fein gehobelt von Imke Zwoch
vom 25. März 2009
Das bisschen Haushalt macht sich bekanntlich von allein. Und so brauchten der Finanzausschuss (16.3.) und der Rat nur etwa je 10 Stunden, um ein Zahlenpaket zu diskutieren, das (mal ehrlich!) außer dem Kämmerer (HOFFentlich wenigstens der) keiner in Gänze durchblickt. Die Zahlen sprechen dafür, dass die Stadt Konkurs anmeldet und dicht macht (Licht ausmachen und Deiche schleifen) – doch in den Haushaltsreden BOOMte es gewaltig.
Stellenplan und Umstrukturierung städtischer Beteiligungen waren Thema der „Aussprache“ mit dem städtischen Personalrat. Dessen Vorsitzender Dieter Kanth fasste in seiner Ansprache an den Rat die Misere zusammen. Über 150 Stellen wurden in den letzten Jahren abgebaut. Stellen werden nicht wiederbesetzt, Auszubildende nicht übernommen. Die Verbleibenden können die Arbeit kaum noch wuppen. Der Altersdurchschnitt der Beschäftigten liegt mittlerweile bei 47 (!) Jahren. Bis 2012 sollen jährlich 5,5 Mio Euro an Personal eingespart werden.
Gleichzeitig werden durch zunehmende Privatisierung städtischer Aufgaben die Arbeitsbedingungen immer schlechter. Private Anbieter z. B. im Bereich Gebäudereinigung können die Dumpingpreise, die der Stadt Geld sparen, nur durch Dumpinglöhne anbieten – keine Tariflöhne, keine Tarifarbeitszeiten, kein Kündigungsschutz. Das trifft auch Mitarbeiter, die durch Privatisierung städtischer Betriebe „outgesourct“ werden. Deshalb stellt sich der Personalrat auch klar gegen das „PPP-Modell“ (Public Private Partnership), mit dem die Bewirtschaftung städtischer Gebäude auf private Investoren übergeht. Eine weitere Umstrukturierung der städtischen Gesellschaften bzw. Überführung in eine Anstalt Öffentlichen Rechts lehnt der Personalrat klar ab, zumal ihm keine Details vorgelegt wurden.
Die Haushaltsmisere ist dem Personalrat durchaus bewusst, kann aber nicht einseitig durch Personalabbau gelöst werden. Auch die Kommunalprüfung warnt davor, die Verwaltung durch Personalabbau totzusparen. Kanth bat den Rat, die Haushaltsunterlagen sorgfältig zu prüfen und die einzelnen Posten „nicht in Salamitaktik durchzuwinken“. Und erinnerte aus gutem Grund: „Beschäftigte der Stadt sind auch Bürger!“
In der „Aussprache“ mit dem Personalrat gab es dann genau 3 Reaktionen. L Kämmerer Heiko Hoff: „Danke für die Haushaltsrede.“ Die vom Personalrat monierten offenen Fragen seien doch alle beantwortet. Und: Auf dem Weg aus der Haushaltsmisere dürfe sich keiner drücken. (Was kostet eigentlich so ein Kämmerer?)
Rechtsdezernent Jens Stoffers betonte, auch die Kommunalprüfungsanstalt hielte den erfolgten Stellenabbau für erforderlich, räumte aber ein, dass die Streichungen nicht – bzw. nicht ohne eine parallele Aufgabenkritik – fortgesetzt werden dürften. Außerdem seien nur 53 Stellen abgebaut und 120 nicht wiederbesetzt worden.. Insgesamt seien jetzt 135 Stellen „im Abgang“, davon 122 durch „Umbuchung“ auf die GGS (Grundstücks- und Gebäudeservice – Hausmeister, Gebäudereinigung). Ach, er meint das doch gar nicht so. Ist nun mal sein Job, menschliche Schicksale auf Statistiken und Paragrafen zu reduzieren, Hauptsache, das Komma stimmt.
Unser Eindruck: Alle reden vom papierlosen Büro, doch der Fortschritt geht in Wilhelmshaven noch weiter: Angepeilt ist das personallose Rathaus. Während städtische Mitarbeiter daran arbeiteten, dass vielleicht 50 Arbeitsplätze in einem neuen Kraftwerk entstehen, wurden im Rathaus über 150 Arbeitsplätze vernichtet, weitere folgen. Mitarbeiter bzw. deren Stellen werden auf Hartz IV „umgebucht“. Wer heute noch glaubt, der öffentliche Dienst sei eine bequeme Hängematte, hat den Schuss nicht gehört.
Da war doch noch was? Ach ja, die dritte und letzte Wortmeldung zur „Aussprache mit dem Personalrat“:
Für FDP-Sprecher von Teichman sind Beschäftigte der Stadt offenbar nur Bürger dritter Klasse. „Sie und Ihre Mitarbeiter“, ließ er Kanth wissen, „haben einen völlig gesicherten Arbeitsplatz, und von dieser Warte aus betrachten Sie die Dinge“. Herr von Teichman hat einen völlig gesicherten Arbeitsplatz, der es ihm erlaubt, Stunden im Ratssaal zu verbringen und solche Sprüche abzusondern, ohne dass ihm dadurch existenzielle Nachteile entstünden. Weiter: An dem großen Druck, den städtische Mitarbeiter beklagen, seien sie selber schuld. Schließlich hätten sie ja selbst gefordert, die Wochenarbeitszeit zu reduzieren. Würden sie wieder 40 Stunden die Woche arbeiten, wäre die Arbeit gut zu schaffen. Zudem habe er „nicht den Eindruck, dass da immer ordentlich gearbeitet wird.“ Das Kopfschütteln im Ratssaal nahm zu – der laute Protest der Vorgesetzten, deren Mitarbeiter da gerade diskreditiert wurden, blieb leider aus. Kanths Kommentar: „Viele Dinge sprechen für sich.“ Wohl wahr.
Nur den Dezernenten bescheinigte von Teichman (in seiner Haushaltsrede), sie seien absolut mit Arbeit ausgelastet, da ginge nichts mehr. Das nenne ich Standesbewusstsein: Auf gut bezahlte Führungskräfte, mit denen man hernach im Ratskeller speist, lässt man nichts kommen!
Bemerkenswert auch, dass „vT“ als Mediziner das städtische Krankenhaus als „totes Kapital“ betrachtet. Und wir dachten bisher, das sei eine Einrichtung zur Behandlung kranker Menschen. Privatisieren! Wie auch die Reinigungsdienste, da ließe sich „ordentlich Geld sparen“.
Auch für Arbeitslose hatte von Teichman die Lösung: Die könnten ihre „reichlich bemessene Freizeit“ zum Beispiel für die Mitarbeit bei der Freiwilligen Feuerwehr einsetzen. Lalülala. Wann wird er endlich abgeholt?
Über die Haushaltsreden breiten wir mal den Mantel des Schweigens. Ein Trost, dass die Laufzeit des Worthülsengenerators auf je 7 Minuten beschränkt wurde, was meistens sogar klappte. Immer wieder schimmerte die Vision vom großen Boom durch, die Zahlen des Kämmerers machten eher Angst und Bange – zusammen verzeichnen alle Dezernate ein Defizit von 113,5 Mio Euro. Große Vorbilder wurden zitiert, als Zeichen der humanistischen Bildung, oder als Zeichen, dass man Google bedienen kann. Menzel traf mit Werner Finck keine schlechte Wahl – aber hat er das Zitat des Kabarettisten auch richtig verstanden? „Es kann nicht Aufgabe eines Politikers sein, die öffentliche Meinung abzuklopfen und dann das Populäre zu tun, Aufgabe des Politikers ist es, das Richtige zu tun und populär zu machen.“ Günter Reuter (CDU) zitierte Hoff (den Kämmerer) und Salomon, von Teichman die „Ruck“-Rede des ehemaligen Bundespräsidenten Herzog, Werner Biehl (Grüne) erzählte eine Fabel über Mäusenester.
Uns fällt zum Thema “Boom” als großes Vorbild nur John Lee Hooker ein: „Boom boom boom boom, I’m gonna shoot you right down, right offa your feet …“
Lange hatte die nach der letzten Kommunalwahl gebildete schwarzgelbgrüne Koalition im Rat nicht gehalten. Jetzt schaffte es der Oberbürgermeister, „Jamaica“ wieder zusammenzuschweißen, indem er seine Stimme mit in den Ring warf – gegen die eigenen SPD-Genossen. Auf diese Weise gab es eine 23:22-Mehrheit für einen PPP-Kompromiss und die Neuordnung der städtischen Beteiligungen. Und für die Erhöhung der Schmutzwassergebühr (obwohl die Entsorgungsbetriebe schon jetzt ordentliche Gewinne schreiben). Was sagt Werner Finck dazu? „Was in der Politik noch fehlt, ist ein Machthungerstreik.“
Joachim Tjaden nutzte in der Haushaltsdebatte die allgemeine Planlosigkeit, um die Linie der BASU vorzugeben. Da hatten die anderen wenigstens etwas, das sie annehmen oder auch ablehnen konnten. So verteilte er die “Kröten”, die im Sinne eines gemeinsamen Haushaltskonzepts von den verschiedenen Fraktionen – auch seiner – zu schlucken wären. Hier eine Auswahl: Die BASU stimmt der Umstrukturierung in eine Anstalt öffentlichen Rechts (AÖR) zu – unter der Voraussetzung, dass diese durch ein Gremium aus 15 Ratsvertretern kontrolliert wird, in dem jede Fraktion stimmberechtigt vertreten ist. Alle Dienstposten, Gehälter, Zulagen und Rechte der Mitarbeiter in der AÖR bleiben unverändert erhalten. Alle Fraktionen erhalten in den Kontrollgremien der Gesellschaften/ Beteiligungen und Eigenbetriebe zumindest einen Sitz mit beratender Stimme. Die Gewerbesteuer wird auf 460 % erhöht. Die Grundsteuer bleibt unverändert. Die Krötenwanderung hielt sich dann aber in Grenzen, alle hatten Schluckbeschwerden – s. Ergebnisse in anderen Einzelbeiträgen.
Gebetsmühlenartig wird den Bürgern vorgerechnet, dass Gewerbe- und Industrieansiedlungen wahre Reichtümer in die Kassen spülen und dafür eben auch das letzte Stück Natur in der Stadt vernichtet werden muss. In Wahrheit geht die Stadt Jahre nach einer erfolgten Ansiedlung erst mal leer aus, weil die Investitionen vorerst abgeschrieben werden dürfen. Erstaunt und erschüttert zeigt man sich angesichts eines drastischen Einbruches an Gewerbesteuern, der sich aber Jahre im Voraus berechnen ließ. Warum bitte ist dann die Ratsmehrheit zu feige, die Gewerbesteuer zu erhöhen? Angeblich reißen sich die Betriebe darum, sich hier ansiedeln zu dürfen, warum sollte sie so was abschrecken? Klar wollen Investoren ein Stück weit gehegt und gepflegt werden. Doch nur von der Liebe der Wirtschaftsbosse für die netten Politiker kann des Kämmerers Sparschwein nicht leben. Auch nicht von den schönen Fotos, die Verwaltungsspitze und Wirtschaftsvertreter bei allerlei festlichen Anlässen in trauter Gemeinschaft zeigen. „Wichtig ist, was hinten rauskommt“, sprach schon der dicke Kohl. Das ist in diesem Fall nur heiße Luft, auch Furz genannt.
Nicht nur Schulen, auch Spielplätze werden angesichts der schrumpfenden Wilhelmshavener Kinderschar eingedampft. Auch weil zur Pflege der Plätze nicht mal halb soviel Geld da ist wie noch vor 20 Jahren. Der Bedarf soll der unterschiedlichen Nachwuchsdichte in den verschiedenen Stadtteilen angepasst werden. Spielplätze sollen auch „Begegnungsräume“ für Jung und Alt werden, da sie von Senioren gern zum Verweilen angenommen werden (wohl mehr auf der Sitzbank als auf dem Klettergerüst). Johann Janssen (LAW) merkte an, dass die Nachbarschaft, Bürgervereine etc. in die Konzeption von Spielplätzen eingebunden werden müssen. Ein guter Anfang, aber nicht genug. Was uns nämlich befremdete, ist: Die Vorlage kommt als statistisch-wirtschaftliches Zahlenwerk daher, ohne tatsächliche Bedürfnisse der Kinder oder Zusammenhänge mit der Veränderung des Stadtbildes zu analysieren. Nur am Rande wird dies angerissen: „Bauvereine weisen in der Regel erhebliche Grünanteile hinter ihren Häusern auf und benötigen weniger Spielräume, sofern die Freiflächen von den Mietern genutzt werden dürfen. Große Grünflächen in der Nachbarschaft drücken ebenfalls den Spielraumbedarf. Dazu zählen beispielsweise der Stadtpark, Siebethsburg … sowie Stadtbild prägende Grünachsen wie (das) Brommygrün. Neue Einfamilienhausgebiete sind in der Regel dem Kinderspielplatzgesetz entsprechend ausgerüstet und liegen in der Regel weit über dem tatsächlichen Bedarf.“ Unsere Fragen: Wollen Kinder wirklich DIN-genormte Spielplätze mit TÜV-geprüften Spielgeräten, die zudem hohen Pflege-/Kostenaufwand erfordern? Die Erkenntnis, dass naturnahe Erlebnisräume wie der Stadtpark diese mehr als ersetzen, scheint doch vorhanden zu sein. Warum wird dann weiter abgeholzt im Stadtgebiet, warum wird auch die letzte Brachfläche, die Raum für eigene phantasievolle Nutzungs- und Gestaltungsmöglichkeiten lässt, platt gemacht, bebaut, als Parkplatz befestigt? Warum gibt es sterile Rasenflächen, die für Kinder nicht nutzbar sind? Wo sollen die Gören noch Cowboy und Indianer spielen, umgeben von Vogelgezwitscher? Hier muss dringend in eine ganz andere Richtung gedacht werden!!!
9.000 Euro soll eine Vorstudie zur „Hartmann-Lagune“ am Südstrand kosten. Angedacht ist eine abgedämmte Riesen-Badewanne, die frei vom Einfluss der Gezeiten ist und auch von Fäkalien, die aus Richtung Banter Siel deichnah vorbeischwabbeln. Dabei hat der Gegenwind längst eine kostenlose Vorstudie geliefert (s. Titelbild Ausgabe Nr. 240 vom November 2008), mit der SPD-Lagunen-Fan Hans Hartmann bereits hausieren geht. (Mit einer Spende von 90 Euro an den Gegenwind wären wir übrigens schon zufrieden.) Doch die Konkurrenz schläft nicht. Joachim Tjaden hat ein ausführliches Konzept für eine Lagune südlich des ehemaligen Geniusstrandes entwickelt, das kaum zu toppen ist: Hier kann man nicht nur schwimmen mit Aussicht auf die JadeWeserPort-Baustelle, das Wasser ließe sich mit der Abwärme der Kohlekraftwerke ganzjährig kostenlos auf tropische Temperaturen erwärmen.
Die Tjaden-Lagune (mit ebenfalls 9.000 Euro für eine Vorstudie) war allerdings nur ein vorgezogener Aprilscherz, der die absurde Idee, eine Südstrand-Lagune auch noch über eine kilometerlange Leitung mit Kraftwerks-Abwärme zu beheizen, vorführen sollte. Als im Haushalt gar kein Ansatz für die Südstrandlagune auftauchte, stimmte die BASU gegen den eigenen Gegenvorschlag – der Gag sollte ja Kosten sparen und keine erzeugen.
Mitte April soll das „Columbia“-Hotel an der Jadestraße eröffnen. Die Stadt lässt sich nicht lumpen und spendiert den Betreibern das passende Umfeld: In Fortsetzung des Valois- und des Gotthilf-Hagen-Platzes wird die Jade-Allee (neuer Name) durchgepflastert bis zur Emsstraße. Kann man machen, muss man aber nicht, wenn es an wirklich wichtigen Ecken (Personal, Schulen etc.) derart kneift. Es werden kaum mehr Gäste dort lang flanieren, nur um eine weitere voll versiegelte Fläche zu besichtigen. Und: Verkehrsberuhigung an der „Maritimen Meile“ ist ja ganz nett – aber wohin mit dem (Schwerlast-)Verkehr, der von Westen her Richtung Südstrand und Arsenalgelände fließt? Da soll jetzt wohl der Anton-Dohrn-Weg dran glauben (eine bislang eher ruhige Verbindung entlang der Erholungsgebiete am Banter See und Seedeich), mit Anschluss über die Planckstraße, wofür dann noch mehr Geld versenkt und Grün vernichtet wird. „Die Entwicklungen, die sich hier vollziehen, gibt es in keiner anderen Stadt“, sprach der OB – na gut, er hat was anderes damit gemeint.
Die Zuschüsse aus Fördertöpfen sind natürlich verlockend, die will Menzel „schnell in die Wirtschaft, den Mittelstand, das Handwerk hineingeben“, der Rest kommt aus dem Stadtsäckel. Die Baufirmen freut es – aber welche langfristigen Vorteile haben die BürgerInnen davon ???
Ach ja, da war ja noch was: Wie entschied man sich nun am Ende in Haushaltsfragen? Die Crux: Ohne einen genehmigungsfähigen Haushalt, was hieß: ohne Kröten zu schlucken, kommt man nicht an das leckere Konjunkturprogramm. So wurde die Haushaltssatzung 2009/2010 nach 9 Stunden verbaler Differenzen mehrheitlich beschlossen.
Lassen wir zum Schluss noch mal Werner Finck zu Wort kommen: „Eine Konferenz ist eine Sitzung, bei der viele hineingehen und wenig herauskommt.“
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