Rassismus in der Disko
Dez 152009
 

Macht hoch die Tür, die Tor macht weit

Wenn man vor verschlossenen Türen steht

(mt) Wir befinden uns vor der Diskothek FUN/LOLLIPOP an einem Freitagabend. Der Laden ist wie immer brechend voll, und die Garderobe nimmt schon keine Anoraks mehr entgegen. Kein Wunder, die Disco ist beliebt. Schließlich bietet sie sehr viel, gute Musik, ein tolles Ambiente, viele Aktionstage wie z.B. die 11/33-Party (11 Euro zahlen und für 33 Euro verzehren).

Ich stehe also draußen und warte. Man freut sich schon auf einen schönen Abend, den man zu erleben hofft. Doch was ist das? Ich sehe eine junge Frau, die damit beschäftigt ist, Leute zu zählen. Auf die Frage, was sie denn da täte, antwortet sie, sie würde die Anzahl der Ausländer abschätzen, um sich auszurechnen, ob ihr türkischstämmiger Freund noch eine Chance hätte, in den Laden zu kommen. Ich wundere mich und frage sie, ob sie das ernst meine, denn so etwas konnte ich gar nicht glauben. Glauben musste ich es auch nicht, denn ich konnte es mit eigenen Augen sehen.

Direkt vor der Tür bietet sich mir ein groteskes Bild. Türken, Libanesen, Russen, Schwarze und andere “Ausländer” stehen vor der Tür und werden nicht hineingelassen. Das Wort “Ausländer” ist in diesem Falle gar nicht korrekt, denn viele vermeintliche Ausländer haben einen deutschen Pass. Ich frage mich, ob es wirklich sein kann, dass diese Menschen aufgrund ihrer Abstammung nicht in die Disco gehen dürfen. Also frage ich die junge Frau neben mir, ob das wirklich so sei und ob das öfters so wäre. Sie bejaht dies und meint zu mir, dass ihr Freund noch niemanden etwas angetan hätte und sich in der Disco auch immer gut benommen hätte. Aber trotzdem käme es immer wieder vor, dass er draußen bleiben müsste. Ich bin sehr schockiert über diese Situation und frage mich, warum das so ist.

Am nächsten Morgen schreibe ich eine E-mail an das FUN/LOLLIPOP und schildere meine Erlebnisse des Vorabends. Darauf bekomme ich eine Antwort. Man wolle sich mit mir treffen und diese Situation mit mir persönlich besprechen. Also mache ich mit dem Geschäftsführer einen Termin aus und treffe mich mit ihm.

Wir sitzen im Bonny´s und ich führe ein Interview mit ihm. Ich frage ihn, ob es in seiner Disco eine feste Ausländerquote gäbe, denn generell sind auch immer Ausländer im FUN zu treffen. Der Geschäftsführer antwortet mir, dass es keine Ausländerquote gäbe. Er fügt hinzu, dass fast die Hälfte seiner Belegschaft selbst Ausländer seien bzw. einen Migrationshintergrund hätten. Aber trotzdem achte man darauf, wer in die Disco käme und wer nicht.

Ich frage ihn, warum denn bestimmte Ausländer hineinkämen und andere nicht. Er antwortet mir, dass viele Ausländer ein hohes Gewaltpotenzial hätten, ihre Hemmschwelle zur Handgreiflichkeiten viel niedriger sei, er ergänzt, dass es sich hier ausschließlich um männliche Ausländer handeln würde. Diese  würden oft Frauen belästigen, und man hätte deswegen oft Ärger mit ihnen. Das hätte auch nichts mit Ausländerfeindlichkeit zu tun, sondern wäre eine Tatsache.

Ich frage mich, ob das so stimmt. Also google ich am Nachmittag nach Artikeln und Statistiken und muss feststellen, dass Menschen mit Migrationshintergrund viel häufiger in Gewaltdelikte verwickelt sind als deutsche. Ich frage den Geschäftsführer also, was er denn gegen diese Problematik tut. So kämen z.B. Fremde deutlich seltener ins FUN als Stammgäste. Wenn Ausländer in größeren Gruppen aufträten, wäre ein Einlass auch ausgeschlossen. Man müsse eben für Sicherheit sorgen. Ich frage, ob man nicht auch für sicherere Rahmenbedingungen sorgen könne, indem man die billigen Sonderangebote wie die11/33-Partys abschaffen könnte, da so weniger Alkohol verzehrt und dementsprechend weniger Vorfälle geschehen würden. Jedoch muss ich erfahren, dass der Geschäftsführer dies schon versucht hätte und er dadurch einen großen Verlust verzeichnen musste. Die Leute kämen dann eben nicht mehr zu ihm, sondern würden in eine andere Disco gehen. Der ökonomische Druck sei zu groß.

Es gäbe nur die Möglichkeit, die Gäste am Eingang zu kontrollieren. Ich frage ihn, ob er es nicht für ungerecht halte, diese Problematik bezogen auf alle Ausländer zu pauschalisieren. Denn es gäbe genug Ausländer, welche sich anständig und wiederum viele Deutsche, welche sich daneben benehmen würden.

Ich berichtete ihm von dem Freund der Frau, welche vor dem Eingang die Ausländer zählte, und sage, dass er z.B. nicht hineinkam, obwohl er  sich immer anständig verhielt. Doch der Geschäftsführer entgegnet mir bloß, dass dies nicht die Regel sei …

 

Kommentar

Wir leben in einer Gesellschaft der Ungerechtigkeit, in der der Umgang mit Menschen von Herkunft und Abstammung bestimmt wird. In der Öffentlichkeit wird immer wieder über die Probleme mit Migranten gesprochen. Ausländer seien gewalttätig und kriminell. Man solle sich anpassen, ist immer wieder eine Forderung einiger Politiker. Offensichtlich gibt es ein Problem mit einigen Ausländern und Menschen mit Migrationshintergrund.

Jedoch ist die Problematik wesentlich komplexer, als es den Anschein hat. Die Wurzel des Problems liegt Jahrzehnte zurück. Die Gastarbeiter kamen ins Land. Man betrachtete sie als Gäste, welche bald wieder gehen sollten. Die Zeit verging, aber die ehemaligen Gäste waren dauerhafte Mitbürger geworden. Jedoch behandelte man sie weiter als Gastarbeiter. Die Jahre vergingen und die Migranten lebten isoliert vom Rest der Gesellschaft. Man integrierte sie nicht. Im Gegenteil. Man schloss sie aus.

Heute sehen wir das Resultat dieser verfehlten Integrationspolitik. Junge Menschen, welche oft eine niedrige Bildung besitzen, arbeitslos sind und nie die Werte und Normen unserer Gesellschaft gelernt haben. Aus Frust und Hass greifen sie dann zu der für sie einzig möglichen Lösung, der Gewalt.

Ein Gesellschaftsproblem mit weitreichenden Konsequenzen. Doch auf das Problem der verfehlten Integration mit dem Ausschluss von Ausländern vom gesellschaftlichen Leben zu reagieren, ist sicherlich nicht die Lösung des Problems.

Matthias Tiller

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