WRG – Kein Retter in Sicht
Noch könnte die Raffinerie problemlos wieder angefahren werden
(jm) Die Preise auf dem internationalen Rohölmarkt ziehen wieder an. Doch die Gewinnmargen der Raffinerien verharren trotzdem im Bereich zwischen Bescheiden und Trostlos. Es gibt davon nämlich zu viele und das Überangebot an Ölprodukten drückt auf die Verkaufserlöse.
Das liegt daran, dass in Europa weniger Öl verbraucht wird und kaum noch was in die USA exportiert werden kann: Auch die dortigen Raffineriekapazitäten übersteigen derzeit die Nachfrage.
Das wirkt sich auch auf die WRG aus, die in der Vergangenheit einen erklecklichen Anteil ihrer Produkte in den USA absetzen konnte. Auch zukünftig dürfte der Export selbst bei wieder ansteigender Nachfrage immer schwieriger werden, weil Ölprodukte aus den Öldestillen am Persischen Golf sowie aus Indien und Fernost auf den Weltmarkt drängen. Die europäische Raffineriebranche leidet durch diese Entwicklungen unter Überkapazitäten mit der Folge fallender Gewinnmargen.
Der Vorstandsvorsitzende von ‚BP Europa SE’ Dr. Uwe Franke schätzt die Überkapazitäten auf „20 bis 30 Prozent“ (Quelle, Manager Magazin, 02.08.10). Daher versuchen jetzt viele Betreiber, ihre Raffinerien loszueisen. Das drückt natürlich auf die Verkaufserlöse. Allein in Europa sollen 14 Raffinerien zum Verkauf stehen. Darunter bekanntlich auch die Wilhelmshavener Raffinerie von ConocoPhillips.
Letztendlich kommen die Rohölverarbeiter jedoch nicht drum herum, Raffineriekapazitäten in Europa stillzulegen. Auf die Kandidatenliste hat ConocoPhillips ihre Wilhelmshavener Raffinerie gesetzt, mit der sie sich allein schon Unkosten in Höhe von 1,1 Milliarden US-$ aufgehalst hat. (Quelle: New York Times, 28.07.2010). Erst vor viereinhalb Jahren – im Februar 2006 – hatte sich die WRG eine Erhöhung ihres Rohöldurchsatzes von jährlich 10,2 auf 15,1 Mio. Tonnen genehmigen lassen. Doch die erweiterte Produktionskapazität wurde gar nicht ausgelastet, und seit Oktober letzten Jahres steht die Raffinerie ganz still. Zwischenzeitlich versuchte der Mutterkonzern ConocoPhillips, die Raffinerie durch Realisierung des ‚Wilhelmshaven Upgrader Project’ (d.h. durch den Bau von Crackern zum molekularen Zerbrechen von schwer verkäuflichem Schweröl in die Bestandteile Leichtöl- und Gasprodukte sowie Petrolkoks) wettbewerbsfähiger zu machen. Davon hat ConocoPhillips ja bekanntlich kurz nach Erteilung der Genehmigungen Abstand genommen.
Jetzt will der texanische Multi die Raffinerie einfach nur noch loswerden. Doch Verkaufsgespräche mit dem größten russischen Ölkonzern ‚Lukoil’ sind ergebnislos verlaufen (Quelle: FinanzNachrichten, 08.06.2010). Gescheitert sind sie an den auseinanderklaffenden Preisvorstellungen. Dazu erklärte der Vize-Präsident der Investitionsabteilung von ConocoPhillips, Clayton Raisor, dass „…wir abwarten, weil wir meinen, in einigen Jahren die Erlöse zu verbessern, die wir für Raffinerieverkäufe bekommen.“ (Dow Jones News Wire, 25.05.2010)
Doch der Vertreter einer englischen Beratungsfirma der Raffineriesparte bezeichnet die Wilhelmshavener Raffinerie als nicht „up to date“, weil dort nicht, wie in anderen europäischen Anlagen, die teuren Qualitätsprodukte hergestellt werden könnten. Es sei riskant, die Wilhelmshavener Raffinerie zu kaufen. Es gehöre Mut dazu, diese Herausforderung anzunehmen, weil so viel Geld in den Ausbau gesteckt werden müsste (Quelle: FinanzNachrichten, 22.07.2010).
Noch könnte der Raffineriebetrieb problemlos wieder anlaufen; die technischen Voraussetzungen sind nach Abschluss der Revisionsarbeiten bzw. nach Beseitigung der Brandschäden gegeben, und das Personal steht noch dafür bereit. Das dürfte in ‚einigen Jahren’ nicht mehr der Fall sein und sich deshalb wiederum die Erlöse nicht verbessern lassen. Folglich müsste sich ConocoPhillips trotz des Wettbewerbshandikaps ihrer Wilhelmshavener Rohöl-Destille für ihren Weiterbetrieb entscheiden, bis ein Käufer angebissen hat. Doch von ConocoPhillips kommen andere Signale: Der Multi will im wenig profitablen ‚down stream’-Sektor (d.h., in der Raffinerie- und Marketingsparte) kräftig abspecken, um seine Aktionäre zufrieden zu stellen. Doch wenn die sofortige Betriebsbereitschaft der Raffinerie erst mal weggefallen ist, dann dürfte sie wohl endgültig der anstehenden Marktbereinigung zum Opfer fallen.
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