Schleuseninsel
Apr 302003
 

Objekt der Begierde

Die Schleuseninsel ist schon wieder in Gefahr

(iz) Wir schreiben das Jahr 2003 n. Chr. Ganz Wilhelmshaven befindet sich im Würgegriff größenwahnsinniger Betonköpfe … Ganz Wilhelmshaven? Nein! Eine von unbeugsamen Freizeitgärtnern bevölkerte Halbinsel im äußersten Südosten der Stadt hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten.

Im Zuge der Planungen für den JadeWeserPort soll die Schleuseninsel für Transportlogistik, Leichtindustrie und Dienstleistungsgewerbe genutzt werden. Zudem nimmt die Planung der Hafentorbrücke konkrete Formen an. Die derzeitigen Freizeitnutzer, die seit etwa 40 Jahren das Gelände pflegen, laufen Sturm gegen die Planungen.
Nicht zum ersten Mal. Schon für die EXPO am Meer sollte die Halbinsel überbaut und die Ausstellungsflächen und -Gebäude später gewerblich genutzt werden. Darauf hin hatte der Vorstand der Freizeitgemeinschaft Schleuseninsel e. V. den damaligen Stadtkämmerer Frank und den Umwelt- und Kulturdezernenten Graul zu einem Gespräch im Garten eingeladen. Frank war überrascht: „Ich wusste gar nicht, was für eine Idylle das hier ist – da müssen wir was tun”, sagte er mit Blick auf Graul, der nur zustimmend nicken konnte.
Die Schleuseninsel blieb unangetastet, statt dessen wurden – sinnvollerweise – die leer stehenden Kasernengebäude südlich der Emsstraße für die EXPO genutzt. Doch nun weckt der Containerhafen, auf den sich das gesamte Denken unserer Politik konzentriert, neue Begehrlichkeiten.

Mit Herzblut

In einem Gespräch mit dem GEGENWIND verdeutlichte der Vorstand der Freizeitgemeinschaft, weshalb der Verein um die Gärten kämpfen wird.
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde der Wilhelmshavener Kriegshafen von den Alliierten zerstört bzw. demontiert. Vom Tonnenhof (der heute im Sprachgebrauch unter die westlich liegende Schleuseninsel gefasst wird) blieb nur ein von Trümmern und riesigen Betonblöcken übersätes Gelände zurück. 1967 wurde das Gelände in 90 Parzellen von etwa 300 m² Fläche geteilt und an interessierte BürgerInnen vermietet. Mit Fleiß räumten die Mieter das Gelände von Trümmern, legten Wege an, bauten Häuschen und später auch eine Badetreppe am Deich, die von vielen Badegästen genutzt wird.
Der Verein wurde 1971 gegründet, um Klärgruben zu installieren und eine geordnete Müllentsorgung sicher zu stellen. Es wurden Wasser- und Stromleitungen installiert. Insgesamt haben die Mieter bis heute über 1 Mio. DM investiert ”Alle Maßnahmen wurden mit Einverständnis des Vermieters (früher Bundesvermögensstelle, heute Niedersächsisches Hafenamt – red.) und mit Genehmigung der zuständigen Behörden durchgeführt”, so Vereinsvorsitzender Hentschel. Insgesamt haben die Mieter bis heute über 1 Mio. DM investiert – im Vertrauen auf den Bestandsschutz der genehmigten Bauten.

Unsinnige Planungen

Der Widerstand des Vereins gilt nicht nur der Wahrung des eigenen Besitzstandes. Hentschel räumt ein, dass die Mietverträge, mit ausdrücklichem Hinweis auf eine mögliche hafenwirtschaftliche Nutzung, nur einen Monat Kündigungsfrist haben. Der Verein fürchtet auch den Verlust der benachbarten Baudenkmäler und Naturschutzflächen. Darüber hinaus würde die Erholungsfunktion für Hunderte von Badegästen, die hier an schönen Tagen jenseits des Südstrandtrubels am Deich liegen, verloren gehen.
Kritisch sieht der Verein das Nadelöhr Schleusenstraße. So lange die Hafentorbrücke nicht existiert, bzw. wenn deren Südrampe gebaut wird, müsste sich der gesamte Baustellenverkehr am Südstrand entlangquälen – die Südstrandgastronomie, bislang stets gut ausgebucht, wird deutliche Einbußen erleiden.
Wie viele Wilhelmshavener, hält der Verein den Bau des JadeWeserPorts für unsinnig, da realistische Zahlen zur Entwicklung der internationalen Containertransporte keine Erfolgsstory erwarten lassen. Und warum 12 km südlich des Hafens, auf der Schleuseninsel, Logistik und Dienstleistungen für den Port angesiedelt werden sollen, entzieht sich jeder Vernunft.
Die Freizeitgemeinschaft hat ihr Anliegen jetzt dem Petitionsausschuss des Niedersächsischen Landtags vorgetragen und wird demnächst persönlich mit einem hiesigen Abgeordneten sprechen.

Kommentar:

Kaimane statt Kreuzkröten
Die Schleuseninsel ist im städtischen Landschaftsrahmenplan von 1999 als wertvoller Naturbereich dargestellt. Der Rest der ehemaligen 3. Einfahrt hat sich zu einem naturnahen Gewässer entwickelt Dort brüten Röhrichtvögel, dort laichen Grasfrosch, Erdkröte und Teichmolch. Auf der ehemaligen Vogelwarteninsel im östlichen Teil der Schleuseninsel wachsen u. a. Orchideen. In den naturnahen Gärten der Freizeitgemeinschaft sind Kreuzkröten, Steinkäuze und Fledermäuse zu Hause. Dort ist es jedem Nutzer überlassen, wie hoch Gras und Hecken wachsen dürfen oder wie viel Fläche “unterm Spaten” ist. Vielleicht ist das ein Grund, weshalb der Verein in Politik und Tagespresse nicht das hohe Ansehen genießt wie die “ordentlichen” Kleingartenvereine?
Auch die sanfte Erholungsnutzung am Deich stört die Idylle nicht. Der Verein will keine Privilegien gegenüber anderen Erholungssuchenden. Die Umsiedlung der Dauercamper vom Geniusstrand zur Schleuseninsel wäre für den Verein vorstellbar.
Werden die Planungen Realität, verschwinden wieder einmal wichtige Flächen für den Naturschutz und die stille Naherholung im Stadtgebiet. Als “Ersatz” müssen künstliche Landschaften wie das Seewasseraquarium herhalten. Die dort untergebrachten Kaimane besitzen wohl einen höheren Stellenwert in der Politik als heimische Kröten und Vögel.

Imke Zwoch

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