Problem: Wohnung
Sep 271994
 

Verelendung droht

Mehr und mehr Jugendliche in Problemsituationen

(noa) Die Psychosoziale Arbeitsgemeinschaft (PSAG), die sich zusammensetzt aus VertreterInnen unterschiedlichster Institutionen und Gruppen, wandte sich am 22. September mit einer Stellungnahme an die Öffentlichkeit.

Die in der PSAG zusammengeschlossenen sozialen Einrichtungen Wilhelmshavens mußten in letzter Zeit feststellen, daß mehr und mehr Jugendliche und junge Erwachsene sich in Problemsituationen, häufig verbunden mit Wohnungslosigkeit, befinden. Hilfe für die Betroffenen durch die Kommune ist im Kinder- und Jugendhilfegesetz vorgeschrieben. Diese Hilfe wird in Wilhelmshaven jedoch häufig nicht gewährt.

Dadurch kann kurzfristig Geld eingespart werden – mittel- und langfristig entstehen jedoch wesentlich höhere Kosten. Kommt z.B. ein/e 18jährige/r zum Jugendamt, weil er/sie von zu Hause rausgeflogen ist, erfährt er/sie dort, daß das Amt nicht mehr zuständig ist, da er/sie volljährig ist – daß die Stadt laut KJHG zu besonderen Unterstützungsmaßnahmen auch für junge Erwachsene (bis 21 Jahre, in Ausnahmefallen sogar bis 27 Jahre) verpflichtet ist, wissen die Betroffenen im allgemeinen nicht.

Barbara Kruse, Bewährungshelferin und Mitglied in der PSAG, weiß von jungen Erwachsenen, die dann mal da, mal dort bei Bekannten zwar schlafen konnten aber morgens nie wußten, wo sie in der folgenden Nacht ihr müdes Haupt betten durften, irgendwann einmal dann keinen Schlafplatz fanden; häufig ist dann der nächste Schritt der Verlust des Ausbildungs- oder Arbeitsplatzes. Elke Grimm, Mitarbeiterin bei Beratung, Kommunikation und Arbeit e. V. weiß ebenfalls von solchen „Karrieren“.

„Oft ist es nur eine Verlagerung der Kosten von einem Amt zum andern“, berichtet Uwe Brams, Leiter der SOS-Jugendberatungsstelle und ebenfalls Mitglied der PSAG. Werden die betroffenenjungen Leute z.B. in einer Einrichtung für Nichtseßhafte untergebracht, entstehen wesentlich höhere Kosten. Bis zu 1.000 DM monatlich zahlt die Stadt an eine Pension – die Kosten fallen dann halt nicht beim Jugendamt, sondern beim Ordnungsamt an.

Durch die Unterbringung in solchen Unterkünften entstehen oft neue soziale Brennpunkte; für die/den einzelneN verschärft sich u.U. die Problemsituation, wenn er/sie dort in Kontakt mit Langzeitwohnungslosen kommt. So manch einer bekommt nun erstmalig mit Drogen zu tun; Sucht, Verwahrlosung, Gewalt, Arbeitslosigkeit sind oft die Folgen der Wohnungslosigkeit.

Der Sparkurs der Stadt ist auf Dauer sehr teuer. Die PSAG fordert deswegen, daß dem Jugendamt die Haushaltsmittel zur Umsetzung des Maßnahmenkatalogs nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz zur Verfügung gestellt werden. In den §§ 27 bis 36 KJHG ist geregelt, daß Jugendliche und junge Erwachsene einen Rechtsanspruch auf Hilfen von Beratung über Familienhilfe bis hin zu stationärer Unterbringung haben.

Für dringend erforderlich hält die PSAG die Einrichtung einer Notaufnahme, die für den genannten Personenkreis geeignet ist und wo sie die Zeit bis zur Entscheidung über die Art der Hilfe in einem geschützten Rahmen verbringen können.

Zunächst einmal ist allerdings ein Jugendhilfeplan zu erstellen. In Wilhelmshaven wurde Anfang der 80er Jahre lediglich eine Bestandsaufnahme der Einrichtungen und Möglichkeiten gemacht; zu einem richtigen Jugendhilfeplan ist es nie gekommen. Auf das mittlerweile in Kraft getretene Kinder- und Jugendhilfegesetz hat die Stadt nicht reagiert.

An der Erstellung des Jugendhilfeplanes will die PSAG gemäß § 80 KJHG („Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sollen darauf hinwirken, daß die Jugendhilfeplanung und andere örtliche und überörtliche Planungen aufeinander abgestimmt werden und die Planung insgesamt den Bedürfnissen und Interessen der jungen Menschen und ihrer Familie Rechnung tragen.“) gerne beteiligen. Sie hat deswegen zu ihrer nächsten Sitzung alle Mitglieder des Rates der Stadt Wilhelmshaven eingeladen.

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