Es gibt keine Steigerung des Horrors
Wilhelmshavener Pfadfinder unterstützen Flüchtlinge aus Rwanda
(Ralf Neuser, André Schlüter, André Gänßler, red) Seit einigen Jahren unterstützen die Wilhelmshavener Georgs-Pfadfinder ihre rwandesischen Freunde in ihrer Entwicklungsarbeit. Höhepunkt dieses Kontaktes war der Besuch einiger LeiterInnen der Association des Scouts du Rwanda (ASR), des rwandesischen Pfadfinderverbandes, im Sommer 1993. Aus einer Unterstützung wurde Freundschaft. So verfolgen die Wilhelmshavener Pfadfinder die Ereignisse in Rwanda mit großer Sorge.
Spontan wurde eine Aufklärungs- und Hilfsaktion gestartet. Besonders die Mitglieder des Workteams „Eine Welt/Rwanda“ im Alter zwischen 11 und 23 Jahren setzen sich intensiv mit dem Thema auseinander. In vier Teams aufgeteilt wollen sie nun an der Cäcilienschule, dem Gymnasium am Mühlenweg, der OS Franziskusschule und der Realschule Franziskus ihre Informationen an Lehrer und Schüler weitertragen und um Spenden für ihre Freunde in Rwanda bitten.
„In Rwanda geschieht zur Zeit eine menschliche Tragödie, die jegliches Beschreiben unmöglich macht. Es gibt keine Steigerung des absoluten Horrors!“ So beschreibt der Verein Internationale Solidarität und Kommunikation (ISOKO) die verzweifelte Lage in Rwanda, das etwa die Größe von Hessen und rund 7,6 Millionen Einwohner hat.
Seit mindestens zwei Jahrhunderten ist in Rwanda, von verschiedenen Rassen keine Rede mehr. Die Minderheit der Tutsi hatte sich der Volksgruppe der Hutu soweit angenähert, daß beide Gruppen heute dieselbe Sprache, Religion und Kultur haben. Erst die deutschen und später vor allem die belgischen Kolonialherren teilten die Volksgruppen wieder nach Rassen ein, um durch Erhebung der Tutsi zur „Herrenrasse“ ihre Macht besser ausüben zu können. In den Befreiungskriegen von 1962 befreite sich die unterdrückte Bevölkerungsmehrheit der Hutu von ihren Kolonialherren und deren Handlangem, den Tutsi, von denen viele ins benachbarte Uganda vertrieben wurden. Seit 1990 nutzen machtbesessene Politiker diesen ehemals nur latent vorhandenen Konflikt zwischen den 30 Jahre relativ friedlich zusammenlebenden Volksgruppen, um mit rassistischer Hetze gegen die jeweils andere Volksgruppe Einfluß im Land zu gewinnen.
Hintergrund ist u.a. der Zerfall der Rohstoffpreise, welcher das zu 95% von der Landwirtschaft lebende Land in den wirtschaftlichen Ruin trieb. Besonders das Aussetzen des internationalen Kaffeeabkommens hatte für das zu 80% von der Kaffeeausfuhr abhängige Rwanda verheerende Folgen. In dieser wirtschaftlichen Katastrophensituation fällt die rassistische Hetze auf fruchtbaren Boden. Bei Morden von plündernden Banden und bei Pogromen der Bevölkerungsgruppen sind in den letzten Wochen über 500.000 Menschen getötet worden, bis zu 2 Millionen sollen auf der Flucht sein.
In Rwanda gibt es seit Ausbruch der Kämpfe auch gezielte Verfolgungen von Bürgern, die sich für Versöhnung und Menschenrechte einsetzen. Die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg (DPSG) und die Association des Scouts du Rwanda (ASR) arbeiten seit 15 Jahren gemeinsam mit anderen Organisationen für eine Aussöhnung der verfeindeten Gesellschaftsgruppen. Dieses in der rwandesischen Öffentlichkeit sehr bekannte Engagement hat dem Verband und vor allem dessen führenden Repräsentanten nicht nur Freunde gemacht. Sie gehören zu den die Todeslisten anführenden Persönlichkeiten, einige haben schon ihr Leben gelassen. Zu vielen Pfadfindern ist der Kontakt abgebrochen oder sie sind „verschwunden“. So wurde z.B. Immaculée, eine Funktionärin des ASR, die 1993 in Wilhelmshaven zu Besuch war, öffentlich per Rundfunk als angebliche Unterstützerin der Rebellen genannt. Nach Informationen aus Rwanda wurde sie mit ihrer 10köpfigen Familie ermordet.
Die DPSG bemüht sich seit Beginn der Massaker, den Betroffenen die Flucht aus Rwanda und die Einreise nach Deutschland zu ermöglichen. Einer Gruppe von 22 Frauen, Männern und Kindern ist jetzt die Flucht
nach Burundi gelungen. Doch die deutsche Botschaft verweigerte sechs Wochen lang die Einreisevisa, obwohl die DPSG sich verpflichtet hat, sämtliche anfallenden Kosten zu übernehmen. In Zusammenarbeit mit dem Innenministerium von NRW gelang es der DPSG Aufnahmezusagen für die 22 Personen zu bekommen. Doch nun verwehrte das Auswärtige Amt die Visa. Das Bundesinnenministerium lehnt die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen für Bürger aus Rwanda kategorisch ab. Auf Kosten schutzbedürftiger Menschen soll hier offensichtlich wieder einmal ein Exempel der Abschottung der „Festung Europa“ statuiert werden. Am 19. Mai erreichte die DPSG in Verhandlungen mit dem Innenministerium und dem Auswärtigen Amt, daß die 22 Bürger aus Rwanda ein Visum bekommen. Am 29.05. landeten diese dann in Deutschland.
Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes begründete den Meinungswechsel ihres Amtes damit, daß die Flüchtlinge nicht aus humanitären Gründen nach Deutschland kommen dürften, sondern nur, weil es den politischen Interessen der Bundesrepublik diene.
Traute Meiwald für EIRENE-Rwanda
Stichwort ASR-Flüchtlingshilfe
OLB Vechta
BLZ 280 228 22
Konto: 404 148 800 0
Die Spendengelder werden direkt und ausschließlich für die Versorgung und Unterbringung unserer rwandesischen Freunde verwendet.
Wer Kontakt zu der Pfadfindergruppe aufnehmen möchte oder weitere Informationen haben möchte, kann sich mit André Schlüter, Weichselstraße 28a, 26388 Wilhelmshaven, Tel.: 04421 /54349 in Verbindung setzen.
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