Resolution
Mai 052009
 

Natur ohne Schutz?

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Natur- und Umweltschutzverbände mit Antworten des Oberbürgermeisters und der Wirtschaftsverbände nicht zufrieden

(hk) Das ist ja schon eine einmalige Sache, dass acht regionale Natur- und Umweltschutzverbände mit einer Stimme sprechen – vor wenigen Jahren war das noch unvorstellbar. Doch die Entwicklung in Wilhelmshaven lässt da so manchen Fundamentalisten realistisch und so manchen Realisten fundamentalistisch werden.


Mitte März 2009 veröffentlichten die acht Verbände (Biologische Schutzgemeinschaft Hunte-Weser-Ems BSH, Bund für Umwelt und Naturschutz Niedersachsen e.V. BUND, Deutscher Alpenverein e.V. DAV, Landesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz Niedersachsen e.V. LBU, Naturfreunde Deutschlands e.V., Naturschutzbund Deutschland NABU, Schutzgemeinschaft Jade-Region SJR und der Tierschutz-Aktiv-Friesland und Umzu e.V.) eine Resolution mit den Themenschwerpunkten

  1. Erhalt der EU-Vogelschutz- und Naturschutzgebiete Voslapper Groden;
  2. Erhalt des Grünbestandes im Wilhelmshavener Stadtgebiet
  3. Erhalt der gesunden Umwelt in der Jaderegion

Am 8. April nahm Oberbürgermeister Menzel und am 9. April nahmen die Präsidenten des Allgemeinen Wirtschaftsverbandes und der Wilhelmshavener Hafenwirtschaftsvereinigung, Martin Steinbrecher und John Niemann zur Resolution Stellung.
Wir veröffentlichen die Stellungnahme der Gemeinschaft der acht regionalen Natur- und Umweltschutzvereine (GNU) in Auszügen:
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Menzel, sehr geehrte Herren Präsidenten Steinbrecher und Niemann!
In Ihrer Stellungnahme zu unserer Resolution befürworten Sie weiterhin die Aufhebung des europäischen Schutzgebietes ‚Natura 2000’ im Südteil des Voslapper Grodens sowie die Verwirklichung eines Kohleverstromungszentrums mit bis zu vier neuen Kraftwerksblöcken im Rüstersieler Groden. Sie begründen dies im Wesentlichen mit der Festlegung von Vorrangflächen im Landesraumordnungsprogramms (LROP) sowie der Verbesserung des „Wohles der Wilhelmshavener Bevölkerung“. Die Belange des Naturschutzes werden nach Ihrer Ansicht genügend berücksichtigt..
Wir, die Gemeinschaft der acht regionalen Natur- und Umweltschutzbände, nehmen hierzu in Ergänzung unserer Resolution wie folgt Stellung:
In Deutschland werden täglich 125 ha Landschaftsfläche verplant, weltweit stirbt alle zwei Minuten eine Tierart aus.
Die EU hat mit Unterstützung aller politischen Parteien beschlossen, dieser Entwicklung entgegenzuwirken, und die Mitgliedsstaaten verpflichtet, ein europäisches Netzwerk natürlicher Lebensräume (Natura 2000) zu schaffen und dieses im Bestand zu schützen. Alle Bundesländer wurden verpflichtet, hochwertige Biotope für dieses Netzwerk zu benennen und auszuweisen.
Aufgrund seiner vielen verschiedenen Bodentypen und Feuchtigkeitsstufen musste der Voslapper Groden mit seinen 27 nach dem Niedersächsischen Naturschutzgesetz festgestellten verschiedenen Biotoptypen und den 91 unter Naturschutz stehenden Pflanzen- und Tierarten Bestandteil des ökologischen Netzwerkes ‚Natura 2000’ werden. Der Versuch, den Schutzstatus aufzuheben, widerspricht ohne Zweifel eklatant den gesetzten Zielen von ‚Natura 2000’ und den gesellschaftlichen Vorstellungen einer ökologischen Nachhaltigkeit, deren Ziel es ist, Natur und Umwelt für nachfolgende Generationen zu erhalten. (…)
Das EU-Schutzgebiet Voslapper Groden im Rahmen von Kompensationen andernorts zu ersetzen, ist wegen seiner Vielfalt und Einzigartigkeit der Landschaftstypen faktisch nicht möglich. Wie soll – um eines von vielen Beispielen zu nennen – ein Grünspecht, der einen kalkreichen mit Schilf bzw. Sumpfwurz bewachsenen Lebensraum braucht, in einem Moor am Boekzeteler Meer zurechtkommen?
Ein Bedarf für hafengebundene gewerbliche oder industrielle Ansiedlungen in den Schutzgebieten des Voslapper Grodens ist aus wirtschaftlichen Gründen und dem damit eindimensional verknüpften öffentlichen Interesse nicht erkennbar. Für das hafenaffine Gewerbe stehen rd. 175 ha leerer Flächen des Hafengrodens zur Verfügung. Mit einem Mehrbedarf ist wegen der dezentralen Verkehrslage Wilhelmshavens in Verbindung mit dem unzureichenden bzw. fehlenden regionalen Güteraufkommen kaum zu rechnen. (…)
• Herr Oberbürgermeister, Ihren Ausführungen über das Stadtgrün muss energisch widersprochen werden: Innerhalb der letzten zwei Jahre wurden nach Zählungen des NABU im Stadtgebiet etwa 10.000 Bäume mit einem Stammumfang von mehr als 50 cm gefällt. (…)
In den städtischen Grünanlagen wurden sowohl im Kurpark als auch in der Parkanlage Kaiser-Wilhelm-Platz Schneisen mit Sicht auf die Wassertürme geschlagen. An der Maade und in der Heete-Niederung wurde wertvoller Baumbestand umgelegt, von dem keine Verkehrsgefährdung ausging. Hunderte weiterer Bäume im Stadtgebiet wurden abgeholzt; (…)
In ihrer Broschüre ‚Information zum Schutz der Bäume in Wilhelmshaven’ vom Dezember 1987 erklärt die Stadt Wilhelmshaven: Ein Baum ist ein Vermögen wert! Diese Feststellung ist heute im Zeitalter des Klimawandels und der zunehmenden Industrialisierung, der Zersiedelung der Landschaft und des immer größer werdenden Bedarfs an Kaminholz aktueller als je zuvor: Bäume produzieren Sauerstoff, der unser Leben auf dem Globus überhaupt erst ermöglicht. (…)
Die am Stadtrand gelegenen landwirtschaftlichen Flächen mögen sich rein statistisch positiv auf den Anteil des Grünbestands im gesamten Stadtgebiet auswirken, für die ökologische Bewertung des verdichteten Siedlungsbereiches sind sie irrelevant. (…)
• Der Rat der Stadt hat es ermöglicht, Wilhelmshaven zu einem europäischen Kohleverstromungszentrum mit bis zu vier neuen Kraftwerksblöcken werden zu lassen. (…)
Es fragt sich, ob man mit Wilhelmshaven ein leichtes Opfer für eine verfehlte Energiepolitik des Landes und des Bundes gefunden hat. Im Rahmen der globalen Klimaproblematik werden Kohlekraftwerke von anerkannten Fachleuten und Umweltpolitikern allenfalls als mittelfristige Auslaufmodelle auf dem Weg ins ‚Solare Zeitalter’ mit der Nutzung erneuerbarer Energien gesehen. Ohne Zweifel erhöht jeder zusätzliche Kohlekraftwerksblock die Umweltbelastung in der Region. Dies erfolgt auch bei der Einhaltung der rechtsverbindlichen Emissionsgrenzwerte. Merke: Grenzwerte repräsentieren keine Unbedenklichkeitsschwelle, sondern sind ein Kompromiss zwischen ökologisch und gesundheitlich eigentlich erforderlichen Vorgaben und den wirtschaftlichen Ansprüchen der Betreiber. Der Freizeitwert der Region wird sinken, die Tourismuswirtschaft Schaden erleiden. (…)
Jedes weitere in Betrieb genommene Kohlekraftwerk in Wilhelmshaven dient mitnichten dem Allgemeinwohl, sondern kurzatmigen privatwirtschaftlichen Interessen. Jedes würde seinen Beitrag zu einer Entwicklung leisten, die dem Wohle folgender Generationen zum Schaden gereicht. (…)
Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Herren Präsidenten,
bei vielen Planungen der Stadt und Vorhaben der Wirtschaft vermissen wir ein ausgleichendes Verhältnis zwischen Wirtschaftsentwicklung und Naturschutz in Wilhelmshaven und der Region.


Hier geht’s zu den Downloads:
Text der GNU_Resolution
Die Antwort OB
Komplette GNU_Antwort

 

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