Schicklgruber
Okt 081990
 

Schmierfink

(noa) Seit über einem Jahr, vielleicht schon seit mehreren Jahren, versendet ein anonymer Schmierfink Schmähschriften an Leute, die in Briefen an die WZ zu den unterschiedlichsten Themen linke oder humanistische Meinungen geäußert haben.

gw096_schmiereDie Anwürfe werden mit der Schreibmaschine geschrieben und auf offenen Postkarten verschickt. Als Absenderadresse verwendet der Anonymus wechselweise Anschriften, die er ebenfalls der WZ-Leserbriefseite entnommen hat, und schreibt auch jeweils passende Telefonnummern dazu. Ob er damit wohl versucht, alle ihm mißliebigen Personen aufeinanderzuhetzen?
Zwischen den Beschimpfungen, dem Dreck und den diffusen Drohungen läßt sich eine rechtsradikale Gesinnung herauslesen. Das Pseudonym, hinter dem der Schmierfink sich versteckt, soll wohl seinem Empfinden nach dazu passen: Alois Schicklgruber.

Der ursprüngliche Träger des Namens Adolf Schicklgruber war der Vater von Adolf Hitler. Geboren 1837 von der unverheirateten Magd und Köchin Maria Anna Schicklgruber in dem kleinen Ort Strones in der Nähe der böhmisch-österreichischen Grenze, wuchs Alois bei Johann Nepomuk Hüttler in Spittal auf. Seine Mutter heiratete fünf Jahre später den Bruder dieses Ziehvaters, Johann Georg Hiedler. (Die unterschiedliche Schreibweise des Nachnamens der beiden Brüder ergibt sich daraus, dass damals fast alle einfachen Leute Analphabeten waren und die Urkundsbeamten Namen so schrieben, wie sie sie verstanden.)
Wer der Vater von Alois Schicklgruber war, ist nie eindeutig geklärt worden.
Darüber, wie die nachträgliche Legitimierung Alois Schicklgrubers vor sich gegangen ist, widersprechen sich die Biografen; entweder der Witwer seiner Mutter, Hiedler, oder dessen Bruder, Hüttler, ließ 1876 die Standesamtseintragung über Alois‘ Geburt von „unehelich“ in „ehelich“ umschreiben, und drei Zeugen bestätigten, daß „der als Vater eingetragene Georg Hitler, welcher den gefertigten Zeugen wohl bekannt, sich als der von der Kindesmutter Anna Schicklgruber angegebene Vater des Kindes Alois bekannt und um die Eintragung seines Namens in das hiesige Taufbuch nachgesucht habe… “ Ab 1877, zwölf Jahre vor der Geburt seines Sohnes Adolf, trug Alois den Namen Hitler

Warum mag ein Nazi wie der Wilhelmshavener Schmierfink sich ausgerechnet diesen Namen ausgesucht haben? Eine Ähnlichkeit zwischen den beiden Schicklgrubers gibt es zwar: Als „genau, sogar pedantisch“ wurde Adolf Hitlers Vater von einem seiner Zollamtskollegen bezeichnet, und unser Wilhelmshavener Alois scheint genau und pedantisch Buch über seine postalischen Aktivitäten zu führen; wenn er denselben Empfänger nach mehreren Monaten mit einer zweiten Schmähschrift bedenkt, verwendet er dieselbe Absenderanschrift und -telefonnummer wie auf der ersten Karte.
Was die politische Einstellung angeht, wäre der Name des Sohnes schon passender als der des Vaters. Das mag er sich im März 1989 wohl selber auch gedacht haben. Damals noch unterschrieb er einen Schimpfbrief mit dem Namen „Adolf Schicklgruber“. Wurde ihm dann angst vor seiner eigenen Courage, oder fand er „Adolf“ eine Nummer zu groß für sich?

Ähnlichkeiten des Wilhelmshavener Schicklgruber mit Adolf Hitler bestehen nicht nur in der politischen Einstellung: Seine Ansichten, von denen er gerne behauptet, sie seien die des deutschen Volkes, sind ebenso wie die in „Mein Kampf“ entwickelten Ideen geprägt von paranoiden Vorstellungen. Wie Hitler die politischen Vorgänge seiner Jugendzeit nicht durchschaute und hinter allem, was ihm nicht gefiel, die „Verschwörung des internationalen Judentums“ sah, so bringt auch der Wilhelmshavener Alois Schicklgruber alles, was er auf der Leserbriefseite der WZ liest, ein bißchen durcheinander und wittert auch eine Art Verschwörung internationaler Art, dergestalt, daß Asylsuchende einzig zu dem Zweck zu uns kommen, das deutsche Volk in seiner Substanz zu schwächen.
Neben dem paranoiden Touch leidet Alois offenbar auch an einer Analfixierung. Ab und an formuliert er recht unflätig.
Der dokumentierte Ausschnitt aus einem seiner Schreiben zeigt außerdem, daß Alois Schicklgruber auch gerne in Gewaltphantasien schwelgt.

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