Privatisierung
Okt 082003
 

Wird das RNK privatisiert?

Zum 1.1.2004 soll es eine Rechtsformänderung für das RNK geben

(noa) Vor einem knappen Jahr wurde in einer Personalversammlung des Reinhard-Nieter-Krankenhauses eine Bombe gezündet – der große Knall ist bislang ausgeblieben. Auf die Frage eines Personalratsmitgliedes erklärte der Krankenhausdirektor Prof. Jörg Brost, er werde nach der Landtagswahl von der Stadtverwaltung den Auftrag bekommen, die Umwandlung des städtischen Eigenbetriebes RNK in eine GmbH zu betreiben.

Seither ist auf der Seite der Beschäftigten, des Personalrates und der Gewerkschaft ver.di immer wieder die Rede von einer geplanten Privatisierung des Krankenhauses. Auf der anderen Seite vertritt Prof. Brost immer wieder die Position, dass es sich nicht um eine Privatisierung, sondern um die Umwandlung des Eigenbetriebes in eine Eigengesellschaft der Stadt handeln wird.
Der Prüfantrag des Rates der Stadt an die Verwaltung hatte das Thema „Strukturveränderungen zur Verbesserung der betriebswirtschaftlichen Situation des Reinhard-Nieter-Krankenhauses“, und auf diese Formulierung weisen beide Seiten hin, um zu untermauern, dass es eine Privatisierung bzw. dass es keine Privatisierung werden soll. Im Mai 2003 lud Prof. Brost „die Beschäftigten des Eigenbetriebes –und nur diese und damit keine Eigenbetriebsfremden – zu einer Informationsveranstaltung“ zu der anstehenden Betriebsänderung ein. In der Einladung standen beruhigende Worte: „Es besteht objektiv für uns kein Anlaß zur Sorge, da die bestehenden Arbeitsverträge der Beschäftigten inhaltlich nicht zur Disposition stehen werden. Weder deren Tarifbindung noch die VBL-Mitgliedschaft werden in Frage gestellt. Es ist auch keine Privatisierung, nichts wird verkauft.“
Der Personalrat reagierte auf diese Einladung mit einem Flugblatt, in dem unter der Überschrift „Privatisierung: Werden wir verkauft?“ mit dem Hinweis auf das Thema des Prüfantrages betont wurde, dass es „nicht Umwandlung zur Eigengesellschaft“ hieß. Außerdem fragte der Personalrat darin, „warum (…) der Gesamtpersonalrat, Ver.di und die Politik von der Infoveranstaltung ausgeschlossen“ wurden.
Der Gesamtpersonalrat der Stadt stellte dem Sozialdezernenten Stoffers am 20. Juni schriftlich eine lange Liste von Fragen zur „Privatisierung des Reinhard-Nieter-Krankenhauses“ (die, wie wir erfuhren, bis heute nicht beantwortet worden sind). Im Juli war das Thema RNK Tagesordnungspunkt des ver.di-Ortsvereinsvorstandes, und „der Vorstand machte deutlich, dass die Gewerkschaft Flagge zeigen werde. Gegebenenfalls werde sich der Ortsverein gegen eine Privatisierung des RNK stark machen, falls versucht werde, die Bediensteten ‚über den Tisch zu ziehen’.“ (WZ, 24.7.03). In einem Brief an die Ratsmitglieder vor den Haushaltsklausuren im September drückt der Gesamtpersonalrat seine Sorge wegen „Privatisierungen“ aus.
Die jüngsten Verlautbarungen zur Frage, ob die Betriebsumwandlung des RNK nun eine Privatisierung ist oder nicht, gab es im Zusammenhang mit der bevorstehenden Eröffnung der Pflegestation im Altenheim Lindenhof, das zum städtischen Eigenbetrieb Reinhard-Nieter-Krankenhaus gehört: Ver.di-Bezirksgeschäftsführer Ralf Pollmann erklärte gegenüber der WZ, „bislang (…) sei der Rechtsform-Wechsel beim RNK hin zu einer GmbH so dargestellt worden, dass man habe beruhigt sein können“, doch jetzt täten sich schlimme Befürchtungen auf. (WZ, 20.9.03) Im selben Artikel widerspricht Brost zwar den Worten, nicht aber dem Sinn der gewerkschaftlichen Befürchtungen, indem er ver.di vorwirft, „die Veränderungen in der Sozial- und Gesundheitslandschaft nicht in dem erforderlichen Maße zur Kenntnis zu nehmen“.
Und da ist der Punkt, egal, ob das RNK eine GmbH, eine gGmbH oder sonst eine Gesellschaft werden soll – die „Veränderungen in der Sozial- und Gesundheitslandschaft“ heißen: Das Gesundheitswesen muss billiger werden.
Bremen hat es jüngst vorgemacht. Die vier städtischen Krankenhäuser wurden in gGmbHs umgewandelt. Dank guter und zäher Verhandlungen konnte die Gewerkschaft sicher stellen, dass die schon dort Beschäftigten zunächst keine Einbußen erleiden werden, doch die, die ab jetzt eine Arbeitsstelle in einer der Kliniken antreten, haben diesen Schutz nicht und werden nicht automatisch nach Tarif bezahlt werden. Auch der Kündigungsschutz der Neuen ist nicht so gut wie der der „verkauften“ Mitarbeiter.
Die Frage scheint nicht so sehr zu sein, ob „wir verkauft“ werden oder nicht, sondern mehr darin zu bestehen, was die „Verbesserung der betriebswirtschaftlichen Situation“ eines Krankenhauses bedeutet. Verbilligung des Personals ist ein Weg, Erhöhung der Einnahmen ein anderer.
„Gesundheit gegen Bares: Wird der Markt es richten?“, fragt die „Junge Welt“ am 5.7.03. Ein Arzt und Betriebsratsvorsitzender aus Stuttgart verneint im Interview diese Frage und führt aus: „Marktwirtschaft und Solidarsysteme widersprechen sich. (…) Nehmen wir zum Beispiel das System der Fallpauschalen, das gerade in den Krankenhäusern eingeführt wird: Künftig bekommt ein Krankenhaus für eine bestimmte Behandlung einer bestimmten Krankheit eine bestimmte Summe Geld, eine Pauschale eben. Ich kann mir als Krankenhausmanager also ausrechnen, dass ich am meisten Geld bekomme, a) wenn ich möglichst viele Fälle behandele, sie anderen wegnehme oder sie produziere, b) wenn ich die Leistungen pro Fall dramatisch reduziere, damit ich die wenigsten Kosten habe und c) – und das ist das Gefährlichste – wenn ich mir die Fälle so aussuche, dass ich mir sicher sein kann, dass ich einen Gewinn mache, das heißt, wenn ich Patientenselektion durchführe.“
sleepDass das RNK diesen Weg beschreitet, kann nicht im Interesse der Bevölkerung sein. Die Gefahr besteht immer, sie wird jedoch größer, wenn es nicht mehr städtisch ist. Kreise und Gemeinden haben einen Sicherstellungsauftrag. Das bedeutet, sie müssen die Gesundheitsversorgung sicher stellen. Kontrolle und Einfluss hat eine Stadt am ehesten auf ein Krankenhaus, das ihr gehört. Unter diesem Gesichtspunkt wäre es wünschenswert, dass das RNK ist, was es bleibt: ein städtischer Eigenbetrieb.

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