Radio Jade
Feb 272002
 

Lizenz zum Senden

Radio Jade braucht mehr finanzielle Unterstützung

(ub) Die Lizenz zum Senden scheint sicher. Alles deutet darauf hin, dass Radio Jade auch die nächsten 7 Jahre Wilhelmshaven und Friesland mit Informationen und Musik beschallt. Doch woher soll zukünftig das Geld kommen, wenn jetzt die Niedersächsische Landesmedienanstalt (NLM) zwar die Sendelizenz für die nächsten sieben Jahre an Radio Jade vergibt, die Zuschüsse aber drastisch kürzt? Zu wenig Mitglieder, Förderer und Unterstützung aus Politik und Wirtschaft – diese und andere Sorgen standen auf der Tagesordnung der Mitgliederversammlung im Februar 2002.

Alle Ampeln scheinen auf Grün geschaltet, man ist sich sicher, dass von der Niedersächsischen Landesmedienanstalt positiv über den von Radio Jade gestellten Lizenzantrag entschieden wird. Radio Jade ist dann offiziell aus der Erprobungsphase entlassen. Das Experiment lokales Radio in Wilhelmshaven ist geglückt. Ab 1. April 2002 soll Radio Jade in den sogenannten Regelbetrieb starten. Gero Pürwitz, bis dato 1. Vorsitzender des Vereins Radio Jade, zeigte im Bericht des Vorstandes die Problemlage auf. Zwar gibt es, so Pürwitz, „deutlich positive Signale aus Hannover“, dem Sitz der NLM, und die Lizenzerteilung für die nächsten 7 Jahre scheint sicher, aber wie eine einigermaßen sichere finanzielle Grundlage für den Sendebetrieb zu organisieren ist, bleibt weitgehend ungewiss. Die Mitgliederentwicklung stagniert, ist sogar leicht rückläufig. 274 „natürliche“ Personen sind derzeit noch Mitglied im Verein Radio Jade. Im Jahr 2000 waren es 292. Die Zahl der „juristischen“ Mitglieder aber hat leicht zugenommen, denn u. a. sind weitere Kirchengemeinden dazu gekommen. Pürwitz dringender Appell: „Radio Jade braucht mehr Mitglieder! Auch als Zeichen für die Verankerung des Senders in der Region.“ Aber ob zukünftig drohende Finanzlöcher allein durch Mitgliedsbeiträge zu stopfen sind, scheint zweifelhaft. Derzeit beträgt das Haushaltsvolumen lt. Bericht des Kassierers und später zum 1. Vorsitzenden gewählten Holger Locherer 890.000 DM pro Jahr. Knapp 600.000 DM (die Auswertung des Haushalts in Euro soll ab dem nächsten Jahr erfolgen) davon zahlt die NLM. Die zweitgrößte Summe steuert das Arbeitsamt für Personalkosten (die größte Ausgabenposition) bei. Ca. 500.000 DM müssen für Festgehälter aufgewendet werden, 230.000 DM Honorarzahlungen schlugen in 2001 zu Buche. Der kleine Rest geht vornehmlich in die laufenden Sachkosten. Größere Anschaffungen und Ausgaben sind nicht drin. Ein Übertragungswagen steht schon lange auf dem Wunschzettel, auch zusätzliche feste Sendestationen im Umland würden Sinn machen, weil man die Aktualität und die Informationsdichte erhöhen und somit die Verankerung in der Region verstärken könnte.
Eine in den regionalen Zeitungen geschaltete Anzeige, unterzeichnet von ca. 70 mehr oder weniger bekannten Personen des öffentlichen Lebens, hatte im Herbst letzten Jahres auf die finanziellen Probleme aufmerksam gemacht. Dem Rechenschaftsbericht des Kassierers von Radio Jade zu Folge hat diese Spendenaufrufaktion ca. 35.000 DM in die Kasse gespült. Nicht schlecht, aber wohl nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein.
Im Oktober 2001 hatte Redaktionsleiter Michael Diers bereits auf die äußerst prekäre Situation hingewiesen, die dem Verein zukünftig droht. Diers seinerzeit gegenüber dem Gegenwind: „Wir haben im Augenblick 576.000 DM pro Jahr zur Verfügung. Ab dem 31. März bekommen wir nur noch eine Sicherheit von 400.000 Mark im Jahr. Aber erst einmal nur dann, wenn wir davon mindestens 10 % selber nachweisen können. Das heißt, wir werden 170.000 DM weniger bekommen als in der Vergangenheit.“ (Gegenwind Nr. 174). Was fehlt, ist vor allem die Unterstützung aus Wirtschaft und Politik. Der Vorstand des Vereins wird nicht müde, darauf hinzuweisen, dass Radio Jade auch ein bedeutender Wirtschaftsfaktor in der Region ist. Fördermittel und andere Gelder in Millionenhöhe fließen in die Stadt, seit Radio Jade sendet. Ein Argument, das andere Kommunen in Niedersachsen dazu veranlasst, ihre lokalen Radiosender mit sechsstelligen Summen zu bezuschussen (siehe dazu auch „Konturen gewonnen“ im Gegenwind Nr. 174). Derzeit wird lt. Hartmut Tammen-Henke (3. Vorsitzender von Radio Jade) über die Umwandlung des Radio-Jade-Vereins in eine GmbH nachgedacht. Es könnte dann die Möglichkeit bestehen, dass über eine Wirtschaftsförderung doch noch kommunale Mittel in den Sender fließen.
Zunächst einmal mussten die Mitglieder auf ihrer Sitzung jedoch scheinbar banale bürokratische Formalien erledigen. Die Vorschriften des neuen niedersächsischen Mediengesetzes vom 1. November 2001 „machen es notwendig“ so der 2. Vorsitzende Christian Glantz und der Kassierer Holger Locherer in ihrer Einladung, „dass Satzung und Statuten vor der Erteilung einer Lizenz den neuen Anforderungen angepasst werden.“ Die Niedersächsische Medienanstalt möchte u. a., dass die in § 5 formulierten „Programmgrundsätze“ aus der Vereinssatzung ersatzlos gestrichen werden. Begründung: Diese Grundsätze stehen schon in den Redakteursstatuten und ausschließlich da gehören sie auch hin. Der Vorschlag des Vorstandes, den Vorstellungen der NLM zu folgen und den § 5 ersatzlos zu streichen (weil ja auf jedem Fall in den Redakteursstatuten festgehalten), löste erstmals und einmalig an diesem Abend eine hitzige Diskussion auf der Mitgliederversammlung aus. Der § 5 der Vereinssatzung formuliert im wesentlichen den politischen Rahmen, im dem sich Radio Jade bewegen soll und darf. Das sind zum Beispiel Selbstverständlichkeiten wie: „Radio Jade e.V. ist in seinen Sendungen an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden…“ (das Gegenteil zu behaupten und damit eine Lizenz zu beantragen, wäre zumindest in Karnevalszeiten ein interessanter Versuch. Scherz beiseite – diese Programmgrundsätze bringen deutlich zum Ausdruck, mit welchen politischen Ansprüchen die Radio-Jade-Gemeinde sich einst auf den Weg zu einem unabhängigen lokalen Sender gemacht hat). In besagtem § 5 wird u. a. auch festgelegt, was die Programme des Radiosenders zu fördern haben: Die internationale Verständigung, den Frieden und die soziale Gerechtigkeit. Auch sollen die Programme „zur sozialen Integration ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger, zur Verwirklichung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern …. beitragen.“
Es sind insbesondere die Radio-Jade-Veteranen der ersten Stunde, die diesen Passus auch für einfache Mitglieder verbindlich in der Satzung geregelt sehen wollen.
Eine Abstimmung über die Streichung des § 5 ergibt keine deutliche Mehrheit. Ein Scheitern der Zustimmung über die gesamte Vereinsatzung soll auf jedem Fall vermieden werden (hier müssen ¾ der anwesenden Mitglieder zustimmen), und so verbleibt der § 5 mit einschränkendem Vermerk in der Satzung.
Im Laufe dieser Diskussion über die Satzungsänderungen blitzt altes Misstrauen auf, zwischen den Fraktionen der Mitglieder. An anderer Stelle – beispielsweise beim Änderungsverfahren des § 13, welcher die verantwortlichen Aufgaben des Vorstandes regelt, wird deutlich, dass insbesondere die „Veteranen“ der Radiobewegung eine Verschiebung der Machtverhältnisse befürchten, dass z. B. der Programmausschuss im Bereich der Personalentscheidungen gegenüber dem Vorstand des Vereins an Einfluss verliert.
Der Vorstand seinerseits betonte vehement, dass es ausschließlich um die Erfüllung notwendiger Anforderungen der Landesmedienanstalt ginge, die u. a. den Kompetenz- und Verantwortungsbereich des Vorstandes klar formuliert sehen möchte. Hartmut Tammen-Henke: „An der Struktur der Zusammenarbeit zwischen Programmausschuss und Vorstand soll nicht gerührt werden.“
Die im Einzelnen gefundenen Veränderungsformulierungen der Vereinssatzung erweisen sich als ein tragfähiger Kompromiss: Die veränderte Satzung wird mit nur einer Gegenstimme beschlossen.
Wahlen standen auch an: Aus persönlichen Gründen erklärte der 1. Vorsitzende Gero Pürwitz sein Ausscheiden aus dem Vorstand. Einstimmig zum Nachfolger wurde Holger Locherer gewählt. Ebenso eindeutig gewählt wurden: Gerd Behnken (2. Beisitzer) Hans Pix (2. Kassenprüfer) und Hans Joachim Ewald (Kassierer).
Der Bericht aus dem Programmausschuss machte zum Schluss der Mitgliederversammlung noch einmal das finanzielle Dilemma deutlich, in dem die Radiomacher stecken. Wolfgang (Wolle) Willig stellte dar, wie sich die finanziell angespannte Lage auf die Personal- und Programmstruktur auswirkt: Die Honorare für freie Mitarbeiter wurden bereits gekürzt und sollen – dies allerdings auch aufgrund von Vorgaben der Mediengesetze – ganz entfallen. Fahrtkosten werden nicht erstattet. Für festangestellte Mitarbeiter ist eine Wochenarbeitszeit von 60 – 70 Stunden Normalität. Das Weihnachtsgeld ist immer noch nicht in Gänze ausgezahlt. Es wird, so Willig „schwierig, das Niveau zu halten.“ Redaktionsleiter Michael Diers stellt aber klar: „Wir machen gutes Radio, haben ein hervorragendes Programm und wir haben viel zur Etablierung der Region beigetragen.“

Sorry, the comment form is closed at this time.

go Top