Ratssplitter
Sep 272006
 

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vom 20. September 2006
zusammengekehrt von Imke Zwoch

Nach der Wahl ist vor der Wahl oder was? Der neu gewählte Rat wird sich erst Anfang November offiziell zusammenfinden, und so hätten sich die Altgedienten auf dieser vorletzten regulären Sitzung ja mal völlig entspannen können. Weit gefehlt. Die vertrauten Verhaltensmuster und Rollenspiele sind zu lange eingeübt, und so spulte das Programm Neumann gegen Reuter und beide zusammen gegen FDP und BASU ab wie gehabt. Gähn.

Arme teure Kinder

Im letzten Jahr stieg die Anzahl der Heimerziehungen in der Stadt von 58 auf 80 Fälle, zwölf davon durch Zuzüge von außerhalb. Pro Heimplatz werden monatlich 3.900 Euro berechnet. Hierfür wurde eine Nachbewilligung von 1,5 Mio Euro aus dem städtischen Haushalt erforderlich. Es wäre interessant zu erfahren, wie sich diese Heimkosten aufschlüsseln. Zum Vergleich: Eine mir bekannte Hartz-IV-Empfängerin erhält pro Kind 190 Euro monatlich, mit denen sie es ernähren, kleiden und seine sonstigen materiellen Bedürfnisse erfüllen muss.

Kirchturm 1

Derzeit liegt es im Trend, dass benachbarte Landkreise und kreisfreie Städte Zweckverbände gründen, um bestimmte Aufgaben gemeinsam zu bewältigen. Das spart natürlich Geld (was alle gut finden), vor allem in Form von Personalstellen (was je nach Blickwinkel mehr oder weniger gut ist). Ein Zweckverband bedeutet jedoch auch: langjährige Verhandlungen, bis man sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt hat. Zudem muss man auskungeln, welcher Landkreis nun Sitz der neuen Einrichtung werden darf. Weiter bedeutet es für die Beteiligten, Entscheidungsbefugnisse abzugeben. Und das tut einigen richtig weh.
Nun gut: Die Stadt will zusammen mit den Landkreisen Friesland, Wittmund und Wesermarsch einen Zweckverband „Veterinäramt JadeWeser“ gründen. Darüber hatte der Rat zu beschließen. In letzter Sekunde fiel den großen Parteien jedoch plötzlich ein und auf, was man noch so an den Verhandlungsergebnissen ändern müsste. CDU-Sprecher Günter Reuter forderte „weniger hoch dotierte Beamte“ im neuen Amt. Und die (kostendeckende) Anhebung der Fleischbeschaugebühren ist auch nicht in seinem Sinne. Die SPD möchte je eine/n Vertreter/in der Gebietskörperschaften zusätzlich in den Aufsichtsrat entsenden und fordert die rechtzeitige Vorlage des Wirtschaftsplanes.
CDU-Landwirtschaftsexperte Weerda wies darauf hin, dass Anfang nächsten Jahres eine EU-Verodnung in Kraft tritt, wonach die Gebühren für die Fleischbeschau nicht ohne Weiteres die vorgesehne Pauschale von 5 Euro überschreiten dürfen. FDP-von Teichman will hingegen den privat betriebenen Schlachthof nicht aus öffentlichen Mitteln subventionieren, sondern kostendeckend arbeiten lassen. SPD-Neumann will den Schlachthofbetreiber nicht zusätzlich belasten, um die dortigen Arbeitsplätze nicht zu gefährden. Dass durch den Zweckverband letztlich Stellen im öffentlichen Bereich wegrationalisiert werden, wurde nicht thematisiert.
Nach einer Beratungspause zog die CDU ihren Änderungsantrag zurück und schloss sich dem der SPD an. Ein erster Hinweis auf eine mögliche große Koalition?

Kirchturm 2

Durch einen weiteren Zweckverband will die Stadt mit dem Landkreis Friesland eine gemeinsame Leitstelle für Feuerwehr und Rettungsdienste schaffen. Der Landkreis Wittmund hatte sich vorab ausgeklinkt. Damit nicht genug, will er ausgerechnet jetzt eine sogenannte bunte Leitstelle (Feuerwehr, Rettungsdienste und Polizei), die auch Aurich und Leer abdeckt, für sich an Land ziehen. Im Zuge der landesweiten Polizeireform war nun gerade Wilhelmshaven als Standort für eine überregionale Polizei-Leitstelle festgelegt worden. Neumann kritisierte dieses Hin und Her der Landesregierung, CDU-Reuter schob den Landkreisen die Schuld zu.
BASU-Vertreter Tjaden kam auf den Kern zurück: Man solle vor allem bis zur Einrichtung der Leitstelle die bisherigen Probleme lösen – in erster Linie die 20.000 angesammelten Überstunden der Beschäftigten abbauen. Sinn des Ganzen ist, siehe oben, zu sparen. Dazu Dezernent Jens Graul: „Mission completed – wir werden sparen.“ Statt bislang elf würden nur noch sechs bis sieben Wilhelmshavener Feuerwehrleute in der Leitstelle eingesetzt, die übrigen stellt Friesland. Die Gründung dieses Zweckverbandes wurde einstimmig beschlossen.

Trotz alledem

Trotz latenter Proteste aus der Bevölkerung wurde bei sechs Gegenstimmen und einer Enthaltung die Umwidmung der Schleuseninsel zum Gewerbegebiet beschlossen. Immerhin will man nun entgegen früheren Planungen zunächst den nördlichen Teil mit Gewerbe belegen und die Freizeitgärten erst beanspruchen, wenn zusätzlicher Bedarf besteht. Ein Lärmschutzwall (Kosten: 250.000 Euro) soll die Laubenpieper vor Beeinträchtigungen schützen. Norbert Schmidt (SPD) bekräftigte, dass östlich der KW-Brücke die Hafenwirtschaft favorisiert werden soll. Die Verwaltung habe bestätigt, dass es Nutzungsinteressenten gäbe. „An die Lauben gehen wir erst, wenn alles voll ist.“
Von Teichman würde statt des Lärmschutzes lieber Ersatzflächen für die Lauben schaffen. Die Zusatzkosten für den Wall, der ohnehin nur zwei bis fünf Jahre nötig sei, würden Investoren abschrecken. Baudezenent Kotteck stellte richtig, dass die entstehenden Mehrkosten pro m² Gewerbefläche zu vernachlässigen sind.
Tjaden äußerte folgende Bedenken: „Wir schieben das Gelände gerade und sagen, die Investoren stehen Schlange – es gab einen, aber der war N-Ports (Landesbetrieb für Häfen, Eigentümer der Flächen – red) nicht genehm.“ Zudem habe das Land seines Wissens derzeit gar kein Geld zur Herrichtung der Flächen. Bernhard Rech (CDU) stieß teilweise ins gleiche Horn: Man solle die Bürger nicht vor den Kopf stoßen. „In Voslapp haben wir auch vor zwei Jahren alles platt gemacht …“ (und bis heute ist der JadeWeserPort noch nicht im Bau – red). Reuter bezeichnete Tjadens Bedenken als „Spökenkiekerei“ – „machen Sie bitte weiter so“, ereiferte er sich. (Worauf er sich verlassen kann.)
Befremdlich fand ich, dass immer nur von den Freizeitgärtnern die Rede war – und nicht von den vielen Einheimischen und Gästen, die die Schleuseninsel sonst noch nutzen. Nicht ohne Grund haben BürgerInnen mit breiter Unterstützung das abhanden gekommene Molenfeuer neu aufgebaut – als Ziel eines langen Spaziergangs an der Wasserkante oder einer abendlichen Radtour. Hier wird wieder mal auf blauen Dunst ein riesiges touristisches Potenzial vergeudet. 

Wie gewonnen, so zerronnen

Die Stadt erhält aus dem Jahresgewinn 2005 ihrer Tochtergesellschaft WEB 519.000 Euro ausgeschüttet. Eine andere Tochter, die WTF, ist weniger gewinnbringend: Um ihren Betrieb aufrechtzuerhalten, werden 1,5 Mio Euro aus dem städtischen Haushalt in die Tochter gepumpt.

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