Ratssplitter
Mrz 182015
 

vom 18. März 2015

am Kehrblech: Imke Zwoch

Wir werden in der Loge
des Lebens nicht mehr froh.
Die Folter dauert ewig
von Show zu Show zu Show!

Am Ende waren es fünf Minuten, die drei Stunden Aussitzen wett machten. Im Rahmen der Einwohnerfragestunde gab eine Zuschauerin ihren Eindruck von der Atmosphäre der Ratssitzung wieder: Muppet Show! Ich würde es Miss Piggy und Kermit zwar nicht verdenken, wenn sie juristisch gegen diese Verunglimpfung vorgehen. Doch im Prinzip trifft dieser neue Arbeitstitel für die Ratssitzung den Nagel auf den Kopf.

Schmeisst euch in Frack und Fummel
und Vorhang auf: Hallo!
Freut euch auf Spaß und Rummel
in der super Muppetshow!

Die sensationellteste, fabelhaftellteste,
blödelhaftellteste, muppetionellteste,
ja jetzt kommt die super Muppetshow!

Aus zwei mach drei

Bislang wird der hauptamtliche Oberbürgermeister Wagner bei Repräsentationsterminen, die er selbst nicht wahrnehmen kann, von zwei ehrenamtlichen Bürgermeistern vertreten. Durch eine schwere Erkrankung kann Fritz Langen (CDU) diese Funktion auf unabsehbare Zeit nicht mehr wahrnehmen und Holger Barkowsky (SPD) braucht Entlastung. Die einfachste Lösung: Langen gibt sein Amt ab und jemand Neues wird nachgewählt. Doch einfach wäre zu einfach. Also beantragte die Mehrheitsgruppe (CDU plus SPD, kurz GroKo), als dritte Bürgermeisterin die derzeitige Ratsvorsitzende Ursula Glaser (CDU) hinzuzuwählen. Zuvor musste die Hauptsatzung geändert werden, die bisher nur zwei Vertreter/innen vorsieht.

Im Vorfeld war Kritik laut geworden, dass Nr. 3 ein ziemlicher Luxus wäre. Nach dem Nds. Kommunalverfassungsgesetz (NKomVG) ist es legitim, „bis zu drei ehrenamtliche Stellvertreterinnen oder Stellvertreter“ zu wählen. Aber sie kosten auch Geld. Bislang erhielt der erste (vertretende) Bürgermeister monatlich 725 Euro, der zweite 590 Euro. Mehrheitlich wurde beschlossen, die Entschädigungssatzung wie folgt zu ändern: “ … für die beiden ehrenamtlichen Vertreter/innen des Oberbürgermeisters … 750,00 € mtl.“

Tatsächlich ruhen mit Langens Amt während seiner Krankheit auch seine Bezüge. Aber was passiert, wenn er – hoffentlich bald! das wünschen wir ihm und auch alle seine Ratskolleg/innen – wieder gesund wird? Wird Nr. 3 dann wieder rausgekickt oder nicht? Peter Debring (SPD) schlug vor, in der Hauptsatzung „bis zu drei Vertreter“ einzusetzen, damit bei Langens Rückkehr keine erneute Satzungsänderung erforderlich wird. Helga Weinstock (BASU) plädierte dafür, „einen Vertreter für den ehrenamtlichen Bürgermeister“ vorzusehen. Dem hielt Stadtrat Jens Stoffers entgegen, „die Veranstalter legen Wert darauf, dass einer mit Schulterklappen kommt“. Soll heißen: nicht irgendein Ratsmitglied, sondern ein Beigeordneter, sprich Mitglied des Verwaltungsausschusses.

Daran knüpfte die Kritik der Gruppe Grüne/WBV an. Mit Katja Breuer und Stefan Becker stellt sie zwei Beigeordnete, die als direkte Vertreter des OB wählbar wären. Für Breuer bliebe bei der Wahl von Frau Glaser „ein Geschmäckle“, weil „das letzte Ratsdrittel“ außen vor bleibt. Auch Michael von den Berg forderte, die Nr. 3 solle aus den Reihen der Opposition kommen. Worauf Michael von Teichman (FDP) die Frage stellte, ob von den Berg ernsthaft die Politik dieser Stadt nach außen vertreten wolle?  Vor allem störte er sich an der ungenauen Formulierung, die offen ließe, ob es am Ende nun zwei oder drei bezahlte Bürgermeister geben könne. CDU-Sprecher Stephan Hellwig versprach hoch und heilig, die Nr. 3 rückgängig zu machen, wenn Fritz Langen wiederkommt.

Nachdem die Hauptsatzung, bei 3 Gegenstimmen und 2 Enthaltungen aus der Opposition, geändert war, ging es an die Wahl. Auf Antrag von Barbara Ober-Bloibaum (früher SPD, dann BASU, derzeit parteilos in einer Gruppe mit der UWG) wurde geheim abgestimmt. In weiser Voraussicht hatte die Verwaltung bereits Wahlzettel für die einzige Kandidatin Ursula Glaser vorbereitet. Warum die Opposition trotz ihre vorausgegangenen Forderungen keine/n eigene/n Gegenkandidat/in nominierte, bleibt ihr Geheimnis. Mit 29 Ja- und 10 Nein-Stimmen wurde Glaser zur dritten Bürgermeisterin gekürt.

Souverän geht anders

Sie versprach, ihr neues Amt mit Souveränität auszuüben, „ich werde alles geben“. Keine Frage, dass sie mit ihrer herzlichen Ausstrahlung ihren Job als Repräsentantin bei Vereinen etc. gut machen wird. Als Ratsvorsitzende jedoch wirkte sie alles andere als souverän. Nach über drei Jahren ist sie immer noch nicht mit der Geschäftsordnung vertraut und braucht regelmäßig Hilfestellung ihrer Sitznachbarn. Nur die Zahl „5“ hatte sie im Kopf – das ist die Begrenzung der Redezeit in Minuten. Welche der/die Ratsvorsitzende auch verlängern darf. Stattdessen reagierte Glaser vor allem gegenüber Oppositionsvertretern schnell gereizt, wenn sie die Redezeit ausschöpften, und auch gegenüber dem Publikum auf der Empore, sobald nur wenige Sekunden Beifall oder Missfallen bekundet wurde. Das alles trägt nicht dazu bei, die ohnehin unangenehme, feindselige Grundstimmung im derzeitigen Rat zu entschärfen.

„Die/der Ratsvorsitzende hat die Sitzungen unparteiisch zu leiten“, sagt die Geschäftsordnung. „Persönliche Angriffe und Beleidigungen sind von dem/der Ratsvorsitzenden sofort zu rügen.“ Wie da aus den vordersten Reihen der Mehrheitsgruppe halblaut, aber unüberhörbar über Beiträge der Opposition hergezogen wird, das geht auf keine Kuhhaut. Ordnungsrufe? Fehlanzeige.

Glasers Vorgänger Norbert Schmidt hatte den Laden besser im Griff. Ob ihr designierter Nachfolger Helmut Möhle dieses Niveau zumindest wieder anpeilen kann? Heute leistete er sich einen putzigen Lapsus: Während des Wahlverfahrens übernahm er die Sitzungsleitung und und präsentierte als Kandidatin „Frau Aljets“.  Er muss sich wohl erstmal eingrooven.

 

 

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