Ratssplitter
Aug 282002
 

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vom 21. August 2002

(iz) „Keine interessanten Tagesordnungspunkte“ bewertete Max Schmidt die erste Ratssitzung (im kritischen Volksmund auch Muppet-Show genannt) nach der Sommerpause schon in seiner WZ-Vorankündigung. Was ihn nicht davon abhielt, trotzdem zu kommen. Wir drücken es mal so aus: Die Tagesordnung wurde diesmal nicht von der Mehrheitsfraktion dominiert, was außer uns auch etwa ein Dutzend BürgerInnen interessant genug fanden, um den heißen Nachmittag statt am Banter See auf der Zuschauertribüne zu verbringen.

Ehe es noch heißer herging, ließ OB Menzel eine Sammelbüchse und einen Stapel Überweisungsträger zugunsten der überfluteten Elbgemeinde Tharandt kreisen, wo geschätzte 20 Millionen Euro Sachschäden zu ersetzen sind . 525 Euro und 60 Cent ließen die Ratsmitglieder springen, wie uns Claudia Wachenfeld, Mitarbeiterin des Pressereferats, nachträglich mitteilte (die an dieser Stelle mal  für vorbildliche und vorbehaltlose Betreuung auch der Gegenwind-Redaktion verdient).

Einen Dringlichkeitsantrag der CDU

zu einer zweiten Kindergruppe in der Tagesstätte Fedderwarden lehnte die Mehrheitsfraktion ab. Laut Stadtrat Frank könne auf dieser Sitzung ohnehin nicht über die Finanzierung entschieden werden. Für die CDU erinnerte Ratsherr Möhle, dass in der Juni-Sitzung die Aufnahme dieses Tagesordnungspunktes beschlossen worden war. Sein Kollege Reuter begründete die Dringlichkeit damit, dass die Eltern jetzt schon Planungssicherheit haben müssten. SPD/Grüne verschoben die Beratung bis zur Vorlage eines Konzepts. Enttäuscht verließen anwesende Eltern den Zuschauerraum.

Umbesetzt

werden mussten verschiedene Ratsgremien, nachdem Werner Biehl (Grüne) sein Ratsmandat abgegeben und Hans Wolter der SPD den Rücken gekehrt hat, aber als parteiloses Ratsmitglied weiter die Geschicke der Stadt mitbestimmt. Das Kräfteverhältnis hat sich dadurch wie folgt verändert: SPD/Grüne 23 Sitze, CDU 17, FDP 2, WALLI 1, Wolter 1 und Rep 1 (= Opposition 22). Für Wolter rückt im Finanzausschuss Brigitte Klee nach (Vertreter: August Desenz). Für Biehl sitzt jetzt Gerda Kümmel im Umwelt-, Verwaltungs-, Schul- und Ältestenausschuss und Marianne Fröhling im Stadtwerkeausschuss.

Sicherheit und Ordnung

in unserer Stadt sind nach Auffassung der CDU-Fraktion im Rat durch das Niedersächsische Gefahrenabwehrgesetz nicht gewährleistet. Dem Beispiel anderer Kommunen wie z. B. Cuxhaven und Hildesheim folgend, beantragte sie deshalb, die Zugriffslücken für Ordnungskräfte durch eine städtische Satzung zu schließen, auch „im Interesse des Erscheinungsbildes einiger Stadtteile von Wilhelmshaven.“ Ahauahaua, das klingt böse nach „schafft die Penner aus dem Stadtbild“, auch wenn zunächst Graffiti, wildes Plakatieren und Müllberge ins Feld geführt wurden. Dieser Spießermief war aber nicht der Grund, weshalb die Mehrheitsfraktion den Antrag ablehnte. Das Gesetz, das sich früher auf „Sicherheit und Ordnung“ bezog, ist zwischenzeitlich von der Landesregierung geändert worden, und den Genossen in Hannover will man natürlich nicht in die Suppe spucken.
Trotz konträrer Standpunkte sprachen alle nur von den Symptomen, aber nicht den Ursachen für Schmutz und Kriminalität im Stadtbild. Doch dann meldete sich Dr. von Teichman (FDP) zu Wort: Jede neue Satzung, Verordnung usw. sei ein weiterer Eingriff in die Rechte des Bürgers. Und es handele sich um ein gesellschaftliches Problem, das sich durch Verordnungen nicht beseitigen lasse. Er kritisierte in diesem Zusammenhang auch die „Aktion Frühjahrsputz“ (bei der alljährlich Tausende braver Bürger leere Bierdosen usw. einsammeln – Anm d. Red.), wo das Engagement verständlicherweise auch merklich nachlasse. Man müsse „Wilhelmshaven zur Wohnung umgestalten“, denn wo der Mensch sich zu Hause fühlt, sorge er von sich aus für Sauberkeit. Vom parteipolitischen Hintergrund mal abgesehen, hat von Teichman als einziger das eigentliche Problem auf den Punkt gebracht und kassiert dafür . In der Tat haben die Wilhelmshavener immer weniger Grund, ihre Stadt richtig lieb zu haben – Stadtbild und Infrastruktur werden zunehmend verhunzt und ihre Meinung zu den Entscheidungen der Herrschenden ist letzteren piepegal – siehe Bürgerfragestunde.

Die Grundschule Coldewei

ist für die WALLI (Wilhelmshavener Alternative Liste) noch nicht vom Tisch. Sie widmete ihr gleich zwei Anträge: Gebäude und Grundstück sollten für mindestens 5 Jahre im städtischen Besitz verbleiben und eine gewerbliche Nutzung ausgeschlossen werden. Ratsherr Tjaden begründete das mit der Hoffnung, dass sich der Trend der negativen Einwohnerentwicklung umkehrt, die Menschen in der Region wieder Arbeit finden und die Stadt aus den finanziellen Schwierigkeiten herauskommt. Unter diesen Voraussetzungen könne das Stadtteil prägende Gebäude als öffentliche Einrichtung zum Wohle der Bevölkerung in seinem Charakter erhalten werden – bei dann steigenden Schülerzahlen vielleicht sogar wieder in seiner ursprünglichen Funktion. Der zweite Antrag beinhaltete bereits ein Konzept für die Weiternutzung als Stadtteilhaus (für Kinder, Jugendliche und Vereine, die in Fedderwardergroden /Coldewei dringend solche Räumlichkeiten suchen) , das unter Mitarbeit der Bevölkerung konkretisiert werden sollte. Die CDU-Fraktion unterstützte die Vorschläge, wobei sie den erhofften Aufschwung mit dem Bau des JadeWeserPorts untermauerte.
Stadtrat Frank hingegen hatte Bauchschmerzen damit: Bei der letzten Ratssitzung war der erwartete Verkaufserlös für die Schule schon als Deckung für eine außerplanmäßige Ausgabe verplant worden. Frank: „Wenn der Rat seine Beschlüsse monatlich ändert, kann die Verwaltung nur schwer arbeiten.“ Er plädierte dafür, zunächst die Substanz aktuell benötigter Schulgebäude weiter zu sanieren, ehe der mühsam konsolidierte Haushalt für neue Projekte angetastet wird.
Tjaden wies darauf hin, dass die leer stehende Schule bereits jetzt dem Vandalismus anheim fällt. Weiterhin wurde vor dem Gebäude ein auswärtiger „PKW der Nobelklasse“ beobachtet, was befürchten ließe, dass bereits Verkaufshandlungen im Gange seien. Die Mehrheitsgruppe (die abschließend die WALLI-Anträge kippte) empörte sich, einen Verkauf „unter der Hand“ würde es nicht geben. Frank betonte, ein Verkauf käme nur mit einem Nutzungskonzept und Ratsbeschluss zustande.

Griff ins Sparschwein –

Für die städtische Weiternutzung der Schule Coldewei ist also kein Geld da – wohl aber für einen repräsentativen Ausbau des Fußballstadions (nämlich 850.000 Euro) und Umbaumaßnahmen in der Handballsporthalle (35.000 Euro). Weiterhin müssen 49.000 Euro auf den Tisch, um eine neue Ampelanlage zu bauen, damit die ehemaligen Coldewei-Schüler sicher zu ihren neuen Klassenräumen in der Albrechtstraße kommen. Nachdem diese drei Nachbewilligungen ganz lässig ohne weitere Aussprache vom Rat beschlossen worden waren, erscheinen die oben genannten Forderungen der WALLI eher pragmatisch als utopisch, wofür sie  verdient. Für die unterstützende CDU gibt’s ein paar Abzüge in der B-Note, weil sie sich den schier unvermeidlichen und abgelutschten Hinweis auf den JadePort nicht verkneifen konnte.

Die Geister, die ich rief …

Fragen über Fragen liefert immer wieder der JadeWeserPort. Genug Stoff für zwei Große Anfragen der WALLI wie auch für Bürger in der anschließenden Einwohnerfragestunde. Doch die „Antworten“ der Verwaltung waren – trotz ausreichender Vorbereitungszeit – eine einzige Enttäuschung: knapp, ausweichend und sogar sich widersprechend. Nachdem Bürger Horst Radmer durch seine liebenswerte Penetranz Rat und Verwaltung an einen selbstverständlichen und zuvorkommenden Umgang mit wissensdurstigen BürgerInnen gewöhnt hat, verbreiteten die Befragten diesmal wieder eine ablehnende bis eisige Atmosphäre. Aus den Reihen der Mehrheitsgruppe war das Gemurmel „das habt ihr nur Focke Hofmann zu verdanken“ zu vernehmen. Der hatte nämlich während seiner Amtszeit als Bürgermeister das Recht der Bürger auf Information aus der Niedersächsischen Gemeindeordnung aufgegriffen und so die Einwohnerfragestunde etabliert. Doch die wachen Geister, die da aus der Bürgerschaft hervorgerufen wurden, haben meist weniger den Eindruck, dass sie schlicht ihre Rechte in Anspruch nehmen, sondern eher, dass sie den von ihnen gewählten Ratsvertretern – zumindest aus den etablierten Parteien – zwischen den Wahlen einfach nur auf den Geist gehen. Und das sollten sie auch weiterhin tun.

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