Ruscherei
Jul 011982
 

RuschereiRuscherei in der Krise

Konflikte um das erste Whv’er Stadtteilhaus

Das erste Wilhelmshavener Stadtteilhaus , die „Ruscherei“ in Altengroden steckt in einer Krise. Nach einem hoffnungsvollen Beginn im letzten Jahr kam es bald zu Auseinandersetzungen um die Arbeit im Haus. Menschliche Unstimmigkeiten und kulturpolitische Meinungsverschiedenheiten verquickten sich unheilvoll. Der Höhepunkt: Nach monatelangen Reibereien kündigte der „Förderverein Stadtteilhaus Altengroden e.V.“ dem Leiter der Ruscherei, Hajo Kruda. Droht aus der Ruscherei ein bloßes Vereinsheim oder eine „kommunale Kneipe“ zu werden?

Die Ruscherei „wurde von den Besuchern förmlich überrannt“ hieß es in einer Presseerklärung des Stadtteilhauses im Oktober 1981. Die umfangreichen freiwilligen Arbeitseinsätze des Altengrodener Bürgervereins, der dortigen Sozialdemokraten und weiterer Helfer trugen erste Früchte. „Skeptiker konnten von dem Bedarf nach einem Gemeinschaftshaus im Stadtteil überzeugt werden.“
Die Ruscherei – inmitten der Kneipen- und Kulturwüste Altengroden gelegen – bietet für jeden etwas: Vereinstreffen und Kindernachmittage, Filmabende und politische Veranstaltungen, Arbeitsgemeinschaften, Musikabende, Kunstausstellungen und Seniorentreffs . Die Ziele des Hauses: „Kommunikation, Kreativität und Identifikation des Bürgers mit seiner Umwelt“ werden erreicht. Eine „exzellente Leistung“, wie einer der „Väter“ der Ruscherei betont.

Was wird aus der Ruscherei?
Ruscherei 2Das Modell erscheint nachahmenswert: Die Stadt gibt das Geld (90.000 Mark im Jahr), ein privater Förderverein fungiert als Arbeitgeber, die Ruscherei-Mitarbeiter prägen das Gesicht des Hauses.
Nach der Gründungsphase die ersten Konflikte: Sollen die Grünen ins Haus oder nicht? Dürfen Handzettel politischer Gruppen ausliegen? Die Zusammenführung von Jugend und Alter klappt nicht so recht.
Die Mitglieder von Bürger- und Förderverein klagen über Unordnung im Haus. Mal sitzen die Gardinen nicht richtig, mal sind die Tische zu dreckig. Auf die Jugend werde zuviel Rücksicht. genommen.

Im Dezember 1981 will der Förderverein Kruda kündigen. Nach Verhandlungen wird schließlich die Probezeit des Hausleiters verlängert. Die Ruscherei bietet auch weiterhin kritische Themen an. Kruda: „Ein Stadtteilhaus kann nicht unpolitisch sein. Es soll anregen. Hellmut Steffens, der Vorsitzende des einflussreichen Bürgervereins Altengroden , sieht das anders. Die Grünen würden begünstigt: „Als Außenstehender erhält man leicht den Eindruck, daß da eine bestimmte politische Richtung bevorzugt wird.“
Das Ruscherei-Team hat es nun zunehmend schwerer , sein offenes Konzept der Stadtteilarbeit gegen den vom ehemaligen SPD-Oberbürgermeister Krell zusammengesetzten, eher konservativen Förderverein durchzusetzen. Schließlich bringt man neue Vorwürfe bei: Angebliche Mängel in der Buchhaltung und zu geringe Bereitschaft des Hausleiters, reine Verwaltungsaufgaben im kaufmännischen Bereich zu übernehmen.
Nur: Davon stand in der im Februar 1981 in der WZ erschienenen Stellenanzeige, auf die sieh der gelernte Kaufmann Kruda beworben hatte, nichts: „Erwartet werden Fähigkeiten und Erfahrungen in der Jugend- und Altenpflege, Kulturarbeit, Nachbarschaftshilfe“ u.s.w. Die städtische Arbeitsplatzbeschreibung klingt ähnlich. Der Fördervereinsvorsitzende, der Marineangehörige Werner Drewes („Der arbeitet wie ein Tier für die Ruscherei.“) beharrt jedoch auf seinem Standpunkt: Der Hausleiter soll sich vor allem um die Verwaltung kümmern. So flatterte Kruda schließlich die Kündigung zum 30. Juni 1982 ins Haus.
Das lassen sich die Jugendlichen nicht bieten. Sie sammeln Unterschriften für Kruda. Der zögert zunächst. Er meint jedoch, daß die ‚Verwaltungsarbeit nicht seine Hauptaufgabe ist und zieht schließlich vor Gericht. Ruscherei-Mitarbeiterin Magda Franke: „Hier ist sicherlich nicht alles so gelaufen, wie es könnte. Die Kündigung ist aber nicht gerechtfertigt.“ Die Altengrodener SPD hält sich bedeckt bzw. steht zum konservativen 13-köpfigen Förderverein. Die fortschrittlichen „Väter“ der Ruscherei schweigen. Vor Gericht kommt es schließlich zum Vergleichsverfahren. Aus diesem Grunde sind weder vom Förderverein noch vom Hausleiter Stellungnahmen zu bekommen . Jedoch: Hajo Kruda wird arbeitslos.
Nur in der Stadtverwaltung reibt sich ein „leitender Herr“ bereits die Hände: „Wenn’s nich löpt, dann löpt dat nich.“ Was das in der Zeit des knappen Geldes bedeutet , ist klar. Klar ist auch bereits, daß als neuer Leiter der Ruscherei kein Sozialpädagoge oder Kulturarbeiter, sondern nur ein finanzkundiger Verwalter eingestellt wird. Bedeutet dies das Ende eines fortschrittlichen Experiments in einem konservativen Stadtteil? Der Ruscherei und den Altengrodenern ist etwas anderes zu wünschen. woku

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