Reichelt
Jan 252006
 

Jagdszenen in Sande

Da haben wir was ausgelöst – aber was genau???

(noa) Nach dem Erscheinen der letzten Gegenwind-Ausgabe, so erfuhren wir aus zwei ganz unterschiedlichen Quellen, die sich völlig unabhängig voneinander an uns wandten, soll es bei Reichelt Elektronik in Sande zu „Jagdszenen“ gekommen sein.

Die Firmeninhaberin selber, Frau Reichelt, teilte uns mit, sie habe ermittelt, dass unser Beitrag eine Unwahrheit beinhaltet habe: Keineswegs hätten wir mit Leuten gesprochen, die noch ihrem Betrieb beschäftigten seien – sie habe nämlich jetzt herausgefunden, wer mit uns gesprochen habe, und das seien alles Ehemalige. Herausgefunden habe sie das, indem ihre MitarbeiterInnen, empört über unseren Bericht, sich gegenseitig befragt hätten, und da habe es fast schon eine Hexenjagd gegeben.
Und zum Thema Betriebsrat sagte Frau Reichelt uns, dass ein solcher zwar in ihrem Hause nicht notwendig sei, dass sie aber selbstverständlich nichts dagegen unternehmen werde, wenn jemand einen installieren wolle.
Von einer Hexenjagd berichteten auch mehrere Reichelt-Mitarbeiter bei der Gewerkschaft ver.di. Gleich am Tag des Erscheinens unserer Ausgabe 213 habe die Chefin zu einer Betriebsversammlung eingeladen. Dort habe sie gesagt, dass sie auf keinen Fall einen Betriebsrat wolle. Und sie habe unsere InformantInnen als „Nestbeschmutzer“ bezeichnet und wörtlich gesagt: „Ich kriege sie alle!“ Die Jagdszenen scheinen tatsächlich stattgefunden zu haben. Die KollegInnen, die bei ver.di Rat gesucht haben, berichteten allerdings, dass die leitenden Angestellten auf Anordnung von Frau Reichelt ihre Untergebenen „verhört“ hätten. Um etwas Druck in die Vernehmungen zu bekommen, sei Geld zurückbehalten worden: Abteilungen, die einen bestimmten Krankenstand unterschreiten, bekommen zum Jahresende eine Prämie. Und diese Prämie sollte nun erst dann ausgezahlt werden, wenn alle „Nestbeschmutzer“ ausfindig gemacht wären.
Der Gegenwind schließt mit der Veröffentlichung der folgenden zwei Leserbriefe die Berichterstattung über Reichelt Elektronik bis auf Weiteres ab und hofft, dass das Nächste, was wir darüber hören, die Betriebsratswahl betrifft.

 

Leserbriefe:

Sehr geehrte Damen und Herren,
mit Entsetzen habe ich von dem Bericht in der Zeitung „Gegenwind“ gehört und mir sogleich den Bericht besorgt.
Vieles ist für mich unverständlich. Zum Beispiel zum Thema Betriebsklima. Ich kann nur sagen, dass ich seit über 3 Jahren in der Firma bin und bei uns in der Abteilung „Schreibbüro“ ein angenehmes Klima herrscht. Jeden Tag freue ich mich auf meine Kollegen, mit denen wir immer unsere Späße machen. Sicherlich ist unser Gelache der Chefin auch schon mal zuviel gewesen. Auch wir bekamen dann einen Rüffel, den aber zu Recht, denn manchmal übertreiben wir es auch. Natürlich kann ich nichts zu jeder Abteilung sagen, aber ich denke, es gibt immer solche und solche.
Zum Thema Betriebsrat kann ich nichts sagen, da dieses Thema bei uns im Büro noch nicht aktuell war. Sicherlich ist es in einem Betrieb dieser Größenordnung unüblich, keinen zu haben.
Mitarbeiter, welche die Firma verlassen müssen, reden sicherlich in 90 % der Fälle nicht positiv über ihre vorigen Vorgesetzten.
Aber ist es nicht das Recht der Chefin und ihrer Zubringer (auf die ist jeder Chef angewiesen), über das Wohl der Firma und der Mitarbeiter zu entscheiden. Dazu gehört nun auch mal, dass nicht jeder bleiben kann. Auch befristete Verträge sind durchaus legitim, unsere Regierung verlängert schließlich die Probezeiten ständig.
Bestätigen kann ich nur die Aussage, dass Frau Reichelt so etwas wie eine Mutter für die Mitarbeiter ist. Zeigen Sie mir einmal die Chefin, die sich so bemüht, eine so tolle Weihnachtsfeier zu organisieren! Eine Frau, welche so beschäftigt ist und sich dieses trotzdem nicht nehmen lässt. Beim Treffpunkt begrüßt Frau Reichelt so gut wie jeden Mitarbeiter mit Namen und freut sich über jeden, der kommt. Solche Feiern sind ein Erlebnis und führen auch zum Kennen lernen in dem immer größer werdenden Betrieb. Auch hat sie immer ein offenes Wort für Probleme der Mitarbeiter. Wenn möglich, hilft sie, Probleme zu beseitigen. Natürlich ist so eine Angelegenheit ein gegenseitiges Nehmen und Geben. So soll es auch sein. Viele persönliche Dinge aus dem Leben der Mitarbeiter gehen an ihr nicht vorüber. Ob eine Geburt, eine Prüfung, eine Hochzeit oder vielleicht ein Todesfall in einer Familie, sie ergreift sofort die Initiative und geht zum Mitarbeiter, um zu gratulieren (mit Geschenk) oder Trauer auszusprechen. Ich selber habe diesen Fall erlebt und mich über die persönliche Teilnahme gefreut. Auch 1/2 Jahr nach dem Tod meines Schwiegervaters erkundigt sie sich noch, wie unsere Mutter/Schwiegermutter zurechtkommt. Das ist ein schönes Gefühl.
Ich habe erlebt, wie sehr Frau Reichelt die Behauptungen gekränkt haben, natürlich steht sie bis zu einem gewissen Grad darüber. Aber das war wohl doch ein bisschen dicke. Man muss sich auch vor Augen halten, was diese Frau aufgebaut hat und wie vielen Menschen und deren Familien sie eine Zukunft bietet. Ich bin selbst schon 46 Jahre alt, was meinen Sie wohl, wie viele Bewerbungen ich vorher geschrieben habe? Ich bin froh, dass ich, wenn natürlich auch in abgespeckter Form, dort in Sande arbeiten kann.
Neider gibt es in der heutigen Zeit immer, leider auch von Kollegen und ehemaligen Kollegen. Sicherlich liegt das eine oder andere auch im Argen, aber wo herrscht jeden Tag nur Sonnenschein? Positives Denken und Handeln, das lebt uns unsere Chefin täglich vor. Hut ab vor dieser Frau und was sie für diese Region macht! Nicht unerhebliche Spenden gehen auf ihr Konto. Sie vergisst nicht die Kranken usw.
Schade, dass vieles in dem Bericht so negativ dargestellt wurde!

Mit freundlichem Gruß
Marion Schlundt

 

Das ist für mich kein Rufmord!
Betroffen habe ich den Bericht über Reichelt gelesen. Ich selbst habe eine ganze Weile in dieser Firma gearbeitet, bis ich aus unerfindlichen Gründen meine Kündigung bekam.
Meine Meinung über Frau Reichelt und Frau P. ist nicht die beste. Man wird unterdrückt, wo es nur geht. Es gibt absolut keine Motivation der Mitarbeiter. Es wird nur das Schlechte hervorgehoben, da kommt kein Lob über die Lippen von Frau Reichelt oder Frau P.
Es herrscht ein Rede- und Lachverbot!
Frau P. stellt sich sehr oft am Tag auf die obere Station (G), um von dort oben einen tollen Überblick zu haben, damit sie dann die Mitarbeiter gleich zur Schnecke machen kann, oder sie geht durch die verschiedenen Stationen, um zu schauen, wer nun schon wieder quatscht.
Damit aber nicht genug, jeden Monat haben die Angestellten Panik, weil es dann wieder heißt: Frau P. geht mit dem Fehlerzettel durch. Das macht ihr wohl Freude, weil sie dann mal wieder zeigen kann, was sie dort für eine Stellung hat! Sie nimmt die Mitarbeiter nicht zur Seite, um ihnen zu sagen, wie viele Fehler sie gemacht haben, nein, sie macht es vor allen anderen. Damit dann noch nicht genug, es werden dann noch die Fehler hochgerechnet. Ein Beispiel: Man hat in einem Monat nur zwei Tage gearbeitet, den Rest hatte man Urlaub, in diesen zwei Tagen hat man einen Fehler gemacht. Das wird dann hochgerechnet auf „ungefähr elf Fehler“! Und wehe, man fängt an zu diskutieren, fragt, wie das angehen kann! Dann hat man gleich alle Chancen auf einen Festvertrag verspielt! Man kann dort nur überleben, wenn man ein Kuscher ist, zu allem Ja und Amen sagt, die Schnauze hält und nur auf die Mollen schaut! Ich habe oft gesehen, wie Frau P. die Kollegen so fertig gemacht hat, dass diese weinend zur Toilette gegangen sind! Sehr viele Kollegen meinen, dass Frau P. einfach völlig überfordert ist. Sie lässt dann ihren Frust bei den Kollegen ab.
Dieser Spruch, den Frau Reichelt zitiert hat (“Gute Menschen lernen von den schlechten mehr als schlechte von den guten“), würde nicht auf die Kollegen passen, sondern auf Frau P.! Ich finde es schrecklich, dass Frau Reichelt so denkt! Entweder sie ist eine supertolle Schauspielerin, oder sie hat keine Ahnung, was in ihrem Betrieb abläuft. Auf jeden Fall ist Frau Reichelt keine Mutter, die sich um die Mitarbeiter kümmert, nein, man kommt nicht mal in ihre Nähe. Sie will auch gar nicht wissen, was los ist, so schaut sie immer, wenn sie durch ihren Betrieb läuft. Sie will nicht angesprochen werden, das weiß ich aus eigener Erfahrung.
Einmal im Jahr kommen irgendwelche Prüfer ins Haus, die dann auch die Mitarbeiter fragen, ob alles in Ordnung wäre. Da gibt es wohl ein Punktesystem, geht wohl bis 100, die Leute trauen sich logischerweise nicht mal annähernd die Wahrheit zu sagen; Frau Reichelt würde ja sofort erkennen, welche Abteilung keine 100 Punkte bekommen hat, und dann würden Köpfe rollen.
Zum Trinken muss ich auch noch etwas loswerden. Es gibt dort ein Zwei-Klassen-System. Techniker, alle im Büro, die Verpackung und (im Sommer) Station G – diese Mitarbeiter dürfen trinken.
Warum dürfen die anderen Kommissionierer/innen nicht trinken, warum müssen sie zuschauen, wenn andere die Flasche ansetzen? Kassierer bei Karstadt hin oder her, das ist nicht fair, entweder alle oder keiner! Man hängt mit trockener Kehle rum, und andere dürfen neben einem trinken! Selbst wenn man Frau P. erzählt, dass man eine Blasenentzündung hat und etwas trinken muss, sagt sie, dass man aus dem Wasserhahn auf der Toilette trinken soll, man darf nicht einmal in solchen Fällen auf der Toilette ein Getränk hinstellen.
Betriebsrat, das ist auch so ein Thema. Kein Angestellter von Reichelt wird sich outen, das steht fest, und Frau Reichelt weiß das! Weil die Kollegen dann schneller ihre Kündigung haben, als sie schauen können! Der Arbeitsmarkt sieht immer schlechter aus. Die Menschen, die Arbeit haben, wissen, dass genug vor der Tür stehen, die ihren Job haben wollen. Alle Kollegen brauchen diesen Job, auch wenn sie ihn ätzend finden – sie haben einfach Angst, und das wird ausgenutzt!

Marion Hock

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