Prävention
Feb 101998
 

Vorbeugung fällt aus

Trotz Präventionsrat: Für präventive Maßnahmen fehlt in Wilhelmshaven das Geld

(noa) Seit Oktober letzten Jahres hat die Stadt Wilhelmshaven einen Kriminalpräventionsrat. Der Gründung war viel Getöse in der „Wilhelmshavener Zeitung“ vorausgegangen (die WZ-LeserInnen werden sich an die Aktion GegenGewalt erinnern), sodass unser Lokalblatt sich die Bildung dieses Zirkels als Verdienst zuschreibt – ungerechtfertigterweise, denn die Stadtverwaltung handelte auf Weisung der Landesregierung.

In diesen Zeiten leerer Kassen sitzen nun engagierte Menschen aus Stadtverwaltung, sozialen Institutionen und Organisationen, Polizei und Lokalpolitik zusammen und sprechen über Maßnahmen, die bitter notwendig sind, aber nicht vorgenommen werden, weil das Geld dafür fehlt. Wir wollen hier zwei Beispiele nennen, stellvertretend für zahlreiche andere Bereiche, in denen Profis und interessierte Laien gute Ideen haben, sie aber mangels Mittelbewilligung nicht realisieren können.

Gewaltprävention nicht finanzierbar
Im September 1997 legte die Ev. Beratungsstelle – bezugnehmend auf die Jugendhilfeplanung und die damals aktuelle Diskussion GegenGewalt ihr Konzept „Verhütung von Gewalt durch Hilfe zur Erziehung“ vor. Grundlegende Überlegungen waren: „Gewalttätigkeit in ihren vielfältigen Formen kann immer nur verstanden werden vor dem Hintergrund der Interessen, Motive und der sozialen Welt der Gewalttätigen. Wie jedes menschliche Handeln ist Gewaltbereitschaft und Gewalttätigkeit ein sozial und lebensgeschichtlich erworbenes Verhaltensmuster. … Kinder reagieren häufig mit aggressivem Verhalten in der Schule auf Grund von Angst, eigener Gewalterfahrung, Über- oder Unterforderung und Lieblosigkeit.“

Auf Grund dieser Überlegungen bot die Beratungsstelle der Stadt an, „Hilfe zur Erziehung nach § 28 KJHG dezentral und niedrigschwellig ab 01.01.98 an den Grundschulen der Südstadt durchzuführen,…“ Die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses fanden das Konzept gut, ebenso wie die SchulleiterInnen der besagten Schulen. Und: Es wäre für die Stadt nicht allzu teuer geworden, da bis auf einen festen Zuschuss zu den Personalkosten bei der Beratungsstelle keine weiteren Kosten entstanden wären. Die Beratungsstelle hatte Seminare für Mütter, Väter und Elternpaare vorgesehen, bot ihre Teilnahme an problem- und fallbezogenen Lehrerkonferenzen an, wollte bei Problemen im Spannungsfeld von Elternhaus, Kind und Schule vermitteln, hielt Beratungs- und Therapieangebote für Familien u.v.m. vor.

Dieses Angebot fiel wie so vieles dem Rotstift zum Opfer. Die Aufgaben, die die Beratungsstelle übernehmen wollte, werden nun nicht getan. Über die Folgekosten ausgebliebener Gewaltprävention kann man nur spekulieren – wie will man nachweisen, dass die zunehmende Gewaltbereitschaft immer jüngerer Menschen (Zeitungsschlagzeilen wie „Täter immer jünger“, „Kinderbande erpresst Geld von Mitschülern“ u.ä. sprechen für sich) heute geringer wäre, hätte früher ein solches oder ähnliches Angebot bestanden?

Nur noch Krisenintervention
Unser zweites Beispiel: Seit einigen Monaten sind zwei der zwölf Planstellen im Bereich Bezirkssozialarbeit beim Allgemeinen Sozialdienst der Stadt unbesetzt. Das Personal der Stadt wird schon seit Jahren reduziert. Zunächst sorgte eine Wiederbesetzungssperre dafür, dass Beschäftigte, die aus den Diensten Wilhelmshavens ausschieden, nicht ersetzt wurden. Inzwischen geht die Schrumpfung mit zusätzlichen Mitteln weiter: Kehrt z.B. eine Frau aus dem Mutterschutz- oder Erziehungsurlaub zurück und möchte zunächst nur mit halber Stundenzahl arbeiten, verschwindet unversehens die halbe Stelle aus dem Plan.

Durch diesen Kahlschlag sollen jetzt eigentlich zwölf SozialarbeiterInnen die Arbeit verrichten, für die vor einigen Jahren noch 21 (!) Beschäftigte angestellt waren. Diese zwölf Planstellen reichen schon nicht aus, wie die Stadt in einem 150000 DM teuren Gutachten vor zwei Jahren bescheinigt bekam. Dr. Müller, der seinerzeit dieses Gutachten erstellte, ging dabei keineswegs mit utopischen Vorstellungen von Sozialarbeit an seine Aufgabe. Er stellte jedoch fest, dass bei weniger als 13 Stellen in der Bezirkssozialarbeit die Folgekosten durch nicht geleistete Arbeit die Ersparnis bei den Personalkosten übersteigen würden. Und er hatte Recht. Im Jahr 1997 stieg die Zahl der Kinder, die aus ihren Familien genommen wurden. Deren Unterbringung in Pflegefamilien oder Heimen verursacht jetzt eine Menge mehr Kosten, als es die mindestens notwendige zusätzliche Planstelle täte.

Früher einmal kümmerte sich der ASD um betagte MitbürgerInnen und sorgte z.B. für ambulante Pflegemaßnahmen. SozialarbeiterInnen des ASD besuchten Familien und berieten sie in Erziehungsfragen. Heute kann es jedoch durchaus passieren, dass Meldungen über Vernachlässigung von Kindern unbearbeitet liegen bleiben. Alles, was inhaltlich sinnvoll und notwendig wäre, aber nicht zwingend durch Gesetze vorgeschrieben ist, unterbleibt. So müssen sich die BezirkssozialarbeiterInnen, die früher an Gerichtsverhandlungen, in denen es um die Unterbringung von Kindern ging, teilnahmen, mittlerweile auf kurze schriftliche Stellungnahmen beschränken. Und wenn der Gerichtstermin angesetzt wird, bevor der Aktenberg über einem solchen Vorgang abgearbeitet ist, kommt es in letzter Zeit auch vor, dass das Gesetz gebrochen und eine Entscheidung ohne Beteiligung des Jugendamtes gefällt wird.

Wohlgemerkt: Diese Zustände herrschten schon, als die spärlichen zwölf Planstellen noch besetzt waren. Die Prioritätenliste, nach der entschieden wird, welche Arbeit gemacht und welche bis zum St. Nimmerleinstag aufgeschoben wird, gibt es schon länger. Mit den lediglich zehn Stellen kann aber nicht einmal mehr Punkt 1 dieser Liste (die Krisenintervention) zureichend erfüllt werden, und es gibt eine heimliche Prioritätenliste, nach welcher Interventionen höchster Priorität zu gewichten sind. An Prävention (auch eine Aufgabe des ASD) ist schon lange nicht mehr zu denken.

Der Oberstadtdirektor weiß von dieser Situation. Vor Monaten schon zeigten die ASD-Beschäftigten ihm schriftlich ihre Überlastung an und verwiesen in diesem Schreiben auch auf den Fall der städtischen Sozialarbeiterin in Osnabrück, die sich vor Gericht wieder fand, nachdem ein Kind den Tod gefunden hatte. Bislang hat er sich dazu nicht geäußert. q

Apropos ASD:
Wir berichteten in der Ausgabe 143 unter der Überschrift „Organisierte Verantwortungslosigkeit“ von der unerträglichen Geruchsbelästigung in den Diensträumen des ASD im City-Haus. Der damals neueste Informationsstand war, dass die Räumlichkeiten im City-Haus von Menschen, die vermutlich dem Hochbauamt angehörten, inspiziert worden waren. Die ASD-MitarbeiterInnen wagten nicht zu hoffen, dass das eine baldige Krisenintervention baulicher Art ankündigte. Gut, dass sie sich gar nicht erst falschen Hoffnungen hingaben. Es stinkt immer noch.

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