionen mehr als verdoppelt.
Während die Zahl ver- und überschuldeter Menschen zunimmt, wächst auch die Anzahl der Inkassobüros (Schuldeneintreiber), und wenn die eingeschaltet werden, wächst eine einzelne Schuld schnell in unermessliche Höhen. Frau Thomsen erzählte von einigen Fällen, die sie im Lauf der Jahre bearbeitet hat, und diese Fälle zeigen zweierlei ganz deutlich auf: Wenn man offene Rechnungen liegen hat, muss man schnell etwas tun. Und: Es lohnt sich, zur Schuldnerberatung zu gehen.
Was kann die Schuldnerberatung für ihre „KundInnen“ tun? In vielen Fällen bekommt Frau Thomsen einen Stapel Papiere mitgebracht, der auch ungeöffnete Briefumschläge umfasst. Der erste Schritt der Beratung besteht darin, sich erst einmal einen Überblick über die Schulden einerseits und die finanziellen Möglichkeiten der Hilfe suchenden Person andererseits zu verschaffen. Wenn eine Bank zur Tilgung eines Kredits höhere Raten fordert, als der Schuldner realistischerweise bezahlen kann, muss die Höhe der Raten gesenkt werden, und das erreicht eine öffentliche Stelle erfahrungsgemäß oft leichter als der Schuldner allein. Ein Brief der Schuldnerberatung wirkt auch besser, wenn ein Gläubiger eine hohe Summe auf einmal fordert, der Schuldner aber nur „abstottern“ kann. In beiden Fällen ist es ratsam, diese Hilfe auch in Anspruch zu nehmen, weil sonst die Schuldensumme sich durch Zinsen und die Kosten der Inkassobüros ohne irgendwelches Zutun des Schuldners leicht verdoppeln oder noch stärker erhöhen können, wie ein Fall aus der Praxis zeigte: Ein Kredit über 30.000 DM, von einem Ehepaar mit zwei Kindern aufgenommen, für den auch ein befreundetes Ehepaar bürgte, summierte sich im Lauf der Jahre auf über 300.000 DM und wäre wohl auch noch weiter gestiegen, wenn Frau Thomsen nicht geholfen hatte. Die Leute kamen zur Beratung, als sie schon rund 100.000 DM gezahlt hatten und sich darüber klar geworden waren, dass sie ihre Schulden nie loswerden konnten, da diese schneller stiegen, als sie zahlen konnten. Am Ende erreichte Frau Thomsen einen Vergleich mit dem Gläubiger, der sich mit den 100.000 DM zufrieden gab, und beide Ehepaare (die zu diesem Zeitpunkt übrigens nicht mehr befreundet waren!), waren schuldenfrei. Hier von „200.000 DM Ersparnis“ zu sprechen, klingt schon etwas seltsam. Weniger befremdlich war die Bezeichnis „Ersparnis“ im Fall einer Forderung von weit über 300 DM für eine Schuld von ursprünglich 19,80 DM. Der Gläubiger hatte einen Schuldeneintreiber eingeschaltet, jedoch erst nach Verjährung seiner Rechnung, so dass gar nichts gezahlt werden musste.
Wenn die Gegenüberstellung von Schulden und Einkünften ergibt, dass keine Aussicht besteht, je schuldenfrei zu werden, ist ein Insolvenzverfahren sinnvoll. Seit 1999 besteht diese Möglichkeit, und sie ist die sicherste Methode, sich zu entschulden. In einem Insolvenzverfahren wird eine Pfändungsgrenze festgestellt und damit die Summe ermittelt, die dem Schuldner auf jeden Fall bleibt. Was er darüber hinaus verdient oder sonst wie einnimmt, zahlt er zur Tilgung seiner Schulden. Nach sechs Jahren des „Wohlverhaltens“ ist aber Schluss, egal, wie viel den Gläubigern dann noch fehlt. Damit man danach endlich anfangen kann, unbelastet zu leben, muss man sich jedoch selbst vergewissern, dass eventuelle Schufa-Einträge gelöscht werden – eigentlich müssten das die Gläubiger veranlassen, doch darauf kann man sich nicht verlassen.

 

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